Der beliebte TV-Moderator schnappt sich seine Tasche und schaut zu den jungen Frauen und Männern, die im Gang der Hochschule Luzern am Tisch sitzen. «Das sind meine Kommilitonen», sagt Nik Hartmann (51). Vor mittlerweile anderthalb Jahren hat er ein Musikstudium begonnen und sich damit einen Traum erfüllt. Für Hartmann war die Midlife-Crisis massgebend verantwortlich dafür, nochmals etwas Neues zu wagen. «Die einen fangen an zu töpfern, andere machen einen Partnerschaftswechsel und dann gibt es noch Leute, die etwas für den Geist machen», erklärt er. «Ich habe mich zur Freude meines Umfelds für den Geist entschieden.»
Lange sucht Hartmann eine Antwort auf die Frage «Was will ich eigentlich?», die er sich selbst immer wieder stellt. «Doch irgendwann ist mir plötzlich bewusst geworden, dass ich eigentlich schon mit 20 Jahren hätte Musik studieren sollen.» Denn er realisiert, welche Leidenschaft er in den letzten Jahren sträflichst vernachlässigt hat: das Flötenspielen. «Weil wenn ich etwas richtig gut kann im Leben, dann ist es das.»
Er will keinen Promi-Bonus
Ein Studium mit fast 50 Jahren? Hartmann war sich selbst nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist. Doch eine Internetrecherche überzeugte den TV-Mann vom Gegenteil. Und die Aufnahmeprüfung fürs Jazz-Studium klappte überraschenderweise beim ersten Anlauf. «Und das ohne Promi-Bonus», betont Hartmann. Er habe von Anfang an klargestellt, dass er niemandem einen Studienplatz wegnehmen möchte, nur weil er bekannt sei.
Seit seinem Studienbeginn hat sich diese Einstellung nicht verändert. Im Gegenteil: «Ich werde verrückt, wenn ich spüre, ich werde nicht gleich behandelt wie alle anderen. Darum bin ich eher vorauseilend, dass ich mich noch sauberer abmelde oder ein schlechteres Gewissen habe, wenn ich bei etwas nicht dabei bin.»
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Er fühlt sich gut aufgehoben
Wenn er durch die Gänge der Hochschule geht, sticht Hartmann sofort aus der Masse heraus. Auch weil seine Kommilitonen oft gerade einmal halb so alt sind, selbst die Dozenten sind oft jünger. «Nicht selten denke ich: Ist gerade Elternbesuchstag?» Trotzdem fühlt er sich pudelwohl. «Ich werde von allen ernst genommen und gleich behandelt. Man fragt mich genauso, ob ich bei einem Projekt mitspielen will, wie jemanden, der 30 Jahre jünger ist.»
Auch leistungsmässig kann Nik Hartmann mit seinen Studienkolleginnen und -kollegen mithalten. Nur bei etwas würden sie sich dann doch unterscheiden. «Bei Studentenpartys trifft man mich nicht an.» Aus gutem Grund: Seinen Job als Co-Leiter der Eigenproduktionen von Sendern wie 3+ und TV24 macht er weiterhin. «Manchmal habe ich hier morgens Unterricht, fahre dann nach Zürich ins Büro und komme abends nochmals für ein Seminar oder zum Üben nach Luzern.» Seine Tage sind deshalb durchgetaktet – auch damit die Familie nicht zu kurz kommt. Gestresst fühle er sich nicht. Im Gegenteil: «Das Studium entspannt mich. Es ist für mich eine Erfüllung auf der ganzen Linie.»
Musik ist seine grosse Leidenschaft
Für seine Söhne sei es kein Thema, dass der Papi jetzt noch ein Studium angefangen hat und viel unterwegs ist. «Meine Ältesten, Constantin und Frederik, sind 18 und 21 Jahre alt. Die haben ihr eigenes Leben.» Melchior (15), sein Jüngster, der eine Behinderung hat, geht an mehreren Tagen die Woche an eine Schule, in der er oft auch über Nacht bleibt. «Meine Frau und ich sind da sehr gut organisiert.»
Seine Leidenschaft ist es, die ihn in diesem Studium antreibt. Und diese ist sofort spürbar, wenn Nik Hartmann, der einst durch seine Wandersendung «Wunderland» zum Schweizer Publikumsliebling wurde, nur schon ein Musikinstrument sieht. Als er für Fotos am Klavier posieren soll, nützt er jede Sekunde aus, um in die Tasten zu hauen. Denn auch wenn er sich im Studium auf die Querflöte fokussiert, muss Hartmann noch andere Instrumente beherrschen. «Ich kann auch Saxophon spielen, weil das verwandt mit der Flöte ist. Hier muss ich in Klavierunterricht. E-Bass und Geige spiele ich auch ein bisschen. Wenn ich eine Trompete in die Hand nehme, gelingt mir gerade so die Tonleiter.» Auch singen gehört zum Studium. Hartmann trat vor kurzem mit dem Schulchor in einer Kirche auf. «Aber für einen Auftritt in ‹Sing meinen Song› reicht es noch nicht», ergänzt er lachend.
Die Sendung, die aktuell mittwochs auf 3+ läuft, ist eines der Erfolgsprojekte Hartmanns. Dass er durch sein Studium mehr von Musik verstehe, kommt ihm, der hinter den Kulissen mit seinem Team die Stricke zieht, entgegen. Und es scheint so, dass Hartmann genau das noch einige Jahre machen will. Denn auch nach Abschluss seines Studiums in rund zwei Jahren sieht er seine Zukunft in der TV-Branche.
SRF-Abgang nie bereut
Die eigene Komfortzone zu verlassen, ist etwas, was Hartmann in seiner Karriere immer wieder wagt. Nicht einmal vier Jahre ist es her, seit er seinen sicheren Job bei SRF aufgab, um sich bei 3+ hauptsächlich hinter der Kamera um Formate zu kümmern. Eine Entscheidung, die Hartmann nie bereut hat, wie er immer wieder betont. In Kürze steht mit den Swiss Music Awards seine nächste Grossproduktion an. 2021 führte er noch selbst durch die Sendung. Doch mindestens genauso viel Freude mache es ihm, anderen die Bühne zu überlassen.
Hartmann strahlt, wenn er von solchen Projekten, aber auch von seinem Studium erzählen darf. Es scheint so, als ob die Mischung aus Studium, Arbeit und Familie für ihn wie ein Sechser im Lotto sind. «Ich fühle mich angekommen mit dem, was ich mache. Das war ich noch nie. Früher wollte ich immer mehr – eine weitere Sendung, ein Bühnenprogramm. Heute bin ich einfach nur sehr glücklich und zufrieden.»
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