Susy Utzinger (51) verlor ihren Mann durch einen Hirntumor
«Ich hätte Lars auch für einen einzigen Tag geheiratet»

Die Krankheit überschattete ihr Glück, das hinderte Susy Utzinger und Lars Howold nicht an ihrer Liebe. Im Mai ist der Mann der Tierschützerin nach langer Krebserkrankung verstorben.
Publiziert: 18.12.2020 um 00:59 Uhr
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Tierschützerin Susy Utzinger wird diese Weihnachten ohne ihren Mann Lars Howold verbringen, er ist im Mai an Krebs gestorben.
Foto: Nathalie Taiana
Interview: Katja Richard

Es liegen viele einsame Spaziergänge mit ihren Hunden hinter ihr: Tierschützerin Susy Utzinger (51) vermisst ihren Mann Lars Howold (†43) schmerzlich. Er ist im Mai nach langem Kampf an einem Hirntumor gestorben. Utzinger stand ihm immer zur Seite und begleitete ihn in seinen letzten Stunden. Jetzt spricht sie über diese schwierige Zeit.

Sie haben Ihren Mann verloren. Wie geht es Ihnen heute?
Susy Utzinger: Es sind jetzt sieben Monate vergangen. Von aussen mag das nach einer langen Zeit klingen. Aber für mich fühlt es sich wie gestern an. Ich bin keinen Schritt weiter, vielleicht ein paar kleine Schritte. Es ist so, wie wenn man wieder laufen lernt. Es ist noch immer schwierig für mich, darüber zu sprechen, ohne in Tränen ausbrechen. Auf meine Gefühle habe ich keinen Einfluss und kann nicht beschleunigen, dass es mir damit besser geht.

Ist das ungewohnt für Sie?
Ja. Ich bin mich an schwierige Situationen gewohnt aus dem Tierschutz. Da gibt es immer wieder sehr tragische und traurige Momente, und ich werde oft gefragt, wie ich damit umgehe. In solchen Fällen kann ich irgendwie einen Schalter kippen, weil ich weiss, dass diese Arbeit auf einer höheren Ebene Sinn macht und ich langfristig Tierleid mildern kann. Aber das funktioniert mit dieser Trauer nicht, da gibt es keine Abkürzung, ich muss mich diesem Schmerz stellen, und das braucht offensichtlich Zeit.

Als Sie und Lars sich vor sieben Jahren kennenlernten, wussten Sie beide von seiner Tumor-Erkrankung. War das nie ein Hindernis, sich zu verlieben und zu heiraten?
Lars und ich hatten das, worauf viele Menschen ihr Leben lang warten: die grosse Liebe. Zwischen uns stimmte alles, wir haben uns blind verstanden, er hat mich beim Tierschutz unterstützt, und wir haben zusammengehalten. Ich hätte Lars auch für einen einzigen Tag geheiratet! Mit Lars habe ich die schönsten sechs Jahre meines Lebens gehabt. Darum habe ich mir diese Frage nie gestellt. Jeder, der liebt, riskiert, den geliebten Menschen zu verlieren. Diese Gefahr besteht nicht ausschliesslich durch eine Krebserkrankung.

Was macht das Bewusstsein für einen möglichen Verlust des Partners mit der Liebe?
Wir haben versucht, nicht ständig daran zu denken – und trotzdem war die Gefahr immer präsent. Aber natürlich hing diese Erkrankung wie ein Damoklesschwert über uns. Wir haben bei jeder MRI-Kontrolle gezittert.

Rechnet man damit, jemanden zu verlieren, oder glaubt man bis zum Schluss, dass sich alles zum Guten ändert?
Lars hat immer voller Überzeugung gesagt: «Ich habe nicht vor zu sterben.» Vielleicht war das ein bisschen arrogant, aber die reale Gefahr dieses Hirntumors war uns durchaus bewusst. Bei einer solchen Krankheit muss man sich entscheiden: Verzweifle ich oder packe ich es an? Und wir haben es angepackt. Lars war ein Kämpfer, er war Physiotherapeut, durchtrainiert und mit einem starken Körperbewusstsein. Darum war es auch so schwer, zusehen zu müssen, wie es in den letzten zwei Jahren mit ihm bergab ging.

Wie war diese Zeit für Sie?
Er hatte während der letzten Jahre immer wieder Chemotherapien oder Bestrahlungen. Ende 2018 wuchs der Tumor erneut und wurde auch bösartig. Eine lange Wach-OP folgte im Januar 2019 und die nächste dann bereits im Oktober. Aus dieser OP erwachte er halbseitig gelähmt. Das war ein harter Schlag für ihn, dennoch kämpfte er sich wieder aus dem Rollstuhl zurück auf die Beine und leistete Unglaubliches. Der Tumor liess sich trotzdem nicht aufhalten …

Sie haben Ihren Mann daheim gepflegt?

Ja, das war ihm enorm wichtig, er wollte keinesfalls wieder ins Krankenhaus. Mithilfe von Freunden haben wir das Wohnzimmer ausgeräumt und ein Spitalbett organisiert. Irgendwann hat uns der Arzt empfohlen, mit der Palliativ-Pflege Kontakt aufzunehmen. Dann ging es plötzlich sehr schnell, und seine Mutter ist zu uns gekommen. Ich bin dankbar dafür, dass immer jemand von uns da war, wenn er erwacht ist, und er sich nie allein fühlen musste.

Wie ist es Ihnen dabei ergangen?
Im Endeffekt war ich froh, dass mir meine medizinische Erfahrung aus dem Tierschutz geholfen hat. Immerhin konnte ich Lars Medikamente gegen die Schmerzen spritzen. Aber letztendlich konnte ich doch nur zuschauen und ihn leiden sehen. Das ging tagelang so, das war wirklich schrecklich. Dieser Körper war noch nicht bereit zu gehen, Lars wollte so gerne noch leben.

Was hat dieser Verlust mit Ihnen gemacht?

Es war traurig und anstrengend, für die Seele und den Körper. Ich habe abgenommen, die Haare sind mir ausgefallen, darum trage ich sie jetzt etwas kürzer. Und ich fange an, über diesen Schmerz zu sprechen. Ich kann mich nicht für immer verstecken, die Welt dreht sich weiter, und ich muss auch weitermachen.

Was vermissen Sie am meisten, seit Lars nicht mehr da ist?
Das ist schwierig zu sagen, ihn als ganzen Menschen. Ich erwische mich immer noch dabei, dass ich aufs Handy schaue und denke, da ist eine Nachricht von Lars. Oder wenn ich bei etwas nicht weiterweiss und denke: Da muss ich Lars fragen. Der Verlust ist wohl in meinem Unterbewusstsein noch nicht ganz angekommen. Mich an ihn zu erinnern, macht mich traurig. Jemand hat mir erzählt, dass die Erinnerung an einen geliebten Menschen irgendwann schön statt traurig wird. Darauf warte ich noch.

Wer oder was tröstet Sie?
Ich habe zum Glück ein tolles Umfeld. Meine Freunde waren die letzten zwei Jahre immer da, haben uns Essen gebracht, Karten geschrieben, Videos mit singenden Kindern geschickt. Meine beste Freundin schreibt mir jeden Morgen eine kleine Nachricht. Einsam bin ich nicht, aber den Prozess des Abschieds, den muss man allein durchstehen.

Und Sie haben Ihre beiden Hunde ...
Ja, die kleine Noroc vermisst Lars besonders, sie war immer bei ihm. Die Hunde geben mir eine Struktur, das ist elementar wichtig für mich. Sie helfen mir, aus dem Sofa hochzukommen, wenn ich einfach liegen bleiben und heulen möchte. Und auch die Arbeit ist ein wertvoller Anker. Gerade jetzt bin ich besonders dankbar, dass ich eine sinnvolle Aufgabe im Leben habe.

Wie hat sich Ihr Job als Tierschützerin im Corona-Jahr verändert?
Unsere Unterstützung ist mehr gefragt denn je, im In- und Ausland helfen wir mit Futter und Materialien. Und wir bauen die Sozialarbeit für Tiere, sprich ihre Besitzer, aus. Es gibt Leute, die können sich das Futter für ihre Vierbeiner nicht mehr leisten. Da muss sich niemand schämen, wir helfen gerne mit einem Futterkonto. Und seit Corona wollen plötzlich alle einen Hund, die Tierheime werden überrannt, und leider floriert auch der Welpenhandel. Ich fürchte, dass wir im nächsten Sommer mit ungewollten Hunden überschwemmt werden.


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