Was in Hamburg die Reeperbahn und in Amsterdam De Wallen ist, ist in Zürich die Langstrasse. Eine Mischung aus Rotlichtviertel und Szene-Ausgang, die Nachtschwärmer mit blinkenden Neonlichtern und nie müde werdenden Bars und Clubs anzieht. Ein Sehnsuchtsort für alle Suchenden und solche, die für einen Abend ausbrechen wollen. Die Langstrasse ist aber auch ein Mythos-Ort, an dem sich alle erdenkliche Arten von Geschichte erzählen lassen. So auch die Geschichte von «Early Birds», den ersten Schweizer Netflix-Film des Zürcher Regisseurs Michael Steiner (54).
Das Roadmovie beginnt atemlos: Eine junge Frau rennt durch die engen Gassen rund um die Langstrasse und flüchtet in die hochfrequentierte Olé-Olé-Bar. Gejagt von Drogendealern und schliesslich auch der Polizei, getrieben von Alkohol, Koks und Gewalt.
Ein Setting, an das sich Hauptdarstellerin Silvana Synovia (27) erst herantasten musste, wie sie uns im Gespräch erklärt. «Ich habe die Langstrasse nicht gekannt, auch die Drogen- und Milieuszene ist mir fremd.» Um ein richtiges Gefühl für Zürichs berüchtigte Sündenmeile zu bekommen, hat die Baselbieterin sie vor den Dreharbeiten auf eigene Faust erkundet. «Ich war eine Nacht lang, von zehn Uhr abends bis drei Uhr morgens, an der Langstrasse unterwegs. Ich habe gesehen und erlebt, wie die Stimmung von fröhlich-vergnügt zu düster-gefährlich kippen kann.» Das habe ihr geholfen, die «passenden Vibes» für den Film zu finden und den Mythos des Orts zu verstehen, der einen perfekten Schauplatz abgebe. «Die Langstrasse ist wie ein eigener Film. Da läuft immer irgendwas.»
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Flucht in die Schweizer Berge
In «Early Birds» spielt Silvana Synovia die Rolle der jungen Schweizerin Caro, die in einer verhängnisvollen Partynacht auf die Deutsche Annika (Nilam Farooq) trifft. Nach einem geplatzten Drogendeal fliehen die beiden gemeinsam aus der Stadt in die Schweizer Berge.
Um sich für die Rolle der toughen Alterspflegerin vorzubereiten, hat die talentierte Newcomerin Method Acting angewandt und ist auch nach Drehschluss in ihrer Rolle geblieben. «Ich habe mich so geschminkt und angezogen, wie Caro es tun würde. Dann war ich bei McDonald's – Caro würde dort essen, ich tue das nicht – und hab in aggressivem Ton bestellt. Und dabei beobachtet, wie die Leute auf mich reagieren.» Das habe ihr bei der Entwicklung der Rolle sehr geholfen. «Caro ist in vielen Teilen ganz anders als ich. Aber sie hat eine weiche Schale und einen harten Kern – das fasziniert mich», so Synovia.
Dreijährige Ausbildung an der Schauspielschule Köln
Das rasante Zürcher Roadmovie ist der erste grosse Film der Schweizerin mit serbischen Wurzeln, die 2021 ihre dreijährige Ausbildung an der Schauspielschule Köln (D) abgeschlossen hat. Dass sie in ihrer ersten Hauptrolle dank Netflix bald auf der ganzen Welt zu sehen sein wird, kann die 27-Jährige selber noch kaum fassen. «Das ist schon unglaublich und ehrt mich natürlich sehr. Da der Film erst im Frühling auf Netflix erscheint, kann ich mich noch gut genug darauf vorbereiten», sagt sie und lacht. Die Baselbieterin wünscht sich, dass die Menschen in der Welt dank «Early Birds» mehr über unser Land erfahren. «Die Schweiz ist ein schönes Land, in dem man trotz der kleinen Fläche auch tolle Roadtrips machen kann. Und: Schweizer machen gute Filme.»
«Early Birds» sei quasi «die Zürcher Version von ‹Thelma & Louise›», erklärte Regisseur Michael Steiner in einem früheren Blick-Interview in Anlehnung an den US-Kultfilm aus dem Jahr 1991 mit Susan Sarandon (76) und Geena Davis (66) in den Hauptrollen. In diesem wie in Steiners Film stehen zwei Frauen auf der Flucht im Mittelpunkt des Geschehens. Ein Aspekt, der Silvana Synovia am Film gefällt. «Caros und Annikas Flucht ist auch eine Flucht vor sich selbst. Sie sind verloren und finden sich – das ist sehr schön.» Mit einem solchen Antrieb als Flucht könne sie sich identifizieren, erklärt die 27-Jährige, die in ihrer Freizeit gern Texte schreibt. «Ich sitze nachts oft auf dem Balkon und schreibe meine Prosa und meine Gedichte. Ich habe schon als 13-Jährige viele Texte und Liebesgedichte verfasst.» Aber auch mit Sport schaltet die Schauspielerin gern ab: «Im Winter gehe ich oft in die Berge und fahre Snowboard. Auf dem Brett durch den Tiefschnee gleitend kann ich besonders gut entspannen.»
Synovia will Stunts künftig selbst machen
Dem BewegungsmenscheN Synovia haben auch die zahlreichen Actionszenen in «Early Birds» gut gefallen. «Michi Steiner hat mich zum Aikidotraining geschickt, damit ich beim Rennen richtig falle. Zudem hatte ich Schiesstrainig.» Beides habe ihr viel Spass bereitet. «Ich würde in Zukunft gern meine eigenen Stunts machen, so wie Tom Cruise», sagt sie. «Die Stuntfirma unseres Films hat mich bereits eingeladen, vorbeizukommen und mich ausbilden zu lassen.»
Kein Zweifel: Auch in Zukunft werden wir noch viel von Silvana Synovia hören. Nach «Early Birds» steht für die junge Schauspielerin ein nächstes Schweizer Projekt an, für das sie bereits eine Zusage erhalten hat.
«Early Birds» läuft seit dem 12. Oktober in den Schweizer Kinos. Im Frühling 2024 erscheint der Film auch exklusiv auf Netflix und Oneplus.