Heute Abend beginnt in Grenchen SO die diesjährige «Donnschtig-Jass»-Reihe (SRF 1, 20.05 Uhr). Fester Bestandteil des SRF-Quotenhits ist nebst dem Kartenspiel, den Musik-Acts und den Prominenten-Challenges auch das Velofahren. Mit einem Rennrad legte Moderator Rainer Maria Salzgeber (52) 2019 erstmals die Strecken zwischen den sieben Austragungsorten zurück. Nach zwei stationären Pandemie-Ausgaben ist er nun wieder unterwegs. Je nach Siegergemeinde kommen so happige, mehrere Hundert Kilometer lange Passtouren zusammen. «Meine Frau ist daran schuld. Es war ihre Idee, zu hundert Prozent. Und ich war so naiv, sie unserer Redaktion vorzuschlagen», erzählt er lachend.
«Ich hätte nie gedacht, dass mir Velofahren einmal derart Spass machen und ich auch nur einen grossen Berg schaffen würde. Heute fahre ich drei Pässe am Stück. Nur vom Runterfahren habe ich riesigen Respekt, da bin ich immer der Langsamste.»
Seine euphorischen Schilderungen wecken meine journalistische und sportliche Neugier. Was hat «Salzi» wirklich drauf, frage ich mich. Und begleite ihn drei Tage vor dem Sendestart auf einer letzten Trainingsfahrt im Zürcher Unterland, wo der Walliser schon länger zu Hause ist. Meine Ausdauerfähigkeit ist nicht übel, einen Halbmarathon laufe ich bei perfekten Bedingungen in einer Stunde und gut 20 Minuten. Doch damit ist Rennvelofahren kaum zu vergleichen, wie ich bald merke.
«Geht nicht gibts nicht»
Salzgeber empfängt Blick beim Restaurant Linde in Nürensdorf ZH, profimässig ausstaffiert, auf dem Rücken des mit Spielkarten verzierten Trikots prangt der Schriftzug «Salzi on tour». Schade, ist das Lokal geschlossen, sonst hätte ich das Interview vom Velo noch kurzerhand in den Garten verlegt und ein Bier bestellt.
Doch Salzgeber wirkt angriffslustig und will gleich loslegen. «Ich habe von Grund auf einen starken Kopf und gebe nie auf. Ich versuche mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln das zu erreichen, was ich will, im Job wie im Sport, natürlich im positiven Sinn. Geht nicht gibts nicht, heisst meine Devise.» 2017 bestieg er ohne Erfahrung das Matterhorn, 2018 absolvierte er den bekannten Skitourenwettkampf Patrouille des Glaciers. «Scheinbar Unerreichbares weckt meinen Ehrgeiz.»
Genuss steht an erster Stelle
Aber auch wenn Salzgeber bereits in der ersten Steigung kräftig in die Pedale tritt, ist er eines nicht: krampfhaft verbissen. «Ich ziehe am liebsten allein los und aktiviere meinen Standort auf dem iPhone, damit meine Familie weiss, wo ich bin. So kann ich mein Tempo fahren und den Kopf lüften. Es geht mir nicht um Leistung und Performance, sondern um Genuss. Und seit ich so eingestellt bin, ist auch die Leistung besser. Ein spannender Effekt.»
Doch ohne Grundkondition geht es natürlich nicht. Früher spielte Salzgeber wettkampfmässig Fussball, ein schlecht ausgeheilter Knorpelschaden brachte ihn schliesslich auf die Suche nach Alternativen. «Wirklich gehen liess ich mich nie.» Im Flachen ist Salzi stark und droht mich immer wieder abzuhängen. Geht es in den Berg, bin ich dann hauchdünn im Vorteil. «Du hast eine rechte Kadenz drauf», lobt er den Schreiber.
Mein Bergidol hiess Lucien Van Impe (75), seines war Bernard Hinault (67). Während wir keuchen und schwitzen, schwärmt er von den epischen Tour-de-France-Duellen zwischen Lance Armstrong (50) und Jan Ullrich (48). Und wir sprechen auch über Corona. «Diesen Frühling hat es mich zum zweiten Mal erwischt, und ich konnte zwei Monate nicht trainieren, weil der Puls ohne jede Anstrengung stieg. Diese Lücke spüre ich jetzt.»
«Die Magie des Moments ist nicht duplizierbar»
Ebenso ein Thema sind das Jassen und die Parallelen zum Velofahren. «Beides sind typische Schweizer Dinge. Die Kondition beim Jassen ist eine andere. Aber eine Strategie musst du hier wie dort haben. Nicht ins Verderben strampeln, nicht ins Verderben spielen. Und nicht alle Karten sofort aufdecken, sondern mit Taktik vorgehen. Beide Tätigkeiten kennen zudem kaum eine Altersgrenze und keine fixen Levels.»
Auf die kommenden sieben Live-Shows freut er sich ungemein. «Der ‹Donnschtig-Jass› ist eines jener Formate, wie ich sie mir wünsche: Zu den Leuten hingehen und ihre Stimmung erspüren. Bei aller Digitalisierung und allem Tiktok sind solche Sendungen wichtig. Emotionen kannst du nicht digitalisieren, höchstens transportieren. Bei uns entsteht im besten Fall eine Magie des Moments, die nicht duplizierbar ist. Ähnlich wie beim Live-Sport. Wenn du dabei sein willst, wenns passiert, kannst du das nur, wenn es gerade stattfindet. Live-Ereignisse haben eine einzigartige Intensität.»
Salzgeber hat es drauf
Überrascht war Salzgeber zuerst von der Reichweite des Formats. «Das habe ich unterschätzt. Klar bin ich mittlerweile dank meinen Sportmoderationen von der Cervelat- zur Salami-Prominenz aufgestiegen. Aber die Breitenwirkung durch den ‹Donnschtig-Jass› ist noch einmal ganz anders – dank den Zuschauern vor Ort und den guten Einschaltquoten.»
Auf den letzten flachen Kilometern zurück Richtung Nürensdorf plagen mich dann Anfängerprobleme, die Hände sind taub vom Schalten und Bremsen, und das Gesäss beginnt zu schmerzen. Salzgeber distanziert mich ohne Mühe. Unsere finale Erkenntnis: Er hat tatsächlich etwas drauf. Nicht nur auf der «Donnschtig-Jass»-Bühne.
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