Patrick Frey liefert Bedienungsanleitung für Art Basel
«Farbe muss man sehen und spüren»

Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey liefert uns eine Bedienungsanleitung zur Art Basel und verrät unter anderem, welche Künstlerinnen und Künstler man dieses Jahr auf keinen Fall verpassen darf.
Publiziert: 19.09.2021 um 16:15 Uhr
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Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey erklärt, welche Werke man an der Art Basel dieses Jahr unbedingt sehen muss, welche Trends dominieren und worauf man beim Kunstkauf achten sollte.
Foto: THOMAS LUETHI / HEG
Patricia Broder

Kunst wieder hautnah: Nächste Woche findet zum 50. Mal die Art Basel statt, die wichtigste und grösste Kunstmesse der Welt. Nachdem der Traditionsanlass letztes Jahr coronabedingt ausgefallen war, musste er dieses Jahr von Juni in den September verschoben werden. In einer um 20 Prozent abgespeckten Version laden 273 Galerien aus 33 Ländern vom 20. bis 26. September dazu ein, ihre Werke zu betrachten und zu kaufen. Satiriker und Kunstexperte Patrick Frey (72), der mit seinem Verlag Edition Patrick Frey mittlerweile fast 300 Kunstbücher publiziert hat, erklärt SonntagsBlick, welche Werke man an der Art unbedingt sehen muss, welche Trends dominieren und worauf man beim Kunstkauf achten sollte.

Warum die Art Basel besuchen?
Die Art Basel findet auch online statt. Trotzdem sollte man unbedingt zur Kunstmesse fahren, findet Patrick Frey: «Die Kunst ist zur Hauptsache physisch – auch als Bild. Das ist Farbe auf der Leinwand, die man sehen und spüren muss.» Online sei es unmöglich, das zu erfahren. «Alleine für dieses Erlebnis lohnt es sich, an die Art zu gehen.» Sie sei zudem die grösste museale Ausstellung der Welt, die von neuer Kunst bis hin zu alten Klassikern alles biete. «Da hängen zum Teil Werke, die drei Millionen Franken kosten, die man sich von ganz nah anschauen kann – das ist phänomenal», schwärmt Frey. «Wie dieses Jahr Pablo Picassos Werk ‹Femme dans un fauteuil› aus dem Jahr 1949.»

Wie soll man als Laie Kunst betrachten?
Am besten betrachtet man Kunst «unbefangen und mit weit offenen Augen», rät Patrick Frey. «Jeder hat einen Bezug zur Kunst. Jeder findet etwas, was ihm gefällt und seinen Horizont erweitert.» Man dürfe sich als Besucher auf keinen Fall von den hohen Preisen, Spekulationen oder den Hype um einen Künstler an der Messe abschrecken lassen. Natürlich helfe es, sich etwas Wissen zur Kunst anzueignen. «Das kann man sich bequem selber im Internet beschaffen, das ist meist verständlicher als die Handouts der Galerien.»

Wer sind die spannendsten Künstlerinnen und Künstler?
Der grosse Trend an der Art Basel ist dieses Jahr laut Patrick Frey Diversity. «Die Bedeutung von weiblichen und schwarzen Künstlern, aber auch aus der LGBTQ-Community gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sehr spannend ist zum Beispiel der in Britisch-Guayana geborene fast 90-jährige schwarze Maler Frank Bowling, der vor kurzem wiederentdeckt wurde. Er malt wunderschöne, abstrahierte Landkarten.» Ebenfalls eine Wiederentdeckung ist die Basler Malerin Vivian Suter (72). «Sie nimmt für ihre Kunst die Hilfe der Natur in Anspruch und verarbeitet Blätter und Spuren der Witterung in ihren Werken – atemberaubend.» Ein Highlight sind auch die japanisch-südamerikanische Künstlerin und Transfrau Puppies Puppies (32) mit ihren raffinierten Objekten und die Chilenin Amanda del Valle (26). «Amanda hat in Zürich studiert und arbeitet mit Verfremdungen von japanischen Animes. Sehr aufregend.»

Wie kann man die Art Basel digital erleben?
Für alle, die nicht nach Basel reisen können, bietet die Messe unter anderem die digitale Plattform «Art Basel Live» mit Online-Viewing-Räumen, virtuellen Live-VIP-Begehungen der Ausstellungsfläche und einer Art von virtueller Unterstützung vor Ort. Das sei zeitgemäss, aber auch problematisch, sagt Frey: «Es gibt Kunstwerke, die verlieren online ihre Wirkung, wie ganz fein strukturierte Werke oder gross angelegte Installationen.» Zudem funktioniere der Onlinekunsthandel im mittleren und oberen Bereich nur mit sehr bekannten Künstlern. «Neue Kunst muss man zuerst live erleben. Sonst folgt die grosse Enttäuschung, wenn man das Werk zum ersten Mal live sieht.»

Welche Kunst soll man kaufen?
Für den Kunstkauf hat Patrick Frey einen Tipp: «Kauft möglichst billig und jung», sagt er und lacht. «Das klingt provokativ, aber stimmt. Natürlich muss einen das Werk auch berühren, treffen, interessieren. Aber billig und jung ist gut, weil man sich auf diese Weise tolle Sachen leisten kann – und eventuell steigt auch noch der Wert.» Wertsteigerung sollte aber nie der Kaufanreiz sein. «Die Chance, auf die Nase zu fallen, ist zu gross. Niemand weiss, welcher Künstler wirklich durch die Decke geht. Und Galeristinnen sind auch nicht dumm: Wenn etwas abhebt, ist man als Käufer meist schon zu spät.»

Wie beeinflusst Corona die Zukunft der Kunst?
Nach fast zweieinhalb Jahren kann die Art Basel dieses Jahr wieder stattfinden – um zwanzig Prozent geschrumpft. Es werden weniger Galerien aus den USA und Grossbritannien vertreten sein. Trotzdem sieht Patrick Frey die Kunstszene oder die Art Basel nicht gefährdet. «Die Community hält zusammen, und der Kunstmarkt boomt mehr denn je. Kunst ist nicht inflationsabhängig», so der Experte. «Es wird immer aufwendigere Kunstwerke geben, und immer teurere Museen und Megagalerien. Das hat zur Folge, dass die Schere zwischen der teuren Kunst und dem Rest immer weiter aufgehen wird. Denn die Reichen sind in der Krise noch reicher geworden und haben nun Geld, um es für die Kunst auszugeben.»

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