Prominente zum Tod des grossen Schriftstellers Peter Bichsel
«Peter hatte das Herz am rechten Fleck»

Peter Bichsel reduzierte seine Worte so gezielt, dass er mit ihnen eine tiefgehende Wirkung erzielte. Seine Themen waren der Schweizer Alltag, Politik, Weine und Wandern. Schriftstellerinnen, Autoren und eine Politikerin erinnern sich an den grossen Literaten.
Publiziert: 17.03.2025 um 20:25 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2025 um 22:40 Uhr
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Peter Bichsel und Franziska Roth verstanden sich sehr gut. Dieses Foto stammt vom Solidaritätsfest auf dem Balmberg 2018.
Foto: zVg

Der grosse Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel (†89) ist tot. Am Samstag schloss der Meister des Kleinen für immer die Augen. Neun Tage vor seinem 90. Geburtstag. Prominente Wegbegleitende würdigen den streitbaren Zeitgenossen, Weinliebhaber und Essayisten.

Franz Hohler (82), Schriftsteller und Kabarettist


«Peter Bichsel und mich verband die Herkunft aus Olten, wo wir denselben Primarlehrer hatten, aber auch der Humor und die Freude an der kurzen Form. Eine der kürzesten Erzählformen gefiel ihm ebenso sehr wie mir, nämlich der Witz. Der Witz geniesst ja kein hohes Ansehen, aber jeder Witz ist eine kleine Geschichte, die eine unerwartete Wendung nimmt. Es kam vor, dass ich auf der Rückfahrt von einem Auftritt in der Westschweiz mit dem Auto in Bellach vorbeifuhr und schaute, ob in seiner Wohnung noch Licht war, und dann sassen wir zu später Stunde mit seiner Frau Theres zusammen, die auch gern lachte, und erzählten uns Witze. Wir hatten sogar einmal den Plan, in einem Kleintheater einen Abend mit dem Titel zu machen ‹Peter Bichsel und Franz Hohler erzählen Witze›. Dazu kam es aber nicht, und es wird leider auch nicht mehr dazu kommen.»

Franziska Roth (58), SP-Ständerätin

Franziska Roth war in den letzten Jahren eine wichtige Weggefährtin von Peter Bichsel, seine «Leibsozialistin», die er auch im Wahlkampf unterstützte. «Peter hatte das Herz am rechten Fleck und einen gesunden Verstand. Wir konnten stundenlang über sozialdemokratische Politik diskutieren, das war unterhaltsam und wertvoll», erinnert sie sich. Die beiden haben sich regelmässig getroffen, öfters bei einem Glas Wein im Restaurant Vini in Solothurn. Er habe ihre Arbeit ehrlich begleitet, ihr den Rücken gestärkt oder auch Kritik geübt. «Als ich gewählt wurde, gab er mir einen Satz mit auf den Weg: ‹Du bist nicht gewählt, um es mit denen in Bern gut zu haben, sondern es in Bern gut zu machen!›» Ein Rat, der ihr helfe, wenn sie auch mal gegen die Parteilinie eine Meinung vertrete – wie etwa in der Sicherheitspolitik. Zeitlebens war Peter Bichsel ein engagierter Sozialdemokrat. Eine enge Freundschaft verband ihn auch mit dem legendären SP-Bundesrat Willi Ritschard (1918–1983), der ihn zu seinem persönlichen Mitarbeiter machte und für den er viele Reden schrieb. Ein spannendes Duo, das sonntags oft gemeinsam im Jura wanderte und dabei die Schweiz von morgen diskutierte. Peter Bichsel begleitet die SP aber auch kritisch. 1995 stieg die Solothurner Kantonalpartei mit dem Slogan «Kussecht und vogelfrei» in die eidgenössischen Wahlen. Mit diesem «deplatzierten, grauenhaften Spruch» gebe man andere quasi zum Abschuss frei, schimpfte er. Bichsel ärgerte sich derart über diesen «postmodernen Sauglattismus», dass er aus der SP austrat. Allerdings versöhnte er sich später mit der Partei und trat 1998 wieder ein.

Sibylle Berg (62), Schriftstellerin

«Leider bin ich Peter Bichsel nur einmal begegnet. Er war lieb», erinnert sich die deutsche Star-Autorin und Wahlzürcherin Sibylle Berg an den Schweizer Schriftsteller. Die Bestsellerautorin gedenkt Peter Bichsel mit folgenden Zeilen: «Es ist so eine furchtbare Kränkung, dieses Streben, das uns immer begleitet. Und jeder Gestorbene hinterlässt einen Riss in der Welt, die wir uns schaffen, durch die es ein wenig kälter wird, bei uns Lebenden. Ich bin mit in meinen Gedanken mit allen, die traurig sind.»

Pedro Lenz (60), Autor und Bühnenperformer

Der schnelle Abschied: «Einmal im Ausland, ich sage nicht wo, waren Peter Bichsel und ich im gleichen Hotel untergebracht. Nach den Lesungen sassen wir mit den Literaturverantwortlichen jener Stadt zusammen. Das Gespräch verlief schleppend und sehr ernst. Bichsel war es sichtlich unangenehm, mit Leuten, die ihn bewunderten, über sein Schreiben zu reden. Nach einer Weile sagte er, wir seien müde und würden gerne ins Hotel zurück. Die Gastgeber liessen uns ein Taxi kommen. Auf dem Weg ins Hotel fragte ich ihn, wieso er in der «Wir-Form» geredet hätte, ich sei nämlich gar nicht müde und habe nicht die Absicht, so früh ins Bett zu gehen. Bichsel lächelte wissend und erklärte, er habe sich erkundigt, die Hotelbar schliesse erst um drei. Er habe nur diese Langweiler loswerden wollen. Was wir an der Hotelbar geredet haben, weiss ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch, dass es ein heiterer Abend wurde. Und noch während ich diese Erinnerung aufschreibe, merke ich, wie mir Peter Bichsel zu fehlen beginnt.»

Silvia Binggeli, Chefredaktorin Schweizer Illustrierte

«Peter Bichsel war einzigartig! Der langjährige Schweizer-Illustrierte-Kolumnist war ein ebenso einfacher Zeitgenosse wie ein wortgewaltiger Poet. Vor allem beherrschte Peter Bichsel eine seltene, grosse Kunst: die Kunst des geduldigen Beobachtens. Im Zug, in der Beiz, Bichsel war draussen bei den Leuten und nahm sich Zeit zu verstehen. Kritisch, aber immer auch liebevoll brachte er auf den Punkt, was Land und Leute bewegt, woran die Schweiz krankt, was sie bewegen sollte. Bichsel war der grosse Schriftsteller der kleinen Leute. Seine mahnende, aber auch aufmunternde Stimme wird fehlen. Mein persönliches Erlebnis: Ein mutiger Chefredaktor, Peter Rothenbühler, schickte mich, die Journalistenschülerin, vor Jahren zu Bichsel nach Solothurn. Nach einem wunderbaren Nachmittag mit grossartigen Geschichten packte mich beim Abschied die Angst. Ich gestand Peter Bichsel: ‹Wie um Gottes willen soll ich die Begegnung mit dem grossen Schriftsteller in die richtigen Worte packen?› Er beruhigte mich mit einem Lächeln: ‹Keine Sorge. Machen Sie es einfach so: Schreiben Sie nicht, wie's war. Schreiben Sie, wie es gewesen sein könnte.›»

Blanca Imboden (62), Buchautorin

«Er war ein eindrücklicher Mensch. Leider habe ich Peter Bichsel nie persönlich kennengelernt. Mir hat zum Beispiel sein zwiespältiges Verhältnis zu Gott gefallen. Er erklärte, er wisse, dass es keinen Gott gebe, aber er brauche ihn. Ich denke da ähnlich. Und mir gefiel, dass er sich politisch oft zwischen den Stühlen fühlte. Ihm war das Erzählen von Geschichten wichtig, wichtiger als der grosse Inhalt. ‹Weil die Menschen Geschichten brauchen, um überleben zu können.› Jetzt ist ein charismatischer Erzähler von uns gegangen.»


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