Für Adolf Muschg (86) gebe es im öffentlichen Diskurs zu viel Schwarz-Weiss-Denken. Dies sagte der Schriftsteller gestern in der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie». Im Gespräch mit Moderator Yves Bossart (38) ging der Zürcher sogar weiter.
«Nehmen Sie die ‹Cancel Culture›, die wir heute haben. Dass man abgeschrieben wird, wenn man bestimmte Zeichen von sich gibt», erläutert Muschg. Als «Cancel Culture» wird ein vor allem in den sozialen Medien stattfindendes Phänomen bezeichnet, bei dem Personen nach diskriminierenden oder beleidigenden Aussagen oder Taten von der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden sollen.
«Ein falsches Wort und du hast den Stempel»
«Das sehen wir bei feministischen Diskursen ebenso wie bei anti-rassistischen. Ein falsches Wort und du hast den Stempel», so Muschg. Für ihn sei das «im Grunde eine Form von Auschwitz»: «Entsetzlich an dieser Praxis ist nicht nur das Inhumane, sondern die Interesselosigkeit an den eigenen Widersprüchen. Darin besteht doch der ganze Spass des Lebens.»
Der Vergleich eines Social-Media-Phänomens mit einem der schlimmsten Gräuel der Menschheitsgeschichte geht für viele zu weit. «Wenn ‹Cancel Culture› entsetzlich ist – was ist dann Auschwitz?», fragt etwa ein User zu dem Vergleich. «Ich bin entsetzt, dass Adolf Muschg den Begriff ‹Auschwitz› als Synonym für einen ihm missliebigen Umgang mit der Kultur verwendet. Ist er noch klar im Kopf?», ein anderer.
Auch prominente Stimmen haben sich zu dem Skandal geäussert. «Adolf Muschg vergleicht die so genannte ‹Cancel Culture› mit – was!? – Auschwitz! Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen – und es ist absolut unverständlich, warum der Moderator das unwidersprochen einfach stehenlässt. Unfassbar», schreibt etwa der Zürcher Historiker Philipp Sarasin (64) auf Twitter. Auch Komiker Mike Müller (57) kann dem Vergleich nichts Gutes abgewinnen: «Wieviele Menschen wurden jetzt eigentlich durch diese ‹Cancel Culture› vergast?» (klm)
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