Marc Sway im Interview zu seinem neuen Album «Roots»
«Ich bin überall daheim. Und nirgends»

Mit seinem achten Studioalbum «Roots» ergründet der Zürcher Sänger Marc Sway seine Vergangenheit. Es enthält ein Duett mit seiner älteren Tochter und mit Stefanie Heinzmann. Im Interview mit Blick spricht Sway über Grössenwahn, Naivität, den Tod und das grosse Glück.
Publiziert: 12:09 Uhr
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Marc Sway veröffentlicht am 21. Februar sein neues Album «Roots».
Foto: Kim Niederhauser

Auf einen Blick

  • Marc Sway veröffentlicht neues Album «Roots» und erforscht seine Herkunft
  • Sway sieht sich als Kosmopolit mit vielfältigen Wurzeln aus der Schweiz und Brasilien
  • Seine aktuelle Tour ist die kommerziell bisher erfolgreichste
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Am Freitag, 21. Februar, veröffentlicht Marc Sway (45) sein neues Studioalbum «Roots», mit dem er auf musikalischem Weg seine Herkunft erforscht. Blick hat ihn in der Café-Bar «The Studio» im Zürcher Seefeld zum Interview getroffen.

Blick: Unsere erste Frage wurde Ihnen sicher schon oft gestellt: Woher kommen Sie?
Marc Sway: Ja, und es gibt auch eine ganz kurze Antwort: Ich bin ein Schweiz-Brasilianer. Die zweite Antwort ist schon etwas länger: Ich bin ein Kosmopolit, und meine Sprache ist die Musik. Und die dritte ist jene Antwort, die ich bekommen habe, als ich meinen Wurzeln nachgegangen bin. Mein Schweizer Grossvater hat Ahnenforschung bis ins Jahr 1200 betrieben. Den Namen Bachofen gab es schon damals. Und ich wohne heute nur zwanzig Kilometer von dort entfernt, wo der Name herstammt. Dann gibt es meine brasilianische Seite. Meine Urgrosseltern sind aus Angola und von den Kapverden als Sklaven nach Südamerika gekommen und haben dort furchtbare Schicksale erlebt. Meine Grossmutter war eine gross gewachsene Portugiesin. Und ein anderer Teil von mir ist indigen, aus dem Amazonas-Gebiet. Ich kann mich unmöglich irgendwo genau zuordnen.

Fühlten Sie durch diese Frage auch schon bedrängt?
Ich habe sie in den meisten Fällen als Eisbrecher verstanden. In der Regel wollen die Menschen damit eine Verbindung herstellen. Und ganz selten stellt jemand die Frage, um auszugrenzen. Ich habe sie immer als positiv zu interpretieren versucht. Und wie will man mich bei meiner vielschichtigen Herkunft schon ausgrenzen? Ich bin überall daheim. Und nirgends.

Was verfolgen Sie mit Ihrer Kunst für Ziele?
Am liebsten möchte ich Musik für eine bunte Gartenparty machen. Ein Fest an einem schönen Sommerabend, mit glücklichen Menschen in wallenden Gewändern. «Roots» soll der Soundtrack zu dieser Party sein. Die Quintessenz meiner Wurzelsuche ist: Wir sind uns alle viel näher, als wir denken, und haben ähnliche Bedürfnisse. Essen, Trinken, Lachen, Tanzen. In meinen Konzerten bewegen sich die Leute, und es gibt eine gewisse Form von Gleichheit. Alter und Herkunft sind dort nicht entscheidend.

Das klingt sehr romantisch. Gibt es kein Aber?
Leider doch. Ich spüre, dass viele Menschen mehr Angst haben als auch schon. Nach der Pandemie hat sich das akzentuiert, finde ich. Corona hat etwas Entscheidendes verändert. Es gibt nun eine politische Strömung, die mehr zu spalten, als zu vereinen versucht. Um die Schweiz habe ich dabei weniger grosse Angst. Hier gibt es ein breit abgestütztes Netz, das linke wie rechte Ansichten trägt. Aber ich mache mir Sorgen um die Welt, von der auch wir ein Teil sind. Dass versucht wird, die Menschen grundsätzlich auseinanderzutreiben, durch Motoren wie Social Media. Mit meiner Kunst kann ich zwar nur wenig dagegen machen. Aber ich kann Momente schaffen, in denen sich Menschen verbunden fühlen.

Auf «Roots» gibt es auch traurige Momente. Ist das eine Altersfrage? Sie müssen sich nun ebenfalls vermehrt von lieb gewonnenen Menschen verabschieden.
Das Leben ist nicht manchmal gut und manchmal scheisse. Es ist immer gut und immer scheisse. Der Song «Why» zelebriert dieses Gefühl. Die glücklichsten Momente beinhalten stets auch einen Schuss Melancholie, weil du genau weisst, dass sie irgendwann vorbei sind. Das Leben ist deshalb so wertvoll, weil es endlich ist. Mit dem Album beleuchte ich diese beiden Pole. Und am schönsten finde ich es, wenn sie sich die Klinke in die Hand geben. Als hättest du ein süsses Caramel mit Fleur de sel als salzigem Kontrast. Ich versuche auch, die Momente, in denen ich traurig bin, anzunehmen. Dieses Album ist sicher eines meiner ehrlichsten und verletzlichsten. Gerade im Umgang mit dem Tod, den ich im Song «When the Lights Go Out» zum Thema mache. Was passiert, wenn die Lichter ausgehen.

Waren Sie früher sorgloser? Hält nun der viel zitierte Ernst des Lebens Einzug?
Ich machte mir auch mit 20 schon ernsthafte Gedanken. Aber mit 20 hast du diesen wunderbaren Mix aus Grössenwahn und Naivität in dir. Das ist die Killermischung, es gibt kaum etwas Schöneres. Doch es ist auch nicht schlimm, wenn sie verschwindet. Das passiert spätestens dann, wenn du selber Kinder hast. Wenn du jemanden so bedingungslos liebst, dass du ihn um keinen Preis verlieren möchtest. Zum ersten Mal bekommst du wieder richtig Angst. «Roots» thematisiert auch, Kindern Wurzeln und Flügel zu geben. Der ernste Teil des Lebens wird noch ernster. Es gibt mehr Verletzungen und Schicksalsschläge. Ich kann die Welt nicht ändern. Aber in meinem kleinen Gärtchen, in meiner Familie, kann ich sie besser machen. In meinen Konzerten tanzen die Leute nicht nur, sie weinen auch. «Du» von Nemo, das Cover, das ich in der TV-Show «Sing meinen Song» für meinen verstorbenen Bruder gesungen habe, ist auch Teil meines Konzertprogramms. Ich möchte keine Fake-Welt darstellen. Sondern sie in ihrer ganzen Schönheit und Melancholie abbilden.

«Severina» brachte den Durchbruch

Marc Sway kam 1979 in Männedorf ZH zur Welt. Die Liebe zur Musik wurde ihm von seinen Eltern vermittelt. In seiner Jugend sang Sway in einem Gospelchor. 2002 unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag, 2003 folgte sein Debütalbum «Marc's Way». 2007 und 2008 gelangen ihm mit «Hemmigslos liebe» und «Severina» zwei Mundarthits, die den endgültigen Durchbruch brachten. Einen weiteren Chart-Erfolg hatte er 2018 mit dem befreundeten Zürcher Rapper Bligg (48) mit «Us Mänsch». 2021 schlossen sich die beiden zum befristeten Projekt Blay zusammen und füllten 2022 das Zürcher Hallenstadion. 2024 nahm Sway an der fünften Staffel des TV-Formats «Sing meinen Song» teil.

Marc Sway kam 1979 in Männedorf ZH zur Welt. Die Liebe zur Musik wurde ihm von seinen Eltern vermittelt. In seiner Jugend sang Sway in einem Gospelchor. 2002 unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag, 2003 folgte sein Debütalbum «Marc's Way». 2007 und 2008 gelangen ihm mit «Hemmigslos liebe» und «Severina» zwei Mundarthits, die den endgültigen Durchbruch brachten. Einen weiteren Chart-Erfolg hatte er 2018 mit dem befreundeten Zürcher Rapper Bligg (48) mit «Us Mänsch». 2021 schlossen sich die beiden zum befristeten Projekt Blay zusammen und füllten 2022 das Zürcher Hallenstadion. 2024 nahm Sway an der fünften Staffel des TV-Formats «Sing meinen Song» teil.

Sie haben zwei Töchter, die neu auch eine Rolle bei Ihrer Arbeit spielen. Naomi Ayleen (16) singt mit Ihnen auf «Don't You». Und Nahla Sophia (13) tanzt auf der Tour. Sind Sie auf dem Weg zu einer Familienband?
Meine Eltern standen auch auf der Bühne, als ich klein war. Aber sie waren nicht so exponiert wie ich jetzt. Meine Mutter war Tanzlehrerin, mein Vater hatte eine Rockband. Bei mir war es etwas komplexer. Als meine Kinder zur Welt kamen, war ich schon bekannt. Deshalb versuchte ich, sie zuerst vor dieser Öffentlichkeit zu schützen. Und das machte ich sehr strikt und bewusst. Irgendwann kam aber der Moment, als ich merken musste, dass ich sie auch nicht zu stark behüten darf. Ich sagte ihnen: Wenn ihr eines Tages auch auf die Bühne wollt, seid ihr herzlich eingeladen. Dann passierte lange einmal gar nichts. Bis wir letztes Jahr zusammen im Auto sassen und eine Demoversion von «Don't You» lief, noch ohne Text. Und Naomi eine tolle zweite Stimme dazu sang. Das klang so toll, dass ich sie fragte: Könntest du dir vorstellen, den Song mit mir für das Album aufzunehmen? Und ich fiel aus allen Wolken, als sie sagte: Warum nicht? Das war der Türöffner. Ich habe jetzt folgende Abmachung mit meinen Töchtern: Wenn sie mit mir auftreten, bin ich nicht ihr Vater, sondern wir sind Partner auf Augenhöhe, wie alle Künstlerinnen und Künstler. Und abseits der Bühne ist das Verhältnis wie zuvor.

Die laufende Tour ist Ihre kommerziell bisher erfolgreichste. Warum?
Ich glaube, dass ich den Peak noch gar nicht erreicht habe. Ein bekannter Unternehmer sagte mir einmal: Punkto Karriere gibt es Sprinter oder Marathonläufer. Ich bin der klassische Marathonläufer, der auch Zeit zum Verarbeiten braucht. Ich war immer Teil der Musikszene, aber nie ganz alleine oben. Die Spitze birgt auch das Risiko, rascher zu verglühen. Ich bin ein Licht, das immer brennt. Und dazu passt auch, dass ich mit Stefanie Heinzmann nun den Titelsong des Albums realisieren konnte. Nach so vielen Jahren der Freundschaft gibt es jetzt endlich dieses Duett.

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