«Am Rande der Schweiz aufzuwachsen, prägt einen»
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Sina über ihre Kindheit:«Am Rande der Schweiz aufzuwachsen, prägt einen»

Mundartstar Sina blickt auf 30 Jahre Karriere zurück
«Ich wollte nicht mit ESC-Stempel starten»

Drei Jahrzehnte schon steht Sina auf der Bühne. Die erfolgreiche Schweizer Sängerin spricht mit Blick über ihre Karriere, die Herausforderungen der modernen Musikwelt und ihre Pläne für die Zukunft.
Publiziert: 13:40 Uhr
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Aktualisiert: 14:24 Uhr
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Seit 30 Jahren erfolgreich auf der Bühne: Mundartstar Sina.
Foto: Kim Niederhauser

Darum gehts

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Ein milder Frühlingsabend in Zürich. Der Club Moods beim Schiffbau füllt sich langsam mit Gästen. An der farbig beleuchteten Bar sitzt Mundartstar Sina (58). Die Walliser Sängerin verbindet mit diesem Ort eine ganz spezielle Beziehung. «Das ist der Ort in Zürich, an dem ich mich mit meinem Publikum aus der Stadt und Umgebung treffe», sagt Sina. Der Jazzclub in Zürich-West ist der perfekte Ort für die Sängerin, um über ihre drei Jahrzehnte umspannende Karriere zu sinnieren. «Das Moods ist seit vielen Jahren Teil meiner Geschichte. Ein Ort, an dem sich Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbinden.»

Wenn die Künstlerin, die zu den erfolgreichsten Sängerinnen der Schweiz gehört, auf ihre Karriere zurückblickt, staunt sie selbst über die Zeitspanne. «30 Jahre – das klingt so riesig. Und doch ging die Zeit wie in einem Rausch vorbei», sagt Sina und lächelt. Sie empfinde vor allem Dankbarkeit, aber auch Erstaunen, dass sie in einem kleinen Markt wie der Schweiz ein so langes künstlerisches Leben führen darf. «Mein Publikum ist mit mir älter geworden, hat sich mit meinen Themen weiterentwickelt – das ist ein schönes Gefühl und bestärkt mich in dem, was ich tue.»

Von der Bank auf die Bühne

Der Weg von Ursula Bellwald, wie die Sängerin mit bürgerlichem Namen heisst, war kein vorgezeichneter. «Ich komme aus einem Umfeld, in dem Arbeit ein Mittel zum Überleben war», erklärt sie. «Pilotin, Sängerin, Schauspielerin – das waren damals keine realistischen Optionen.» Trotzdem hielt die gelernte Bankkauffrau an ihrem Traum fest. «Man hat mich teilweise auch belächelt, als ich sagte, ich werde Sängerin. Aber ich habe mich davon nicht beirren lassen. Ich habe mich auf der Bühne gesehen und fest daran geglaubt.» Nach Jahren, in denen sie Covers auf Englisch und Italienisch gesungen hatte, wechselte Sina zu Mundart und fand damit zu sich selbst: «Wallisertitsch war mein Befreiungsschlag. Das ist meine Identität. Da schlägt mein Herz.»

Sina, die mit ihrem Mann, Musiker Markus Kühne (71), am Hallwilersee im Kanton Aargau lebt, engagiert sich neben ihrer eigenen Karriere auch mit Herzblut für junge Musikerinnen. Eine junge Walliserin, die Sina besonders begeistert, ist Melina Nora. «Sie singt wie ich auf Wallisertitsch mit einer Selbstverständlichkeit und Tiefe, die mich sehr berührt. Sie ist mit mir auf Tour. Für ein paar Konzerte spielt sie aktuell in meinem Vorprogramm. Solchen Künstlerinnen eine Bühne bieten zu können, freut mich sehr.» Auch Frauenquoten bei Festivals befürwortet die Sängerin: «Solange sich der faire Anteil nicht von selbst regelt, braucht es das. Frauen machen über 50 Prozent der Bevölkerung aus, sind ebenso talentiert wie Männer und verdienen diesen Platz.»

«Streaming finanziert kaum noch Leben»

In den drei Jahrzehnten, in denen Sina bereits auf der Bühne steht, hat sich die Musiklandschaft massiv verändert. Früher ging es um Plattenverträge, heute um Reichweite auf Social-Media-Kanälen wie Youtube oder Tiktok. «Ich bin keine, die sich gegen Neues sträubt», sagt Sina. «Aber Streaming finanziert kaum noch Leben. Und Social Media ist eine Plattform, bei der sich die Geister scheiden. Entweder du bist ganz dabei oder gar nicht.» Auch Sina ist in den sozialen Medien aktiv. «Es gehört für mich einfach zum Business dazu.»

KI beobachtet die Sängerin mit gemischten Gefühlen. «Ich könnte in 30 Sekunden einen Songtext schreiben lassen, aber das macht für mich keinen Sinn. Denn es ist der Prozess des Schreibens, der mich erfüllt und ausmacht.» Angst macht Sina vor allem, dass mit künstlicher Intelligenz Stimmen gefälscht und Identitäten manipuliert werden können. «Stell dir vor, deine Stimme wird plötzlich für etwas genutzt, das deinen Überzeugungen widerspricht – das kann sehr unangenehm sein, aber auch ernsthafte berufliche Konsequenzen haben.»

ESC-Kreis schliesst sich

Einen Entscheid hat Sina in ihrer ganzen Karriere nie bereut: den Verzicht auf den Eurovision Song Contest vor über 30 Jahren. «Ich stand damals mit einem französischen Song für den ESC in der engeren Auswahl. Gleichzeitig bewarb ich mich auch mit einem eigenen Mundartlied bei einem Label.» Als es hart auf hart kam, entschied sich die Sängerin gegen den ESC. «Ich wollte nicht mit diesem ESC-Stempel starten. Und habe mich für ein langsames Wachsen entschieden, mit meinen eigenen Songs.» Im Jahr, in dem der renommierte Musikcontest in der Schweiz stattfindet, ist Sina dennoch mit dem ESC verbunden: mit einer Neuinterpretation eines Siegersongs aus jener Zeit: «So schliesst sich der Kreis auf schöne Weise.»

Was die Walliserin nach so langer Zeit im Business jung hält, sei ihre Neugier, verrät sie abschliessend. «Ich habe nie aufgehört, Neues zu suchen. Künstlerische Konstellationen, Projekte mit anderen.» Gerade war Sina mit dem Autoren-Duo Bänz Friedli (60) und Ralf Schlatter (54) auf Tour. Ein Projekt, das Literatur und Musik verbindet. «Ich will nicht träge und bequem werden. Das Musikbusiness ist dafür sowieso der ungeeignetste Ort», sagt sie und lacht. Sina arbeitet bereits an neuen musikalischen Projekten und denkt über ein neues Bühnenprogramm nach. «So kitschig es tönt: Musik war meine erste Liebe, und sie wird es immer bleiben.»

Sina ist zurzeit mit ihrem «Bescht of 30 Jahr»-Programm unterwegs. Am 16. Mai spielt sie im Moods in Zürich. 

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