Achtung, fertig, Festival! Heute Donnerstag startet mit dem Greenfield Festival in Interlaken das erste grosse Open Air des Jahres. Im letzten Jahr herrschte eine grosse Diskussion über die Frauenvertretung auf den Line-ups der Festivals. Musikerin Sophie Hunger (40) kritisierte, dass beim Moon & Stars in Locarno nur männliche Künstler angekündigt waren. «Neue Weltmeister in der Freakshow Diskriminierung», wetterte sie. Ein Blick auf die diesjährigen Ankündigungen zeigt: Getan hat sich nicht viel.
Auch in diesem Jahr befinden sich unter den 13 bisher angekündigten Acts am Moon & Stars in Locarno mit Stefanie Kloss (38) von der deutschen Band Silbermond und der britischen Sängerin Joss Stone (36) nur zwei Frauen auf dem bisherigen Programm. Und auch beim aktuell laufendem Greenfield Festival findet man unter den 41 Acts nur fünf Frauen.
Gutes Programm wichtiger als Frauenquote
«Wir würden sofort einen höheren Frauenanteil auf unserer Bühne begrüssen», sagt Thomas Dürr (56), Veranstalter des Greenfield Festivals. Viele der in der Rockbranche aktiven Musikerinnen seien dieses Jahr dabei oder in anderen Jahren vor Ort gewesen. «Frauen haben es aktuell bei uns einfacher, aufs Programm zu kommen», sagt er. Grundsätzlich sei es ihm aber wichtiger, ein gutes Programm zu haben, als eine Quote zu erreichen.
Dass Frauen auf Line-ups gerne mehr vorkämen, ist kein Geheimnis. «Wieso sind die Frauen heute noch immer untervertreten?», fragte Sina gemäss der «Urner Zeitung» bei einem Vortrag im Jahr 2021 am Andermatter Festival «The Bash». 15,6 Prozent der Musiker, Komponisten und Texter seien Frauen, 10 bis 15 Prozent der Acts bei Festivals weiblich. Und dies, obwohl der Anteil der Mädchen an Musikschulen 50 Prozent betrage.
Hitparade auch männerdominiert
Die Gründe dafür sind für Sina vielfältig: «Frauen werden im Musikbusiness oft belächelt. Sie müssen sich deutlich mehr beweisen und mehr Leistung zeigen als Männer», sagte sie. «Es braucht viel Ausdauer und Durchhaltevermögen.» Auch würden «Mädchen dazu erzogen, Platz zu machen.»
Auch ein Blick in die Hitparade zeigt: Die Musik, die Schweizer hören, ist männerdominiert. In der Top 10 der Jahreshitparade von 2022 sind drei Frauen. Bei den Alben sind unter den besten Zehn nur Adele (35) und Taylor Swift (33) als weibliche Vertretungen zu finden.
Frauenquote bringe nichts
Das sieht Christoph Bill (52), Gesamtleiter des Heitere Open Air, als Mitgrund für die Untervertretung der Frauen an Festivals. «Es gibt gefühlt viel weniger erfolgreiche Frauen im Musikbusiness», sagt er. «Am Ende brauchen Veranstaltungen Acts, die zugkräftig genug sind, unabhängig vom Geschlecht. Ein Festivalprogramm ist ein wohlüberlegtes Gesamtwerk, bei dem Faktoren wie Musikstil, Verfügbarkeit oder Gage viel entscheidender sind.»
Unter den 26 Acts, die in diesem Jahr am Aargauer Festival auftreten, sind vier Frauen zu finden. «Bei einigen hat es aber neben dem Frontmann auch noch eine oder mehrere Musikerinnen auf der Bühne», ergänzt Bill. Von einer Frauenquote hält er nichts: «Dann könnte man ja genauso gut auch eine Quote für Sprache, Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder für andere Merkmale fordern.»
Viele Frauen sind auch schon zu erfolgreich
In der Veranstaltungsbranche zeigt man sich bemüht. «Viele setzen alles daran, eine starke und gute Frauenvertretung zu programmieren», sagt Musikmanagerin Anita Spahni (37), die selbst fürs Zürich Open Air und für das Plattenlabel Musikvertrieb aktiv ist. Der Grund, wieso die Line-ups auf den Bühnen verbreitet männerdominiert sind, sieht sie im Angebot: «Es geht auch immer darum, welche Acts gerade unterwegs und auch in der Nähe sind. Es macht keinen Sinn, für die Frauenquote extra Künstlerinnen aus der USA einzufliegen.» Oft seien erfolgreiche Künstlerinnen wie Adele, Beyoncé (41), Lady Gaga (37) und Taylor Swift auch zu gross, um für ein Schweizer Festival infrage zu kommen.
Was es nun brauche? «Ein verstärktes Bewusstsein», sagt Spahni. «Wir sind auf einem guten Weg.»
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