Am Sonntag war Alain Berset (48) in der RTS-Sendung «19h30» zu Gast und wurde von der Moderatorin Jennifer Covo (42) interviewt. Dabei stellte die Journalistin auch kritische Fragen. So wollte sie von dem Bundesrat etwa wissen, wieso man mit der Zulassung einer Impfung so lange wartet oder fragte nach Bersets angeblichen Unstimmigkeiten mit Ueli Maurer (70). Während Berset ausserdem ausführte, dass Hilfspakete für Unternehmen in Not kommen werden, unterbrach ihn Covo: «Für viele ist das aber nicht genug. Sie brauchen jetzt Geld auf dem Tisch.»
Die Sendung rief in der französischsprachigen Schweiz ein grosses Echo hervor. Besonders in den sozialen Medien brach ein Shitstorm über die Journalistin herein. Bezeichnungen wie «Aggressiv», «Unhöflich» oder «ohne Manieren» sind dabei im Vergleich noch harmlos. Zahlreiche Kommentare gingen unter die Gürtellinie, attackierten Covo auf üble Art und Weise.
«Wir nehmen Kritik sehr ernst»
Das ging so weit, dass das RTS sogar ein Statement zu der Sendung abgeben musste. Pierre-Olivier Volet, der stellvertretende Chef-Redaktor der News-Redaktion, verurteilte dabei zahlreiche Kommentare aufs Schärfste. «Wir nehmen Kritik sehr ernst (...) aber zahlreiche Kommentare zielten einfach darauf ab, unsere Moderatorin zu beleidigen und das können wir nicht akzeptieren», heisst es in dem Schreiben. «Besonders die sexistische Art und Weise vieler Meldungen haben uns schockiert.»
Die Redaktion überlege sich sogar, rechtlich gegen die vielen Beleidigungen und Drohungen vorzugehen. «Als Journalisten wollen wir zur Debatte beitragen und uns an der Schweizer Demokratie richten, ohne den Respekt voreinander zu verlieren.» Volet fordert von den Verfassern der Beleidigungen, diese selbst zu entfernen, bevor es zu einer Anzeige komme.
«Sie hat nur ihren Job gemacht»
Michel Jeanneret (47), Chefredaktor des französischsprachigen Pendant zu Blick.ch, welches im kommenden Jahr lanciert wird, schätzt das Interview wie folgt ein: «Jennifer Covo hat einfach nur ihren Job gemacht. Man ist es nicht mehr gewohnt, dass Journalisten ihre Arbeit machen. Ich glaube, das schockiert die Leute.» Die Fragen seien kritisch gewesen, aber nicht unhöflich. «Sie war pushy - aber so muss es sein. Sie hat genau die Fragen gestellt, die sich die Leute stellen. Sie war das Sprachrohr für die Bevölkerung.»
Er fügt hinzu: «Hinter dem Shitstorm auf den sozialen Medien steckt sicher auch die schäbige Form von Sexismus. Wäre es ein Mann gewesen und nicht eine Journalistin, wären die Reaktionen nicht mal 10 Prozent so heftig ausgefallen.»
Berset selbst habe Jeanneret nach einem Interview einmal erzählt, dass er es gut finde, wenn die Journalisten kritisch sind. «Ich bin mir sicher, Alain Berset ist der Letzte, der von diesem Interview schockiert war.» (klm/paf)