Er galt als der letzte «echte Typ» unter den Auslandsjournalisten in Hollywood. Als Dierk Sindermann Anfang der 80er-Jahre als Korrespondent nach Los Angeles kam, herrschte noch ein anderes Zeitalter in der Entertainmentmetropole. Er berichtete nicht als Aussenstehender, er war selbst mittendrin – als Mann, den die Stars persönlich kannten und schätzten. Aufhören wollte er am liebsten nie, weil sein Beruf auch noch nach vier Jahrzehnten Berufung und Hobby zugleich für ihn waren. Als er im Frühjahr schwer krank wurde, hoffte er auf ein Hollywood Happy End – wie schon zwei Mal zuvor, als er dem Tod von der Schippe gesprungen war. Vergeblich. Der 76-Jährige verstarb am Mittwoch umgeben von seiner Familie und engsten Freunden.
Sindermann stammte aus Herne (D) und hatte sich in den 70er-Jahren unter anderem als Autoreporter einen Namen gemacht. Sein aussergewöhnliches Schreibtalent liess ihn zum jüngsten stellvertretenden Chefredakteur des «Kölner Express» aufsteigen. Bis er in Los Angeles eine neue Herausforderung suchte – und fand. Sindermann gehörte als langjähriges Mitglied der Hollywood Foreign Press Association zu den weniger als 100 Journalisten, die jedes Jahr die Golden Globes vergaben. Sein Einfluss war gross bei den Filmstudios und Schauspielern. Diesen herauszustreichen war aber nie seine Sache. Er kannte viele Filmstars und selbst Legenden persönlich. Das kam ihm zugute, als er in den 90er-Jahren Hunderte von Hollywood A-Listern überzeugen konnte, zu den neuen Talkshowformaten auf RTL und Sat1 nach Deutschland zu kommen – intern die «Sindermann-Pipeline» genannt.
Tür an Tür mit den Stars in Hollywood
Sindermann sah sich zwar als Boulevardmann der alten Schule, doch schrieb nie Storys, um andere zu zerstören – etwas, das er an seine Schüler der «Sindermann'schen Journalistenschmiede» (er nahm immer wieder mal Jungjournalisten unter seine Fittiche) weitergab. Mit Kirk Douglas (1916–2020) pflegte er eine Freundschaft und war oft dessen Gast. Mit Liz Taylor (1932–2011) schwadronierte er über Scheidungen (gemeinsam kamen sie insgesamt auf 13 Ehen) oder lieferte sich bei einer Afterparty mit Quentin Tarantino (58) und Kate Hudson (42) nach ein paar Barrunden einen Tanzwettbewerb. Mit Prinz Frederic von Anhalt (78) kloppte er Skat und Zsa Zsa Gabor (1917–2016) nannte ihn zu Lebzeiten auch «Darrrrling». Zu Sindermanns illustren Nachbarn gehörte im Laufe der Jahre unter anderem der Jackson Clan, der in den 90ern die Strasse runter wohnten. Tom Cruise (59) und Nicole Kidman (54) konnten ihm von Gegenüber im Canyon auf der Rückseite von Malibu vom Balkon zuwinken und Vanessa Hudgens (32) kam auf ein Glas Wein von Nebenan vorbei.
Sindermann wirkte mit seiner ungezwungenen, lässigen Art und unermüdlichen Energie 20 Jahre jünger. Was ihn stolz machte, wenn er sein wahres Alter verriet und der ungläubige Zuhörer seinen Ausweis als Beweis verlangte. Er selbst lebte intensiv wie nur möglich in seiner «Verlängerung» – wie er sein Leben in den letzten 26 Jahren genannt hatte. Denn in seiner Familie starben die Männer seit Generationen mit Anfang 50 an Herzproblemen. Er selbst hatte vor 15 Jahren einen Herzinfarkt überlebt. Den bekam er stilgerecht auf einer Party mit Madonna (63) beim Filmfestival in Toronto. Trotzdem flog er morgens noch zurück nach Hause, wo ihm seine geschockte Ehefrau regelrecht zwingen musste, in die Notaufnahme zu fahren. In absolut letzter Sekunde. Dort bekam er drei Bypässe gelegt und machte danach «jetzt erst recht» weiter und besiegte später gleich zweimal Prostatakrebs.
Sindermann liess Freunde nie im Stich
Sindermann nahm sich selbst nie zu ernst und konnte jeden und jede mit seiner selbstironischen, witzigen Art entwaffnen. Das kam ihm besonders bei Interviews zugute, weil er es schaffte, selbst aus wortkargen Stars à la Robert De Niro (78) oder Woody Allen (85) druckreife Zitate herauszuholen. Seine Fotos zu Interviews, bei denen er eng mit den Stars posierte, wurden eines seiner Markenzeichen. Es war seine Tradition, die Redaktionen seiner Zeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz regelmässig abzuklappern und die Kollegen abends zu Speis und Trank einzuladen. Wer ihn einmal traf, vergass ihn nicht. Mit seiner gradlinigen, ehrlichen und lockeren Art machte er sich schnell und überall Freunde. Menschen, mit denen er gut konnte, stand er mit unerbittlicher Loyalität in einem oft illoyalen Business immer zurseite. In geselliger Runde liess er sich dann auf Anfrage auch gerne mal Anekdoten aus seinem bewegten Leben entlocken. Beliebt: Wie ihm von Udo Jürgens (1934–2014) einst in einem Hotel am Wörthersee eine attraktive Begleitung ausgespannt wurde oder auch wie er Harrison Ford (79) bei einer Golden Globes Party einen «folgenschweren» Rotwein nachgeschenkt hatte. Diesen schüttete «Indiana Jones» nämlich über das Kleid von Calista Flockhart (56) – und die beiden sind seither ein Paar.
Dierk Sindermann war ein Mann, der sein Leben liebte. Er hatte das aussergewöhnliche Talent, «den Hebel umzuwerfen» – wie er es nannte. Er konnte auf einer Hollywood-Gala ausgelassen feiern («Connections pflegen» – wie er es nannte), um sich danach morgens um 4 Uhr hinzusetzen und seine Story über das Event gekonnt herunterzuschreiben.
Die Blick-Gruppe spricht der Familie ihr tiefstes Mitgefühl aus.