Auf einen Blick
- Bernhard Betschart: vom Bergbauernbub zum erfolgreichen Musiker mit Heimweh
- Juuzen und Rockmusik prägten seine Jugend, Reisen formten seinen Charakter
- Heimweh: Platz 1 in Hitparade, 3 Swiss Music Awards, 1 Prix Walo
Strahlend begrüsst uns Bernhard Betschart (47) in seinem Zuhause in Muotathal SZ. Er ist gerade dabei, die neueste Platin-Auszeichnung, die der Männerchor Heimweh vor kurzem überreicht bekam, an die Wand zu hängen. «Käfeli? Mit Milch?», fragt er. Unser Blick schweift von den vielen Auszeichnungen auf die umliegenden Berge, auf denen bereits der erste Schnee liegt, sich aber gerade der Nebel ausbreitet. Sofort wird klar: Hier wohnt jemand, der das, was Heimweh besingt, auch lebt.
Als jüngstes von sieben Kindern wurde Bernhard Betschart in eine musikalische Familie hineingeboren. Aufgewachsen auf einem stotzigen Bergbauernhof oberhalb von Muotathal, der flächenmässig grössten Schwyzer Gemeinde, mussten die fünf Mädchen und zwei Buben im Stall und auf den Hängen mithelfen. Bereits als Kind trat er mit der Familie auf, lernte von beiden Elternteilen den Muotathaler Naturjuuz. «Die Musik hat mich von klein auf begleitet», erzählt er. Als die Schwestern älter wurden, hörten sie AC/DC, Bon Jovi und Def Leppard. So fand auch Betschart zur Rockmusik, das Juuzen geriet in den Hintergrund. «Mit 14 wurde aus dem schüchternen Bergbauernbub ein Rebell. Ich wollte Rockstar werden und liess mir die Haare wachsen», erinnert er sich.
Weil er im Sommer beim Heuen helfen musste, durfte er keine Lehre absolvieren. Im Winter arbeitete er auf dem Bau, um Geld zu verdienen. «Mit 23 entschloss ich mich dann, doch noch eine Lehre zu machen, und wurde Strassenbauer.» Aber er wurde nicht glücklich und ging nach Amerika. In San Francisco lernte er Englisch und schloss sich dem Gospelchor der Glide Memorial Church an, dem bekanntesten Chor der Stadt. Nach einem halben Jahr kehrte er in die Schweiz zurück, aber der Drang nach Freiheit liess ihn nicht los. So reiste er mit einem Van noch mal anderthalb Jahre lang durch Kanada und die USA. Zurück in der Heimat, spürte er, dass er etwas ändern musste, um glücklich zu werden. Er arbeitete bei seiner Schwester auf dem Stoos SZ als Sportartikelverkäufer und hielt sich mit Temporärjobs über Wasser. «Das Raue auf dem Bau war nichts mehr für mich.»
«Fadegrad, direkt, unverschnörkelt»
Freude hatte er beim gemütlichen Zusammensein mit Freunden, wo Bernhard Betschart ungezwungen und frei von der Leber weg juuzen konnte. Die Dokumentarfilme des Musikethnologen Hugo Zemp brachten dann die Wende. «Die Szene, wie ein Älpler mit zerfurchtem Gesicht und geflicktem Hirthemd zusammen mit seinem Bruder und einem Kollegen juuzt, hat mich sehr berührt. Wie Blues, einfach von den Alpen: fadegrad, direkt und unverschnörkelt. Genau so wollte ich das auch machen.» 2007 gründete er mit Kollegen die Juuzergruppe «Natur pur». Seine rockige Seite lebte er mit der Akustik-Band Black Creek aus. An einem Jodel-Symposium in der Zentralschweiz gab Betschart einen Workshop – und leckte Blut. «Ich dachte, es wäre schön, Kurse zu geben und den Leuten diese schöne Tradition weiterzuvermitteln.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Glückspost» veröffentlicht. Mehr aus der Welt der Schweizer Prominenz, Royals und Sportstars erfährst du immer montags in unserem Gratis-Newsletter! Zur Anmeldung
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Und genau das macht Betschart heute. Seit sechs Jahren kann er von der Musik leben. Zuvor nahm er in den SRF-Sendungen «Kampf der Chöre» und «The Voice of Switzerland» teil. In Letzterer outete er sich erstmals öffentlich als Juuzer. Dann erhielt er eine Anfrage von Hitmill-Produzent Georg Schlunegger (44), der Männer für einen neuen Chor suchte.
Herbst bringt Ruhe
Seit der Gründung von Heimweh 2016 ist er nun Mitglied der Erfolgsformation, die bereits zahlreiche Auszeichnungen abstauben konnte. Auch das aktuelle Album «Jahreszyte» schaffte es auf Platz 1 der Hitparade. Im Titelsong singt Bernhard Betschart die Leadstimme und juuzt. Welches ist denn seine Lieblingsjahreszeit? «Der Herbst, weil er eine gewisse Ruhe bringt und ich in den Bergen Energie tanken kann für den Winter. Aber mit dem Älterwerden bringt der Herbst auch mehr Melancholie.» Angesprochen auf bisherige Höhepunkte mit Heimweh, sagt Betschart: «Unser Auftritt im Kybunpark in St. Gallen als Vorgruppe von Andreas Gabalier. Und die Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer war toll.»
Ist Bernhard Betschart nicht gerade mit Heimweh unterwegs – ab Januar geht’s auf «Jahreszyte»-Tour –, gibt er Workshops und tritt als Solokünstler oder zusammen mit dem Trio Ambäck auf. In der Freizeit geht er joggen, macht Fitness und verbringt sehr gerne Zeit mit seiner Partnerin Andrea und den beiden Katzen Krümel und Coco.
Traum vom eigenen Album
Bernhard Betschart konnte sein Hobby zum Beruf machen. Ein Rockstar ist er zwar nicht geworden, trotzdem schmücken zahlreiche Gold- und Platin-Schallplatten, drei Swiss Music Awards und ein Prix Walo sein Zuhause. «Mit Heimweh darf es gerne so weitergehen», sagt er. «Aber ich träume davon, irgendwann ein eigenes Album herauszugeben.»