«Yellowstone» setzt neue Masstäbe
Hype um Serien-Pferde

Fans des Westernreitens sehen sich die Serie «Yellowstone» wegen der tierischen Superstars an. Sie heissen Custom Made Gun oder Nineteen Ten und generieren mehr Umsatz als mancher Schauspieler, der sich auf sie setzt.
Publiziert: 19.04.2021 um 15:44 Uhr
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Aktualisiert: 20.04.2021 um 15:37 Uhr
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Die Serie «Yellowstone» mit Kevin Costner setzt neue Massstäbe bei der Inszenierung von Pferden.
Foto: imago images/Everett Collection
Jonas Dreyfus

Grossgrundbesitzer John Dutton, gespielt von Kevin Costner (66), hat sich auf dem Pferdemarkt das wildeste Tier von allen gekauft. Als er es einreiten möchte, wirft es ihn unsanft aus dem Sattel. Die Szene stammt aus der amerikanischen Hit-Serie «Yellowstone» – ihre ersten beiden Staffeln sind in der Schweiz seit März auf Sky erhältlich, in den USA startet kommenden Sommer bereits die vierte. Mit bis zu fünf Millionen Zuschauern pro Folge gehört die Produktion von Paramount Network zu den erfolgreichsten Fernsehproduktionen der vergangenen Jahre.

Wenn im Bundesstaat Montana, dem Schauplatz der Serie, ein Pferd zu sehr bockt, muss ein Knecht ran. Seine Kollegen befestigen ihn mit Klebeband an den Steigbügeln und befreien ihn erst wieder, wenn das Pferd vor Erschöpfung kaum mehr stehen kann. Noch schlechter geht es dem Knecht nach dieser Tortur. Genau für diese brutale Art, mit der in «Yellowstone» Probleme gelöst werden, lieben Fans den in der Gegenwart spielenden Western über eine Familiendynastie, die ihre Ranch gegen allerlei Feinde verteidigen muss.

Gleichzeitig hat sich die Serie zum Must-see für Fans des Western-Reitsports respektive der Disziplinen Reining und Cutting entwickelt. Reining ist eine im Galopp gerittene Dressur-Vorführung, bei der Tempowechsel, Drehungen und abruptes Bremsen im Zentrum stehen. Beim Cutting muss der Reiter ein Rind aus einer Herde heraustreiben.

Er hat die richtigen Beziehungen

Der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent von «Yellowstone», Taylor Sheridan (50), betreibt die Disziplinen Reining und Cutting selbst auf Profi-Niveau und nimmt an Wettkämpfen teil. Gedreht wird auf seiner eigenen Ranch. So habe er das Glück, während der Arbeit jeden Tag reiten zu können, sagte er dem Fachmagazin «Quarter Horse News». American Quarter Horses heissen Pferde jener Rasse, die sich am besten fürs Westernreiten eignet.

Sheridan hat die richtigen Beziehungen, um für einzelne Szenen die bekanntesten Wettkampftiere zu ergattern. Das hat unter Reitsport-Nerds zu regelrechten Horse-Spotting-Wettbewerben geführt, bei denen es darum geht, die Pferde in den Folgen zu erkennen, sie ihren Besitzern und Reitern zuzuordnen und ihren finanziellen Erfolg zusammenzurechnen. Dabei kommen Summen zusammen, von denen die meisten Schauspieler, die in «Yellowstone» mitspielen, nur träumen können.

Drei Millionen Dollar Preisgeld

In der Folge «Ich habe heute einen Mann getötet» tritt zum Beispiel das Pferd Nineteen Ten auf. Zusammen mit seinem Vater und seiner Mutter hat es bei Wettkämpfen insgesamt mehr als eine Million Dollar eingebracht. In der Folge «Heimkehr» ist ein Hengst namens Custom Made Gun zu sehen, was so viel wie «massgefertigte Pistole» heisst. Seine Besitzerin, die Italienerin Maria Cecilia Fiorucci, will in der Nähe von Rom eine Anlage für über 800 Pferde bauen – und sich für die Weltreiterspiele 2022 bewerben. Auf Custom Made Gun sitzt in der Serie der Reiter Tim McQuay, der in seiner Karriere schon über drei Millionen US-Dollar an Preisgeldern gewann.

Seit den Anfängen der Unterhaltung in Form des bewegten Bildes in den 1920er-Jahren sind Pferde ein fester Bestandteil der Film- und Serienwelt. «Ben Hur», «Fury», «Der mit dem Wolf tanzt», «War Horse», «The Revenant», «Der Herr der Ringe» – die Liste würde sich endlos fortsetzen lassen.

In den Western seien sie die stillen Helden gewesen, sagt Martha Crawford Cantarini (92) in einem Interview mit dem Online-Magazin «Horse Journals». Die Stunt-Legende ritt in den 50er-Jahren in mehr als 20 Filmen mit. Pferde hätten damals für Action und Tempo gesorgt. «Wenn sie sprangen, umfielen und galoppierten, hat das die Glaubwürdigkeit und den Status eines Stars massgeblich gesteigert.»

Spezialausbildung fürs Fallenlassen

In den Anfangszeiten des Western-Genres gingen Filmemacher unzimperlich mit den Pferden auf dem Set um, spannten Drähte, um sie zum Stürzen zu bringen und Ähnliches. Seitdem ein Pferd 1939 nach einem Sprung von einer Klippe tot liegen blieb, sind Vertreter des Tierschutzes offiziell auf jedem Hollywood-Set vertreten, auf dem sich Film-Tiere aufhalten.

Abgesehen von den Wettkampf-Pferden aus «Yellowstone» werden Pferde, die in Filmen auftreten, heutzutage von klein auf dafür trainiert. Sie stammen aus wenigen Reitställen in den USA und England und decken zusammen den Bedarf der ganzen Filmwelt ab. Die Trainer lehren sie unter anderem, keine Angst vor dem Knall von Schüssen zu haben, indem sie Feuerwerk zuerst weit entfernt von ihnen zünden und dann in kleinen Schritten den Abstand verkleinern.

Pferde, die sich fallen lassen müssen, sogenannte Fall Horses, erhalten eine separate Ausbildung und können sich danach selbst zu Fall bringen, indem sie ihre Vorderbeine nach hinten ablegen. Digitale Bildbearbeitung ermöglichte es zwar, Pferde in Massenszenen zu duplizieren. Ihre Auftritte gänzlich computeranimiert zu erzeugen, wäre zwar möglich, die Wirkung wäre jedoch nicht dieselbe wie bei einem echten Lebewesen.

160 Tonnen Kies für «Game of Thrones»

Es sei die schönste und härteste Zeit ihres Lebens gewesen, sagt Camilla Naprous (35), die 2018 in die National Cowgirl Hall of Fame aufgenommen wurde, in einem Interview mit der «Elle» über die acht Jahre, in denen sie die Macher der Serie «Game of Thrones» mit Pferden versorgte und deren Koordination am Set übernahm. Naprous ist Teil des britischen Familienunternehmens The Devil’s Horsemen, des führenden Anbieters von Film-Pferden.

«Game of Thrones» zeigte mit der «Battle of the Bastards» in der 59. Folge eine der epischsten Schlachten der Filmgeschichte. 100 Pferde nahmen an den Dreharbeiten in Nordirland teil. Sie dauerten fast einen Monat. Damit die Tiere auf dem schlammigen Boden nicht ausrutschten, wurden insgesamt 160 Tonnen Kies darauf verteilt.

Die Reit-Kompetenz der Stars ist unterschiedlich

Pferde hätten ihr beigebracht, loszulassen und zu vertrauen, sagt Naprous. Man müsse ihnen dankbar sein. «Schliesslich haben sie den Menschen um die Welt transportiert.» Wie gut sich Kit Harington alias Jon Snow und seine Kollegen aus «GoT» beim Reiten schlugen – darüber gibt sie keine Auskunft. Klar ist: Schauspieler mit Erfahrung müssen sich weniger lang auf ihre Rollen vorbereiten als solche, die noch nie auf einem Pferderücken sassen.

Vorteile, um Rollen zu ergattern, bringen Reit-Kompetenzen trotzdem selten. Brad Pitt (57) hatte vor den Dreharbeiten zu «Legenden der Leidenschaft», die er grösstenteils im Sattel verbrachte, noch gar keine. Kelly Reilli (43, «Sherlock Holmes»), die in «Yellowstone» die einzige Tochter des Grossgrundbesitzers spielt, reitet hingegen seit ihrer Kindheit leidenschaftlich. In den ersten Staffeln der Serie kann sie das kein einziges Mal zeigen, denn: Ausgerechnet die Tochter von John Dutton hasst Pferde.

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