Darum gehts
- Fünf Jahre nach der Pandemie besucht die Schweizer Illustrierte Mister Corona
- Daniel Koch öffnet die Tür zu seinem Zuhause
- Der Krisenkommunikator ist im Liebesglück
Seine drei Hunde Bundji, Lasse und Akira haben bei Daniel Koch zu Hause in Schwarzenburg BE ihr eigenes Sofa. Die unangefochtene Nummer eins im Leben von «Mister Corona» ist aber seine Frau Natalii. Seit zwei Jahren ist der 69-jährige Arzt und ehemalige Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit BAG mit der Ukrainerin verheiratet. «Ich habe viel Respekt für Natalii. Ihre Stärke beeindruckt mich jeden Tag aufs Neue.»
Die 43-Jährige stammt aus Druschba, einer Kleinstadt im Nordosten der Ukraine. Die studierte Psychologin arbeitete in Kiew als Floristin. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 flüchtete sie mit ihrem damals 14-jährigen Sohn nach Polen, ihr Ex-Mann in die Schweiz. «Ich hatte noch ein Zimmer frei und nahm ihn auf», erzählt Daniel Koch, der zwei Jahre zuvor in den Ruhestand getreten war. Wobei es Unruhestand besser trifft, denn zwei Jahre nach seinem Rücktritt im Mai 2020 ist die Agenda des schweizweit bekannten Krisenkommunikators rappelvoll mit Terminen: Vorträge, Schulungen, Gesundheitstaskforces – Koch ist ein gefragter Mann. «Für mich war es dennoch eine Selbstverständlichkeit, einem Menschen aus der Ukraine ein vorübergehendes Zuhause zu geben.»
Zweites Buch mit Liebesgeschichte
Koch lebt damals allein in seinem schlicht eingerichteten Drei-Zimmer-Reihenhäuschen, aus einer früheren Beziehung hat er zwei erwachsene Töchter. Bald erzählt ihm Nataliis Ex-Mann von der Hockeyleidenschaft des Sohnes. «Er war in Polen unglücklich – ich telefonierte mit dem Chef des SC Bern.» Der Sohn kommt in die Schweiz und fängt hier an, Hockey zu spielen, wenig später folgt seine Mutter nach. «Und so lernten wir uns kennen», sagt Koch und nimmt Nataliis Hand.
Die Liebesgeschichte ist Teil des Buches «Im Auge der Krise», das Koch zurzeit an seinem Schreibtisch im Keller schreibt. «Ich erzähle zudem von meinen sieben Reisen in die Ukraine. Drei davon waren Besuche bei der Familie meiner Frau, viermal war ich in Kiew als Kursleiter für das Gesundheitsdepartement», sagt Koch. Das Buch beleuchtet aber auch die Zeit nach seinem Rücktritt aus dem BAG und ist somit eine Fortsetzung seines Bestsellers «Stärke in der Krise», für das der frühere Innenminister Alain Berset das Vorwort schrieb. «Ich habe erst später erfahren, dass Daniel in der Schweiz so bekannt ist», sagt Natalii, die sich mit ihrem Mann auf Englisch unterhält. Etwa als sie die Kartonkisten mit unzähligen Briefen aus der Bevölkerung entdeckte. Oder als sie merkte, wie häufig er an Anlässen angesprochen wird.
Nicht für neue Pandemie bereit
Fünf Jahre ist es her, seit der hagere Mann mit dem markanten Schädel praktisch jeden Tag im TV zur Nation sprach. Ruhig und sachlich klärte Koch, der 14 Jahre für das IKRK in Krisengebieten unterwegs war, über die Zahl der Coronainfizierten auf, beantwortete selbst komplexe Fragen so, dass jeder sie verstand. «Im Hintergrund ging es oft sehr hektisch zu und her», erinnert sich Koch am Stubentisch. An den unzähligen Sitzungen mit dem Gesamtbundesrat stritt man darüber, wie eingreifend die Massnahmen sein sollen. «Ich habe grossen Respekt davor, wie entschlossen und zielstrebig der Bundesrat durch die erste Welle geführt hat.» Selbstkritisch äussert sich Koch rückblickend über die Altersheimregeln. «Da gingen wir zu weit. Menschen sind ganz allein gestorben, weil niemand sie besuchen durfte.»
Stolz ist er hingegen auf seine Aussage, «Grosseltern dürfen die Enkel wieder umarmen», die ihm damals Kritik einbrachte. «Nachträglich zeigte sich, dass Kinder keine Treiber der Pandemie waren.» Auf die Frage, ob die Schweiz heute für eine neue Pandemie gewappnet wäre, sagt Koch: «Nein, auch weil der Bund Corona nie richtig aufgearbeitet hat.» Die Evaluationsberichte seien schon im Sommer 2021 abgeschlossen worden, lange bevor es einen wirklichen Überblick gab. «Ich befürchte, dass es bei einer neuer Gesundheitskrise schnell wieder zu einer Spaltung der Gesellschaft kommen könnte.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
Hart ins Gericht geht er mit dem Sparkurs des aktuellen Bundesrats. «Die Überwachung von übertragbaren Krankheiten in Spitälern zu streichen, ist ein grosser Fehler.» Doch nicht nur in der Schweiz, auch in Kiew kann er die Kurse zum gleichen Thema nicht mehr durchführen, weil US-Präsident Donald Trump die Hilfsgelder gestrichen hat. «Es ist ein Desaster!» Natalii, die den Ausführungen ihres Mannes aufmerksam zugehört hat, nickt. Sie versteht Deutsch immer besser, hat auch schon Kurse besucht. Jeden Tag telefoniert sie mit ihren Eltern in der Ukraine. «Ich vermisse sie.» Daniel Koch hat eine App auf seinem iPhone, die ihm jeden Luftalarm in Kiew anzeigt. «Es gibt keine Nacht ohne Alarm. Die Menschen kommen nie zur Ruhe.»
Natalii lernt Ski fahren
Statt T-Shirts mit seinem Kultspruch «Die Aare ist bebadbar» trägt Koch heute Pullover mit dem Symbol des herabstürzenden Falken. Es ist das Wappen der Ukraine. «Die Schweiz könnte mehr zur Unterstützung des Landes tun», sagt er.
Bundji, Lasse und Akira kratzen ungeduldig am Fenster. «Kommt, wir gehen raus», sagt Koch zu seiner Frau. «Ich hatte nie Haustiere, Daniels Hunde mag ich sehr», sagt sie. Normal spazieren ist mit den trainierten Tieren nicht möglich, wie verrückt ziehen sie an der Leine. Nach zwei Schlüsselbeinbrüchen geht es Koch – ehemaliger Marathonläufer und Canicross-Europameister – sportlich ruhiger an. «Mit den Hunden mache ich vor allem noch Rennen, bei denen sie mich auf den Ski ziehen – das ist einfach geil.» Ski fahren lernt auch Natalii, oft sind sie in Gstaad, wo ihr Sohn eine Kochlehre absolviert. Momentan sucht auch sie einen Job. «Ich würde gern meine Landsleute psychologisch unterstützen.» Natürlich helfe er ihr dabei, sagt Koch. «Hauptsache, Natalii ist glücklich.»