Vor der Neubesetzung des Sonntagabend-Comedy-Platzes hatte SRF ein Problem. Einerseits waren da die Comedy-Frauen, die energisch eine Plattform einforderten. Und im Leutschenbach-Keller lauerte immer noch die Polit-Satire-Tradition à la Franz Hohler (81), mit deren Weiterführung der Sender durch Michael Elseners (38) «Late Update» erst 2019 wieder Schiffbruch erlitten hatte.
Andererseits wusste SRF: Allzu progressiv und woke dürfte eine neue Show angesichts der Halbierungs-Initiative nicht ausfallen. Das Resultat war ein gutschweizerischer Kompromiss zulasten des Publikums (Lies dazu den Blick-Kommentar). Einerseits der Intellektuelle Gabriel Vetter (41) mit «Die Sendung des Monats» inklusive Quotenfrau. Und als Hauptattraktion «Late Night Switzerland» mit Stefan Büsser (39). Nach der ersten Staffel zieht Blick Bilanz.
So funktioniert die Bewertung.
😂 = ungenügend
😂😂 = na ja
😂😂😂 = genügend
😂😂😂😂 = ziemlich gut
😂😂😂😂😂 = hier sind sie spitze
Quote
SRF windet sich traditionell, wenn die Frage nach einer Quotenvorgabe kommt. Insgeheim geistern in den Köpfen immer noch die Werte von «Giacobbo/Müller» herum. Doch das ist linearer TV-Schnee von gestern. Hinter den Kulissen war einst die Wunsch-Zahl von 250'000 bis 300'000 zu hören. Diese erreichte Büsser bei der Premiere vom 11. Februar mit 268'000 noch. Dann ging es jedoch mehr und mehr runter. Folge 9 verzeichnete letzten Sonntag noch provisorische 141'000 Zuschauende, was einer glatten Halbierung entspricht. Der tiefste Wert, 120'000 in Folge 3, war ein erster heftiger Ausreisser gegen unten, der sich aber noch mit dem einmaligen Fehlen des vorab laufenden Quotenbringers «Tatort» und einer späteren Sendezeit erklären liess. Im Schnitt erreichte Büsser in den ersten neun Sendungen 199'000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Als einigermassen fairer Vergleichswert kann «Deville Late Night» dienen, das ab 2019 jeweils am Sonntagabend lief. Der dogmatische Ex-Punk und Kindergärtner Dominic Deville (49) hatte ein treues Stammpublikum und war recht konstant. 2019 erreichte er im Schnitt 225'000 Zuschauende, 2020 waren es 220'000, 2021 211'000, 2022 182'000 und 2023 194'000.
Quote: 😂😂
Host Stefan Büsser
Der Zürcher pflegt eine konsensfähige, neuzeitliche Form von Stammtisch-Kabarett. Langt überall etwas hin und zerschlägt doch kein echtes Geschirr. Als Einzelmaske auf einer Saalbühne funktioniert das gut. Als Gastgeber vor einem Hunderttausender-Publikum braucht es Justierung. Das weiss der ambitionierte und akribische Schaffer auch selber. Aber vielleicht fast zu gut, so dass sich seine Lockerheit unter dem selbstauferlegten Druck zeitweise verflüchtigte.
Host: 😂😂😂
Sidekick Michael Schweizer
Büsser und Michael Schweizer (44) mögen sich und hauen oft in die gleiche Kerbe. Das ist auch kein Problem. Die Frage ist nur, ob das Publikum etwas davon hat. Und ob Schweizer seine Funktion als «Sidekick» überhaupt erfüllt. Starke Doppel funktionieren und fesseln, wenn sie mit Gegensätzen und Dissonanzen kreativen Mehrwert schaffen. Hier aber bestärken sich zwei Freunde in ihren Ansichten. Das hätte SRF im Voraus merken dürfen. Stellen Sie sich vor, zu welcher Hochform Büsser auflaufen könnte, wenn er von einer angriffslustigen Frau herausgefordert würde...
Sidekick: 😂
Konzept/Ablauf
Wer den Sendungsablauf studiert, stösst erneut auf den hehren SRF-Grundsatz, bloss keine Pferde scheu zu machen. «Late Night Switzerland» ist vieles, innovativ sicher nicht. Anfangslacher, Pingpong zwischen Host und Sidekick, Wochenrückblick, Aussenrepo, Musik und Gäste, Abspann. Dieses bekannte und starre Korsett hemmt einen Gambler wie Büsser. Eigentlich hätte er die Wundertüten und Tischbomben im Sack oder wüsste, wo sie stehen. Nur hat er gar keine Möglichkeit, sie zu zünden. Formal hätte ihm SRF unbedingt mehr Spielraum geben müssen. So wurde nicht mal die Speiche eines Rades neu erfunden.
Konzept: 😂😂
Optik
Dass auch SRF mit KI experimentiert, ist spätestens seit der aktuell laufenden Serie «Mindblow» bekannt. Vielleicht hätte man den Computer für die Optik von «Late Night Switzerland» aber mit anderen Stichworten als den jetzt verwendeten füttern müssen. Das Design und die Farbpalette packen jedenfalls nicht. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Zuschauer bereits einen oft beschwerlichen «Tatort» hinter sich haben, wäre mehr Feuerwerk wünschenswert. Über die Möblierung – warum ein Tisch und ein Sofa? – lässt sich streiten. Dass Büsser aus einer Tasse trinkt, passt nicht zum Showanspruch. Das Zürcher Kaufleuten eignet sich als Kulisse hingegen sehr gut und sorgt für etwas Grossstadt-Glamour.
Optik: 😂😂😂
Aussenreportagen und Sketches
Die Satirikerin Martina Hügi (39) und der Comedian Milan Milanski sind für die Aussenreportagen besorgt, die oft treffsicher auf den absurden Kern von Veranstaltungen zielen. Und die Comedians Nadia Goedhart (29) und Sandro Galfetti (38) thematisieren in ihren Sketches das aktuelle Geschehen. Das gelingt meist erfrischend. Und ist eine Wohltat, weil es den starren Ablauf (siehe oben) etwas auflockert.
Aussenreportagen/Sketches: 😂😂😂😂
Auswahl der Gäste
Die Gäste sind das Salz in jeder Late-Night-Suppe. Dementsprechend braucht es genaue Überlegungen hinsichtlich einer Einladungs-Strategie. Dabei waren in Staffel 1: Albert Rösti (56), Wendy Holdener (30), Sandra Studer (55), Irina Beller (52), Helga Schneider (58), Claudio Zuccolini (53), Chris von Rohr (72), Tamara Funiciello (34) und Jonny Fischer (44). Das wirkt in Summe gesehen noch fast beliebiger als bei «Gredig direkt». Und auch wenn gegen Jonny Fischer und Claudio Zuccolini per se nichts einzuwenden ist, merkt halt auch der hinterletzte Zuschauer, dass hier die Werbetrommel für ein anderes SRF-Format geschlagen wird. Allerdings war es auch schwer, nach dem grandiosen Auftakt mit Bundesrat Rösti am Schlagzeug das Niveau zu halten. Es ist die ewige Krux: Bei der Premiere muss es krachen, doch gibt sie auch die Messlatte vor. Das Pulver gleich zu Beginn zu verschiessen, ist so verlockend wie gefährlich.
Gäste: 😂
Musik
Ähnlich wichtig sind die musikalischen Einlagen. Der Vorteil: Büsser kennt sich aus und hat meist auch einen persönlichen Bezug. Unerreicht, ja gar bahnbrechend war es, den Aargauer Soulstar Jan «Seven» Dettwyler (45) in Episode 2 ein Lied bestehend aus den negativen Online-Kommentaren zur ersten Sendung singen zu lassen. Auf «Play SRF» lässt sich dieses selbstironische Glanzstück ab Minute 10 nachschauen. Und zum Glück hat der beim «Donnschtig-Jass» gestählte Büsser auch keine ideologischen und stilistischen Scheuklappen, wie er in Folge 8 mit der Stubete Gäng bewies. Ein grundsätzlicher Lichtblick ist die Live-Showband The Beatz mit Sängerin Jizelle (35) und Drummer Massimo Buonanno (39), der auch die Band im «3+»-Format «Sing meinen Song» mit Bravour führt.
Musik: 😂😂😂😂😂
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