Mehr als vier Jahrzehnte nach dem ersten «Halloween»-Film übernimmt Jamie Lee Curtis (62) zum insgesamt sechsten Mal ihre Erfolgsrolle als Laurie Strode in der neusten Folge der Kultreihe. Mit demselben Erfolgsrezept: Strode und ihre Familie werden in «Halloween Kills» (läuft ab sofort in den Schweizer Kinos) wieder vom irren Killer Michael Myers terrorisiert. Das klingt zwar wie immer, doch für Curtis ist der neue Film «inhaltlich relevanter für unsere reale Welt als je zuvor».
Blick: Weshalb?
Jamie Lee Curtis: Weil sich überall auf der Welt immer mehr Menschen zusammen gegen das System auflehnen. Es gibt überall Aufstände, die Leute gehen auf die Strasse. Genauso wie die Einwohner der Stadt Haddonfield im neuen Film. Sie sind wütend, weil sie Opfer von Michael Myers sind und die Behörden nicht genug unternehmen. Sie wollen das Gesetz in die eigene Hand nehmen. An einer Stelle heisst es dann auch: «Das System ist zerbrochen.» So etwas hört man gerade im wahren Leben ziemlich häufig.
Was muss man als Schauspielerin mitbringen, um den Titel «Scream Queen» verliehen zu bekommen?
Man muss so wie ich von Natur aus total schreckhaft sein. Googeln Sie mal Fotos von mir als Baby oder kleines Mädchen. In jedem schaue ich total erschrocken oder ängstlich aus der Wäsche. Mir ist dieses Gesicht eines schreienden Opfers in Horrorfilmen also quasi in die Wiege gelegt worden. Sobald die Kamera läuft, muss ich nur meine Natur durchkommen lassen (lacht).
Wie viel Jamie Lee Curtis steckt in Ihrer Filmheldin Laurie Strode?
Erst einmal ist es unheimlich aufregend und extrem selten, die gleiche Rolle 43 Jahre lang spielen zu dürfen. Und natürlich gibt es einige Schnittmengen. Grundsätzlich haben wir uns beide im Laufe der Jahre sehr verändert. Und ich sehe einiges in ihr, was ich selbst aus meinem Leben kenne.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Als Mensch wirst du oft verletzt, doch mit der Zeit heilen die Wunden und man macht immer weiter. Ich konnte mich immer besonders gut mit Laurie identifizieren, wenn sie verwundet war und dennoch gegen ihre Dämonen angekämpft hat. So etwas kennen wir doch alle, dass man sich tief verletzt wieder vom Boden aufrappeln muss. Ich liebe an Laurie besonders, dass sie dennoch nie ihre Menschlichkeit verloren hat.
Im letzten Teil von «Halloween» konnten Sie Michael Myers im Keller Ihres brennenden Hauses einschliessen. Doch auch diesmal kann der Killer wieder entkommen. Womit die deprimierende Botschaft des Films ist: Macht euch keine grosse Hoffnung, dass das Böse jemals besiegt werden kann.
Ich schaue mir jeden Tag die Nachrichten an und genau dieser Gedanke kommt da immer wieder hoch. Es gibt so viele Orte auf der Welt, die unheimlich schlimme Zeiten durchmachen. Und die meisten Menschen dort haben wenig Hoffnung auf Besserung. Schauen Sie sich doch allein Amerika gerade mal an. Wir sind ein geteiltes Land. Und ich glaube, dass das Böse gewinnt – so wie es in der Geschichte oft der Fall war.
Der letzte Film hat mehr Zuschauer in die Kinos gelockt als alle anderen zuvor. Warum ist die «Halloween»-Serie auch nach so vielen Jahren noch so erfolgreich?
Ich glaube, weil sie so realistisch ist. Wir arbeiten kaum mit Special Effects. Was man sieht, sind echte Leute an echten Orten, die echten Mist zum Fürchten produzieren. Die Gewalt ist echt, nicht künstlich kreiert. Und darauf stehen Horrorfans.
Feministinnen haben den ersten Halloween-Film als frauenfeindlich bezeichnet, nur weil Laurie Jungfrau war und als Einzige nicht umgebracht wurde.
Das fand ich immer sehr interessant und irgendwie witzig, dass mich die Frauenbewegung lange gehasst hat. Bis ich plötzlich in «Die Glücksritter» mein T-Shirt ausgezogen habe. Und plötzlich galt ich wieder als legitim und als eine echte A-Liste-Heldin. Für mich ist Laurie von Anfang an ein echtes Vorbild für Frauen gewesen, weil sie stark, intelligent und wandlungsfähig ist. Und vor allem, weil sie selbst nach Rückschlägen nie aufhört zu kämpfen.
Sie spielen in den nächsten zwölf Monaten in gleich vier Filmen mit, die rauskommen, und drehen bereits den Nachfolger von «Halloween Kills», «Halloween Ends» ...
Noch nicht, aber bald. Ich habe gerade im Flugzeug das Drehbuch durchgelesen und konnte danach nicht schlafen. Ich kann Ihnen verraten, dass die Reihe ein aussergewöhnliches Ende haben wird!
Hätten Sie jemals geglaubt, mit 62 Jahren noch so beschäftigt zu sein?
Nein, das ist für mich auch echt überraschend und ich könnte nicht glücklicher darüber sein. Ich nehme alles mit, was ich kriegen kann. Ich liebe meinen Job, die Filmcrew ist wie meine Familie. Ich liebe die künstlerische Zusammenarbeit eines Teams am Set. Ich muss auch sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so kreativ war wie jetzt. Merkwürdig, nicht?
Wenn Sie auf die fast 45 Jahre zurückschauen, auf welche Filme sind Sie besonders stolz?
Also auf jeden Fall «Halloween», «Ein Fisch namens Wanda» und «Wahre Lügen». Dann gab es noch ein paar ganz gute Streifen, aber auch ein paar Filme, die echt schlecht waren. Wir können gerne später über sie reden, an der Bar (lacht).
Jamie Lee Curtis – Tochter der US-Stars Janet Leigh (1927–2004, «Psycho») und Tony Curtis (1925–2010, «Some Like It Hot») – gelang 1978 mit John Carpenters (73) stilbildendem Horror-Schocker «Halloween» der Durchbruch. Doch sie liess sich nie aufs blosse Image der «Scream Queen» festlegen und reüssierte in Komödien («Ein Fisch namens Wanda»), Dramen («Perfect») und auch Actionfilmen («Blue Steel»). Curtis ist seit 1984 mit Regisseur Christopher Guest (73) verheiratet und Mutter zweier Adoptivtöchter, Annie (34) und Ruby (25).
Jamie Lee Curtis – Tochter der US-Stars Janet Leigh (1927–2004, «Psycho») und Tony Curtis (1925–2010, «Some Like It Hot») – gelang 1978 mit John Carpenters (73) stilbildendem Horror-Schocker «Halloween» der Durchbruch. Doch sie liess sich nie aufs blosse Image der «Scream Queen» festlegen und reüssierte in Komödien («Ein Fisch namens Wanda»), Dramen («Perfect») und auch Actionfilmen («Blue Steel»). Curtis ist seit 1984 mit Regisseur Christopher Guest (73) verheiratet und Mutter zweier Adoptivtöchter, Annie (34) und Ruby (25).