«Man kann auch während des Kriegs eine Komödie spielen»
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Mike Müller:«Man kann auch während des Kriegs eine Komödie spielen»

Mike Müller im Interview
«Wir dürfen trotzdem Feste feiern»

Vom 3. bis 27. März tritt Mike Müller mit seinem langjährigen Bühnenpartner Viktor Giacobbo anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums im Casinotheater Winterthur in einer Komödie auf. Im Interview denkt Müller aber auch über die ernsthaften Seiten der letzten zwei Jahre nach.
Publiziert: 03.03.2022 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2022 um 06:57 Uhr
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Mike Müller (r.) und Viktor Giacobbo als Ehepaar Giebler in den Proben zu «Charity» im Casinotheater Winterthur. Das Stück läuft vom 3. bis 27. März 2022.
Foto: Raffael Soppelsa
Interview: Jean-Claude Galli

Mike Müller (58) verkörpert in «Charity – Wir geben alles!», dem Jubiläumsprogramm des Casinotheaters Winterthur, die Rolle des Herrn Giebler, dessen Gattin von Viktor Giacobbo (70) gespielt wird.

Blick: Lieber Mike Müller, erklären Sie uns doch bitte zuerst, wer dieser Herr Giebler überhaupt ist.
Mike Müller: Also, es tönt zwar saublöd, aber er ist der Mann von Frau Giebler, die ja schon in «Viktors Spätprogramm» existierte. Wir haben dann den Herrn Giebler gefunden. Wir überlegen uns immer: Was passt zu einer bestehenden Figur und hat noch ein bisschen Reibung, was funktioniert beim Improvisieren? Solche Figuren kann man nicht am Schreibtisch erfinden. Herr Giebler ist der etwas besonnenere Teil des Paares. Sie sind vermögend und müssen nicht mehr arbeiten. Herr Giebler ist eher der Freisinnige, Frau Giebler tendiert zur SVP. In einer Komödie ist es grundsätzlich so, dass keine der Figuren immer ganz sauber ist, gerade Herr Giebler nicht. Hinter der Fassade ist die Statik in einem heiklen Zustand.

Sie und Viktor Giacobbo sind im Stück verheiratet, «fast wie im wahren Leben», wie Stefan Büsser, der die Rolle des Moderators innehat, uns neulich sagte. Was verbindet Sie beide wirklich?
Irgendwie sind wir schon eine Art altes Ehepaar – sagen wir mal, mit sehr getrennten Schlafzimmern … Wir sind ein Couple, mit ein paar Stärken und ein paar Schwächen. Wir können im performativen Bereich und auch sonst recht schnell gemeinsam entscheiden, oft ohne uns anschauen zu müssen. Das ist gerade beim Improvisieren auf der Bühne praktisch. Wir wissen, was wir machen, weil wir halt schon oft zusammen aufgetreten sind. Das hat aber auch damit zu tun, dass man sich sehr mag. Man muss sich aufeinander verlassen können. Was nicht heisst, dass man immer nur nett ist, sondern sich manchmal auch in eine bestimmte Richtung stösst und provoziert, privat wie auf der Bühne.

Was ist das Erfolgsrezept des Casinotheaters?
Es ist und bleibt ein risikobehaftetes Experiment. Nur weil es nun 20 Jahre lang einigermassen funktioniert hat, bedeutet das nicht, dass wir wissen, wie es wirklich geht. Und die letzten 20 Monate haben uns noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, was es heisst, einen Betrieb mit Restauration, Events und einer Bühne zu haben, der 55 Vollzeitstellen vereint. Für eine Pandemie waren dies nicht wirklich die perfekten Branchen, auch wenn wir mit einem blauen Auge davongekommen sind. Ein Erfolgsrezept gibt es nicht. Und in einem Theater geht es nie darum, Geld zu verdienen, sondern möglichst kein Geld zu verlieren. Hilfreich ist, wenn ein Haus so vielseitig und lebendig ist wie das unsere, auch punkto Altersstruktur.

Wenn man in Ihren eigenen Spielplan schaut, sieht man, dass die Engagements schon kräftig angezogen haben ...
Wir sind tatsächlich fast wieder auf dem vorpandemischen Stand. Es gibt zum Teil immer noch Leute im Publikum, die Maske tragen, und es gibt kleinere Räume, wo ich möchte, dass Masken getragen werden. Doch eine gewisse Normalisierung ist da. Und ich behaupte, die meisten unserer Gäste sind geimpft. Das haben wir auch letzten Herbst mit dem Zertifikat festgestellt. Es war für unsere Branche sehr gut. Die Leute kamen auch, weil sie wussten: Es gibt eine gewisse medizinische Firewall, die Sinn macht. Und dementsprechend entspannt waren sie. Und jetzt freuen sie sich noch mehr aufs Kommen. Das merkt man auch in den Beizen, diese gewisse Befreiung. Der grosse Dämpfer ist jetzt halt einfach dieser Krieg ...

Sie sprechen es an: Darf man hier einen schönen Abend im Theater oder an der Fasnacht haben, während zwei Flugstunden entfernt Menschen sterben?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Auf der einen Seite denkt man: Jetzt sterben dort Leute für nichts. Und auch die Russen haben Verluste. Vom Circus Knie her bin ich mit Ukrainern und Russen befreundet. Ich kenne wirklich niemanden, der diesen Krieg gut findet. Nur hier gibt es ein paar solche Leute, in Zürich und im Ural, kann man sagen. Das ist mir komplett unerklärlich. Was nicht geht: einfach aus einer Pressekonferenz weglaufen wie unser Bundespräsident letzte Woche. Was die Schweiz machen kann, ist, diesen Machthabern und dieser Elite zu sagen: Wir sind nicht Teil eures Räderwerks, wir sind neutral und unterstützen euren Krieg nicht. Aber die Schweiz darf trotzdem Feste feiern. Man muss schauen, dass man das nicht vermischt. Die Ukraine-Krise zeigt immerhin, dass wir nicht ein ganz so ignorantes Land sind, wie immer behauptet wird. Das hat man ebenso in der Pandemie gesehen. Aber wenn die Leute nun nur noch zu Hause bleiben, wird dieser Krieg auch nicht gelöst. Wir müssen den Russen klarmachen: Wenn ihr mit uns Bankgeschäfte tätigen wollt, gelten gewisse Regeln, die auch für jeden Dealer gelten. In unserem Land gelten für alle Kriminellen die gleichen Regeln. Aber das ist eine Angelegenheit der Politik.

Welche veränderten Verhaltensweisen fallen Ihnen seit 2020 in der Öffentlichkeit am stärksten auf?
Am meisten Unterschiede gibt es bei der Begrüssung. Hände schütteln oder nicht? Ich bleibe bis auf weiteres noch bei der Faust. Ich finde, ein bisschen Distanz kann nicht schaden. Und von dieser Küsserei und Abschleckerei habe ich sowieso nie viel gehalten. Es gibt Leute, die sich zu stark parfümieren, und dann habe ich ihr «Schmöckiwasser» an meinen Kleidern. Und ich möchte auch keine Schminke an der Wange, ausser von einer einzigen Frau, und die schminkt sich nicht so stark. Lassen wir doch vorerst ein paar Dinge aus der Pandemie stehen.

Die Frist zur Einreichung der Steuererklärung naht. Konnten Sie den «Schaden» schon schätzen?
Nein, aber ich möchte hier nicht klönen, sondern betonen, dass der Kultur in der Schweiz mit einigen Ausnahmen wirklich geholfen wurde. Das sollten wir nicht vergessen. Ich jammere keine Sekunde und zahle auch für die letzten beiden Jahre klaglos Steuern. Meine Einschränkungen waren die gleichen, die alle trafen: Ich durfte eine Zeit lang nicht aus dem Haus und war mal in Quarantäne. Aber wenn man gesehen hat, wie es schon nur unseren Nachbarn in Frankreich oder Italien ergangen ist, denke ich, sind wir glimpflich davongekommen.

Zurück zum Start: In «Charity» geht es auch um die Frage, ob geben seliger macht als nehmen. Wo spenden Sie?
Ich spende, behalte aber gerne für mich, an wen genau. Öffentlich wird es, wenn ich zum Beispiel in der SRF-Show «1 zu 100» Geld gewinne und weitergebe. In solchen Fällen geht es meistens an Médecins sans frontières oder ans Rote Kreuz. Aber auch ich möchte gerne so spenden, wie die meisten Leute in der Schweiz, nämlich anonym. Deshalb schreibe ich immer meinen richtigen Namen hin: Michael Müller. Dann vermutet keiner, dass ich das bin. Und ich spende ja nicht mich, das ist die Krux beim Spenden. Und ich tue es auch nicht, um mich gut zu fühlen. Ich gebe höchstens etwas weg, was meine Erben nun nicht bekommen. Und ich hoffe, sie können das einigermassen verschmerzen oder tun zumindest so.

Der Bühnenphilosoph

Der gebürtige Grenchner Mike Müller (58) landete über ein Philosophie-Studium beim Schauspiel. Popularität erlangte er mit Parodien im SRF-Format «Viktors Spätprogramm». Mit Viktor Giacobbo (70) war Müller 2008 bis 2016 im TV-Wochenrückblick «Giacobbo/Müller» und 2019 auf der Knie-Jubiläumstournee zu sehen. Parallel holte er als Luc Conrad in der SRF-Serie «Der Bestatter» bis 2019 in sieben Staffeln Spitzenquoten. Aktuell ist Müller mit den beiden Komödien «Erbsache» und «Heute Gemeindeversammlung» in der Deutschschweiz unterwegs.

Der gebürtige Grenchner Mike Müller (58) landete über ein Philosophie-Studium beim Schauspiel. Popularität erlangte er mit Parodien im SRF-Format «Viktors Spätprogramm». Mit Viktor Giacobbo (70) war Müller 2008 bis 2016 im TV-Wochenrückblick «Giacobbo/Müller» und 2019 auf der Knie-Jubiläumstournee zu sehen. Parallel holte er als Luc Conrad in der SRF-Serie «Der Bestatter» bis 2019 in sieben Staffeln Spitzenquoten. Aktuell ist Müller mit den beiden Komödien «Erbsache» und «Heute Gemeindeversammlung» in der Deutschschweiz unterwegs.

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