Walter Andreas Müller über Partner, Karriere und Tod
«Ich hoffe noch auf einige Lebensjahre»

Über den Sommer trifft die GlücksPost Prominente an Orten, die sie gerne haben. Der 78-jährige Schauspieler Walter Andreas Müller liebt sein Erdhaus. Daheim auf der Terrasse spricht er über seine Karriere, sein schicksalhaftes «Rucksäckli» und seine Zukunftspläne.
Publiziert: 10.08.2024 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2024 um 15:54 Uhr
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In seinem Erdhaus im Zürcher Oberland fühlt sich Schauspieler Walter Andreas Müller seit 26 Jahren geborgen.
Foto: Linda Käsbohrer
Aurelia Robles (Text) und Linda Käsbohrer (Fotos), GlücksPost
Glückspost

Es gibt einiges, was einem einfällt, wenn man an Walter Andreas Müller (78) denkt: die SRF-Satiresendungen «Zweierleier» und «Classe politique» zusammen mit Birgit Steinegger (75), die erfolgreiche Sitcom «Fascht e Familie» oder die Kinderfigur Globi, die der Schauspieler seit 48 Jahren spricht. Aber auch, dass der für seine Polit-Parodien bekannte Kabarettist in einem Erdhaus wohnt. «In diesem Haus fühle ich mich wahnsinnig geborgen. Es ist ein sehr ruhiger und angenehmer Ort zum Sein», sagt Walter Andreas Müller, kurz WAM, daheim auf seiner Terrasse in Madetswil ZH.

1998 ist er mit seinem langjährigen Lebenspartner in das Eigenheim gezogen. Seit dieser vor vier Jahren aufgrund mehrerer schwerer Krankheiten in Folge eines Schlaganfalls ins Pflegeheim gezogen ist, lebt Müller allein im Haus. «Am Anfang herrschte eine ungeheure Leere, und es gibt langweilige Momente, weil niemand hier ist.» So koche, esse und sitze er oft für sich, da helfe auch ein grosser Freundeskreis nichts. «Aber natürlich kann ich auch die Ruhe geniessen und entspannen.» Dazu kommt er derzeit aber nicht sehr oft. Denn nach dem Grosserfolg des Musicals «Sister Äct» steckt er gerade mitten in den Proben zum Stück «Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde» und steht damit ab 7. August bei den Schlossfestspielen in Hagenwil bei Amriswil TG auf der Bühne.

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Die Karriere als «Wunder»

Eine seiner frühesten Kindheitserinnerungen ist aus seinem vierten Lebensjahr. Damals fuhr Walter Andreas mit seiner Cousine draussen «Bäbiwägeli» spazieren und sie spielten «italienische Eltern». Er kann sich auch an den Epilepsie-Anfall seiner Mutter erinnern, als er gerade einmal viereinhalb Jahre alt war. «Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.» Ein Jahr lang lag sie in einer eisernen Lunge, ehe sie an Kinderlähmung starb. «Ich bin dankbar, dass ich überhaupt noch Erinnerungen an sie habe», sagt er. Ihr Tod und jener seines ersten Lebenspartners sowie der Schlaganfall seines Partners vor 14 Jahren – «welcher unser schönes Leben um 180 Grad verdreht hat» – seien die drei ganz grossen Tiefpunkte oder «Hammerschläge meines Lebens», wie Müller es nennt. «Sie sind mein Rucksack, den ich mit mir herumtragen muss.» Doch allzu fest jammern mag der Schauspieler nicht. «Ansonsten habe ich ein sehr grosszügiges Päckli an Gesundheit, Demut, Kraft, Glück und einen Willen, etwas durchzusetzen, mitbekommen.»

Lange ist der Vater seine absolute Leitfigur, dann auch seine Zweitmutter. «Ohne ihre Hilfe wäre ich nie geworden, was ich heute bin», sagt er dankbar. «Zuvor war ich ein Flegel, hatte auch keine Ambitionen.» Die Eltern unterstützen ihn auf seinem künstlerischen Weg, als er nach der Lehre zum Verlagskaufmann an die Schauspielschule geht.

Kurz gesagt
  • Mein liebstes Schweizer Lied: «Träne» von Florian Ast und Francine Jordi
  • Mein liebstes Schweizer Rezept: Bratwurst mit Rösti oder Leberwurst mit Bratkartoffeln und mit in Weisswein und Zimt zubereiteten Apfelschnitzen
  • Meine liebste Schweizer Persönlichkeit: Zum Parodieren alt Bundesrat Christoph Blocher
  • Das ist sehr schweizerisch an mir: Meine Korrektheit
Walter Andreas Müller über seine liebsten Schweizer-Dinge.
STEFAN BOHRER
  • Mein liebstes Schweizer Lied: «Träne» von Florian Ast und Francine Jordi
  • Mein liebstes Schweizer Rezept: Bratwurst mit Rösti oder Leberwurst mit Bratkartoffeln und mit in Weisswein und Zimt zubereiteten Apfelschnitzen
  • Meine liebste Schweizer Persönlichkeit: Zum Parodieren alt Bundesrat Christoph Blocher
  • Das ist sehr schweizerisch an mir: Meine Korrektheit

43 Jahre lang machte er Radio, seit 55 Jahren ist er Schauspieler – sowohl in Komödien als auch in ernsthaften Stücken. Seine Karriere ist beispiellos. «Im Grunde war alles in meinem Leben ein Schneeballeffekt. Das eine ergab das andere. Ich musste nie wirklich für etwas kämpfen. Es ging immer schön vorwärts.» Zu einer Krönung kam es diesen Frühling, als er für sein Schaffen den Ehren-Prix-Walo verliehen bekam. «Ich weiss nicht, wieso man mir eine Auszeichnung gibt. Ich kann vieles, aber nichts richtig. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass ich etwas Exklusives mache.»

Diese Demut scheint in WAMs Wesen tief verankert. Eigentlich wollte er ursprünglich Opernsänger werden, sagte sich jedoch, dass er es mit seiner Körpergrösse von 1,62 Meter wohl nicht schaffen würde. «Ich bin wahnsinnig klein, hatte lange einen Komplex deswegen und musste mich umso mehr behaupten. Dass ich es überhaupt geschafft habe, mich in diesem Beruf durchzusetzen, grenzt für mich an ein Wunder.»

«Die Erfolge sind die Blumen»

Die Arbeit, das sei dennoch die einzige Konstanz seines Lebens. «Die Erfolge sind die Blumen meiner Arbeit. Das Unkraut darunter sieht man nicht. Manche Aufträge machte ich früher des Geldes wegen.» Heute hingegen mache er nur noch Dinge, die er gern tue. Und da wird er auch nicht müde, dasselbe Stück – im Falle von «Sister Äct» 187 Mal – über mehrere Monate aufzuführen. «Abgesehen davon, dass Fabienne Louves in ihrer Hauptrolle natürlich viel mehr leistete als ich, war Quantität für mich nie eine Belastung. Solange etwas läuft und Spass macht, will ich dem Publikum eine tolle Zeit bescheren.» Lachend ergänzt er: «Auch wenn ich im Grunde genommen ein fauler Sack bin.»

Manchmal, gesteht er, sehe er nur einen Berg voller Arbeit vor sich – «zum Beispiel heute Morgen». Ein neues Globi-Hörspiel will geschrieben sein – und da wäre noch die ganze Vorsorge-Geschichte zu regeln. «Ich mache dann einfach und funktioniere», sagt er. «Meine Nachlassregelung habe ich bereits gemacht, aber ich muss sie nun auch für meinen Partner machen, weil er es selber nicht mehr kann und ich eine Vollmacht für ihn habe.» Geheiratet haben sie trotz 35 Jahren Beziehung nie. «Nach dem Schlaganfall riet uns damals ein Notar wegen finanzieller Konsequenzen davon hab. Das ist schon tragisch.»

Geburtstage selten gefeiert

Und dann steht noch ein grosses Jubiläum an! Nächstes Jahr wird Walter Andreas Müller 80. Seine Geburtstage hat er all die Jahre – mit Ausnahme einer Matinee im Zürcher Bernhardtheater, die Hanna Scheuring (59) zu seinem 70. organisierte – nie gefeiert. «Das Leben und meine gute Gesundheit feiere ich jeden Tag», erklärt er. Andere wollen den Volksschauspieler jedoch mit einer grossen Jubiläumsproduktion feiern. «Es ist eine Komödie, die extra für mich geschrieben wird», erzählt Müller. «Wenn diese lässig und gut wird, dann habe ich die feste Absicht zu sagen: Das mache ich – aber danach war es das dann für mich!» Pläne für später hat er noch einige: öfter Golf spielen und reisen, zum Beispiel von Kolumbien bis runter nach Chile.

Walter Andreas Müller blickt auf den Pavillon, den sein Partner einst entworfen hat. Sie würden jeden Morgen telefonieren, sagt er. «Ich bringe ihm regelmässig Kreuzworträtsel, Heftli und Schoggi vorbei.» Nachdenklich fügt er an: «Er ist immer noch sehr präsent hier im Haus, was Loslassen natürlich erschwert.» Zudem sei es in seinem Alter sowieso fast unmöglich, eine Beziehung mit einem neuen Mann anzufangen. «Kurz vor dem 80. kann ich mir niemanden mehr anlächeln.» So eine Beziehung würde doch niemand mehr eingehen wollen. «Aber ich hoffe natürlich noch auf einige Lebensjahre.»

Wohin danach die Reise geht? «Ich habe eine seltsame Religiosität», antwortet Müller. «Aber meine ganz naive Vorstellung ist, dass es eine höhere Macht geben muss und nicht alles von nichts sein kann. Das macht mich neugierig auf den Tod.» Aber dieser liegt hoffentlich noch viel weiter in der Ferne, als die Aussicht von seiner Terrasse über die grüne Landschaft des Zürcher Oberlands reicht.


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