Ein Tausendsassa in der Zwangspause: Für den Zürcher Schauspieler, Kabarettisten, Autor und Verleger Patrick Frey (72) stellt die Corona-Krise nicht nur aus beruflicher, sondern auch aus persönlicher Sicht eine enorme Herausforderung dar. Im Interview erklärt er, wie ihm der Arbeitsstopp ans Eingemachte geht – und warum er trotz allem die Hoffnung nicht verliert.
SonntagsBlick: Patrick Frey, Sie haben im Vorgespräch erwähnt, dass Sie im zweiten Lockdown manchmal gute Stunden und dann wieder schlechte haben. Wie geht es Ihnen?
Patrick Frey: Nicht besonders gut (lächelt). Wie jedes Jahr um meinen Geburtstag herum, den 20. Januar, habe ich saisonale Depressionszustände. Das war schon immer meine schwierigste Zeit. Hinzu kommt heuer, dass ich mich nicht wie sonst auf die Bühne retten kann. Ich habe viel Zeit und keine Termine. So viel Zeit, mit der ich aber zurzeit nicht wirklich etwas anzufangen weiss.
Und doch wirken Sie aufgestellt und zuversichtlich. Ein Lieblingszitat von Ihnen lautet: «Ich bin viel zu depressiv, ich kann mir keinen Pessimismus leisten.» Ist das so?
Ja, das stimmt. Man muss optimistisch bleiben. Ich bin privilegiert. Mein Buchverlag läuft gut. Wir hatten 2020 sogar ein besseres Jahr als 2019. Eigentlich habe ich nichts zu beklagen.
Sie erlebten bereits in jungen Jahren einen herben Schicksalsschlag: Ihr Vater nahm sich das Leben. Rüstet einen eine solche Erfahrung für schwierige Zeiten wie eine Pandemie?
Schön wärs, aber ich glaube nicht. Traumata sind da, und man muss sie immer wieder neu verarbeiten. Jede Krise ist einzigartig. So erlebe ich das auch in der Corona-Krise. Der zweite Lockdown ist zäher als der erste. Da müssen wir jetzt alle durch.
Was hilft Ihnen durchzuhalten?
Ich führe mir immer wieder vor Augen, dass alle Pandemien in der Geschichte nach spätestens zwei Jahren vorbei waren. Auch Corona wird irgendwann vorbei sein. Dieser Gedanke hilft mir enorm. Übrigens hat die Depression eine ganz ähnliche Kurve wie eine Pandemie. Auf jedes Tief folgt ein Hoch. Wir müssen also zuversichtlich bleiben und den Blick offen halten. Dann sehen wir auch in der Krise Wunderbares. Diese Zeit der Ruhe kann für jeden eine grosse Chance sein, sich neu zu finden. Wobei ich persönlich noch am Suchen bin. Aber das Suchen ist auch schon ein Gewinn.
Wie sieht dieser Gewinn aus?
Ich höre momentan viele Hörbücher und Podcasts oder mache Videotelefonie mit meiner Schwiegermutter. Dafür hatte ich vor Corona nie Zeit. Ich stand ständig auf der Bühne, habe ununterbrochen gesendet. Jetzt entspanne ich mich und höre für einmal anderen zu. Das Schöne ist ja: Trotz des Lockdowns sind die Möglichkeiten des Zuhörens dank unserer Technologien grenzenlos. Ich kann bei einem Spaziergang am Fluss über meine Kopfhörer meiner Lieblingsschauspielerin Claire Danes aus «Homeland» zuhören, wie sie mir «The Handmaid’s Tale» vorliest. Das ist doch grossartig.
Sie sind Satiriker und Komiker. Wie gehen Sie damit um, momentan keine Arbeit zu haben?
Das ist sehr schwierig für mich. Ich bin zwar von meinem Job nicht finanziell abhängig, dennoch möchte ich gerne arbeiten. Aber genau das ist zurzeit nicht möglich. Alle Vorstellungen unseres Stücks «Der letzte Piepser» wurden auf frühestens kommenden Juni verschoben. Diese Ungewissheit und das ständige Verschieben sind das Schlimmste für einen Künstler. Dadurch verliert man den Kontakt zu seinem eigenen Werk. Fast ein wenig erschreckend, wie stark die Arbeit das Leben definiert.
Viele beklagen auch den kollektiven Kulturverzicht. Einige forderten, dass man wenigstens wieder die Museen öffnet. Wie stehen Sie dazu?
Unbedingt, ich finde diesen Vorschlag sehr gut. Auch weil sich sehr viel weniger Leute für Kunst interessieren als fürs Skifahren (lacht). In Museen hat man also viel Platz, es gibt eine gute Durchlüftung, und es ist ein Treffen auf Distanz möglich, umgeben von Kunst im Rahmen der Kunst. Das stell ich mir sehr inspirierend vor. Der Mensch braucht Kultur, gerade in diesen unsicheren Zeiten.
Wie wichtig ist Humor in einer Krise?
Humor ist existenziell. Meine erste Nachricht auf Twitter zu Marco Rima und Rob Spence anlässlich ihrer Teilnahme an einer Anti-Corona-Demo war ja auch witzig gemeint. Nur haben die beiden das nicht verstanden. Kluger Humor lockert alles auf, öffnet unseren Blick auf die Welt. Ich setze alles daran, meinen Humor nicht zu verlieren. Aber Achtung: Lachen ist zwar gesund, aber es macht nicht immun.
Sie sprachen es gerade an: Ihre Komikerkollegen Marco Rima und Rob Spence fanden es gar nicht lustig, dass Sie ihre Teilnahme an einer Anti-Corona-Demo kommentierten und sie im BLICK als «Macho-Komiker» betitelten.
Ja. Bei Leuten, die sich dafür entschieden haben, nur noch ideologisch oder verschwörerisch zu denken, ist das Erste, das flöten geht, leider der Humor.
Rob Spence hat Sie nach Erscheinen Ihres Interviews sogar bedroht – sich später dafür entschuldigt. Wie blicken Sie heute auf die Aufregung zur Macho-Komiker-Story zurück?
Ganz ehrlich: Für Corona-Skeptiker und Impfgegner habe ich nach wie vor keine Toleranz. Ich empöre mich noch immer über Leute, die einen solchen tendenziösen Stuss rauslassen. Insbesondere wenn es sich um hochrangige ETH-Professoren handelt, wie etwa Anton Gunzinger. Corona-Skeptiker machen mich wütend, und ich würde auch heute alles genau so kommentieren und beurteilen wie letzten Herbst. Es war vielleicht krass, dass ich Rob Spence auf Twitter als Demo-Teilnehmer denunziert habe. Aber ich finde, wenn man schon an einer Anti-Corona-Demonstration teilnimmt, dann soll man auch dazu stehen.
Haben sich Rima oder Spence je wieder bei Ihnen gemeldet?
Nein, ich habe von beiden nie mehr etwas gehört. Aber das überrascht mich auch nicht. Ich finde es bedauerlich, dass es beim Thema Corona heute nur noch zwei Lager gibt: das der Vernünftigen und das der Unvernünftigen. Ich hoffe, zur Gruppe der Vernünftigen zu gehören.
Nach abgebrochenen Studien in Ökonomie und Kunstgeschichte arbeitete Patrick Frey (72) zwischen 1978 und 2000 zunächst als Kunstkritiker und Essayist für verschiedene Schweizer und internationale Printmedien. Ab 1983 bis 1998 wurde er als Mitglied des Kabaretts Götterspass an der Seite von Beat Schlatter einem breiten Publikum bekannt. 1986 gründete er den Verlag Edition Patrick Frey, der sich auf Bücher im Bereich Kunst und Architektur spezialisiert. Von 2001 bis 2003 war Frey als Produzent und Moderator der TV-Sendung «C'est la vie» tätig, bei der ihm Menschen von der Strasse aus ihrem Leben erzählten. Als Autor und Schauspieler schrieb er über 20 Bühnenstücke und wirkte unter anderem in folgenden Filmproduktionen mit: «Katzendiebe» (1996), «Mein Name ist Eugen» (2005) oder «Handyman» (2006). Frey lebt mit seiner Frau Laurence und vier teilweise erwachsenen Söhnen in Zürich.
Nach abgebrochenen Studien in Ökonomie und Kunstgeschichte arbeitete Patrick Frey (72) zwischen 1978 und 2000 zunächst als Kunstkritiker und Essayist für verschiedene Schweizer und internationale Printmedien. Ab 1983 bis 1998 wurde er als Mitglied des Kabaretts Götterspass an der Seite von Beat Schlatter einem breiten Publikum bekannt. 1986 gründete er den Verlag Edition Patrick Frey, der sich auf Bücher im Bereich Kunst und Architektur spezialisiert. Von 2001 bis 2003 war Frey als Produzent und Moderator der TV-Sendung «C'est la vie» tätig, bei der ihm Menschen von der Strasse aus ihrem Leben erzählten. Als Autor und Schauspieler schrieb er über 20 Bühnenstücke und wirkte unter anderem in folgenden Filmproduktionen mit: «Katzendiebe» (1996), «Mein Name ist Eugen» (2005) oder «Handyman» (2006). Frey lebt mit seiner Frau Laurence und vier teilweise erwachsenen Söhnen in Zürich.
Wie sehen Sie der Impfung entgegen?
Mit grosser Hoffnung, ich bin bereits angemeldet. Vor einer Impfung habe ich im Gegensatz zu einer Corona-Infektion keine Angst.
Wie haben sich Ihre persönlichen Beziehungen im letzten Jahr verändert?
Die Beziehung zu Mila, meiner Hündin, hat sich vertieft. Und ich verbringe mehr Zeit mit meiner Familie. Ich war und bin deshalb nie allein, was sehr schön ist. Aber zwei meiner Söhne sind ausgeflogen, die sehe ich wenig. Und langsam merke ich, dass ich viele Freundinnen und Freunde lange nicht mehr persönlich getroffen habe. Es fühlt sich an, als wäre ich schon sehr lange auf Reisen. Manchmal vergesse ich sogar, welcher Tag gerade ist. Ohne die Struktur des Alltags dehnt sich die Zeit entweder unendlich weit oder geht rasend schnell vorbei. Das ist manchmal befreiend und manchmal macht es auch Angst.
Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr?
Dass ich nach der Impfung wieder Menschen ohne Maske treffen kann, auch in grösseren Gruppen. Alles andere kommt dann sowieso. Ich hoffe, dass sich mein Bewusstsein aus dieser Lockdown-Trance wieder befreit und dass ich wieder fähig bin, viel zu arbeiten. Ich plane unter anderem mit Viktor Giacobbo und Katja Früh eine Show zum 20-Jahre-Jubiläum des Casinotheaters Winterthur. Zudem hoffe ich, dass sich 2021 die Gesellschaft endlich wieder anderen Themen als Corona zuwenden kann.