«Es fühlt sich an wie ein Heimkommen», sagt Cathy Marston (45) auf dem Sechseläutenplatz stehend, hinter ihr glänzt ihr zukünftiger Arbeitsort in der Abendsonne: das Zürcher Opernhaus. Die gebürtige Britin mit Schweizer Pass wird ab Herbst 2022 neue Zürcher Ballettchefin. Mit Beginn der Saison 2023/24 tritt Marston für zunächst zwei Spielzeiten an und übernimmt dadurch die Nachfolge von Christian Spuck (51), der ans Berliner Staatsballett wechselt. «In Zürich fing alles an», sagt Marston, die ihre Tanzausbildung in Cambridge und an der Royal Ballet School London machte. «In Zürich bekam ich als 18-Jährige von 1994 bis 1996 meinen ersten Vertrag als Tänzerin. Hier bin ich erwachsen geworden, als Mensch und als Künstlerin.»
Marston wurde ab Herbst 2023 für zwei Spielzeiten verpflichtet. Ihr Engagement soll mit dem Ausscheiden von Intendant Andreas Homoki (61) enden, der im Sommer 2025 das Zürcher Opernhaus auf eigenen Wunsch verlässt. Es ist erst das zweite Mal überhaupt, dass eine Frau an der Spitze des Balletts Zürich steht. «Es ist ein wichtiger Schritt», so Marston. «Als ich 18 Jahre alt war, sagte mein damaliger Choreografie-Lehrer zu mir: Cathy, deine Arbeit ist wichtig, denn es hat zu wenige weibliche Stimmen in diesem Beruf.» Es sei schön zu sehen, dass sich langsam, aber sicher etwas ändert. «Und ich bin froh, Teil dieses Wandels zu sein. Auch ich bin stets bemüht, Künstlerinnen zu fördern.»
Marston freut sich auf internationale Zusammenarbeit
Um die Zukunft des Tanzes macht sich Marston anders als der Zürcher Ex-Ballett-Chef Heinz Spoerli (80) (Blick berichtete) keine Sorgen. «Währen Corona haben wir gesehen, wie Tanzen Menschen auf der ganzen Welt verbindet. Über das Internet können wir zudem ein Publikum ausserhalb der Theater erreichen.» Sie freue sich während ihres zukünftigen Engagements auch darauf, mit vielen Kollegen aus dem Ausland zu arbeiten. «Ich komme nach Zürich – aber ich bin eine Künstlerin der Welt.»
Marston, die von 2007 bis 2013 Ballettdirektorin am Konzert Theater Bern war, lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in einem Haus in Bern. Für ihren zukünftigen Job wird sie sich eine kleine Wohnung in Zürich nehmen, aber auch regelmässig pendeln. «Das ist für mich kein Problem, ich liebe es, im Zug an meinen Stücken zu arbeiten», sagt die Choreografin, die ein grosser Literaturfan ist. Für ihre Inszenierungen lasse sie sich hauptsächlich von Büchern und Biografien inspirieren. «Mein Stil ist eher naturalistisch. Ich versuche, mit den Tänzern als Schauspieler zu arbeiten und ihre Emotionen von innen nach aussen zu tragen.» Ihre Ausbildung zum Life Coach hilft Marston dabei. «Ich verliere selten meine Geduld. Höchstens meine beiden Kinder bringen mich mal dazu, laut zu werden», sagt sie und lacht.
«Ich freue mich, das Publikum in Zürich wieder kennenzulernen»
Mit ihrer Verpflichtung als Zürcher Ballettchefin schliesst sich für Cathy Marston nicht nur ein beruflicher, sondern auch ein persönlicher Kreis. «Es ist wunderschön, wieder meine Freunde in Zürich zu treffen, die ich seit 20 Jahren hier habe. Und ich freue mich darauf, die Kompanie, die Mitarbeiter im Opernhaus und das Publikum in Zürich wieder kennenzulernen.»