Frau Nikic, mit Ihnen stimmt etwas nicht – hat Ihnen das schon mal jemand gesagt?
Ja, häufig in jüngeren Jahren, denn ich war ein auffälliges Kind – ich vergass einen Finken oder war gedankenverloren. Andererseits heischte ich um Aufmerksamkeit – vielseitig interessiert und nie lang zufrieden mit dem Gleichen.
Erachten es die Zuhörenden manchmal als unstimmig, dass Sie mit 23 ein altmodisches Berndeutsch reden und dazu noch Nikic heissen?
Es gab schon Situationen, da war ich bei Kolleginnen zum Abendessen eingeladen und deren Eltern «höckelten» dabei. Und wenn ich im Gespräch Dialektwörter wie «handkehrum» oder «Gumsle» verwendete, lachten alle. Wenn man nicht weiss, dass ich hier aufgewachsen bin, ist es irritierend.
Wie sprechen Sie mit Ihren Eltern?
Mit Ihnen spreche ich hochdeutsch und serbokroatisch – das ist von meiner Seite her eher dürftig. Später kam bei mir Berndeutsch dazu. Mein älterer Bruder spricht Basler Dialekt – er zog in jungen Jahren an den Rhein.
Was halten Sie von jungen Menschen mit Nachnamen wie Rüdisühli, die plötzlich Balkanslang sprechen?
Das ist ein Anpassen – der Kreis, in dem man sich bewegt, der prägt einen. Ich habe auch einen anderen Umgangston mit früheren Schulkollegen als mit Dozentinnen an der Universität – das zeigt, wie anpassungsfähig Menschen sind.
Aber ist der Balkanslang von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund nicht eine Anbiederung oder gar ein Lächerlich-Machen?
Nein, das ist kein Lächerlich-Machen. Wenn das Umfeld einen Begriff häufig verwendet, baut man den auch in seinen Wortschatz ein …
… zum Beispiel «Bro» oder «Alte» …
… genau. Oder ich hatte einmal eine Phase, in der ich oft «sprich» verwendete, weil eine Kollegin das sehr häufig gesagt hatte. Die Sprache verändert sich laufend durch Einflüsse von Medien oder Ausländerinnen und Ausländern.
Welches soziale Umfeld hat Ihr Berndeutsch geprägt?
Vor allem die Schule. Im Kindergarten sprach ich noch ein sauberes Hochdeutsch, das medial beeinflusst war.
Sie ist ein Kind des letzten Jahrhunderts, als Frau weist sie in die Zukunft: Am 22. November 1999 in Belp BE geboren, wächst Jovana Nikic dort und in Toffen BE auf. Sie beginnt die Fachmittelschule in Bern, wechselt nach einem Jahr ans Gymnasium nach Thun BE. Danach beginnt sie ein Philosophiestudium in Bern und studiert heute Philosophy, Politics and Economics in Luzern. Nach Theaterauftritten als Teenager sorgt sie als Slampoetin für Furore und hat 2023 Premiere mit ihrem ersten Kabarett-Solo «Bärner Meitschi». Im Rahmen des Arosa Mundartfestivals tritt sie am 6. und 7. Oktober im Kursaal auf.
Sie ist ein Kind des letzten Jahrhunderts, als Frau weist sie in die Zukunft: Am 22. November 1999 in Belp BE geboren, wächst Jovana Nikic dort und in Toffen BE auf. Sie beginnt die Fachmittelschule in Bern, wechselt nach einem Jahr ans Gymnasium nach Thun BE. Danach beginnt sie ein Philosophiestudium in Bern und studiert heute Philosophy, Politics and Economics in Luzern. Nach Theaterauftritten als Teenager sorgt sie als Slampoetin für Furore und hat 2023 Premiere mit ihrem ersten Kabarett-Solo «Bärner Meitschi». Im Rahmen des Arosa Mundartfestivals tritt sie am 6. und 7. Oktober im Kursaal auf.
Am Arosa Mundartfestival geben Sie Kostproben aus Ihrem ersten Kabarettsolo «Bärner Meitschi». Sie sagen, um ein echtes «Bärner Meitschi» zu verstehen, müsse man Bern verstehen. Wodurch prägte Sie die Stadt?
Bern ist eine kleine Stadt, die eine grosse Ausstrahlung hat – die Reithalle, das Kunstmuseum, die verschiedenen Quartiere, die schöne Altstadt, die Gegenden mit Hochhäusern, ärmere Gebiete und solche, die extrem reich sind.
«Eine Jugend zwischen Reithalle-Demos und Bahnhofsrunden im BMW», schreiben Sie über sich – eine ziemliche Bandbreite!
Dass alles auf engem Raum zusammen ist und im Einklang funktioniert, das ist sehr prägend. «Die Welt ist klein», hört man hier in Bern recht oft.
Die Stadt sei «klein und doch viel farbiger, als das Sandsteinbraun auf den ersten Blick erlaubt». Wie präsentieren Sie die Berner Buntheit in den Bündner Bergen?
Ich arbeite viel mit Vorurteilen und versuche so, das Publikum zum Lachen zu bringen. Ohne zu belehren, möchte ich aufzeigen, dass das Spektrum farbiger ist, als viele denken.
Aber Sie sind ja im Vorort Belp aufgewachsen. Sind Sie dennoch ein waschechtes «Berner Meitschi»?
Definitiv! Weil sich in meinem Leben ab 15 fast alles hier in Bern abspielte – zum Einkauf fuhr man nach Bern, hier ging ich erstmals in den Ausgang, verliebte mich. Belp hatte nicht so viel zu bieten.
Prägte Sie der Patent-Ochsner-Song «Bälpmoos» mit der Zeile «Schpick mi furt vo hie»?
Extrem – das kommt sogar in meinem Programm vor.
Für die Mittelschule gingen Sie dann nach Thun. Wieso?
Ich machte das erste Jahr Fachmittelschule in Bern, doch die Klassendynamik stimmte für mich nicht.
Anschliessend studierten Sie in Bern Philosophie. Das ist doch etwas für introvertierte Eigenbrötler und weniger für eine extrovertierte Slampoetin!
Nein, überhaupt nicht. Die Diskussionskunst sowie Auslegungsfragen haben mich immer gereizt: Wie betrachte ich etwas aus verschiedenen Perspektiven, ohne zu verurteilen? Und wie kann ich das gut verkaufen? Bei vielen Politikerinnen und Politikern sieht man gute Ansätze, aber rhetorisch sind sie weniger begabt.
Wann hatten Sie Ihren ersten Auftritt auf einer Bühne?
Mit zwölf Jahren hatte ich schon einen Auftritt beim Theater Toffen im Stück «Dä nid weis was Liebi heisst».
Und damals merkten Sie: Das ist meine Welt?
Alle haben das gespürt! Darauf habe ich die Bühne erobert, gegeben hat man sie mir nicht immer.
Können Sie aus dem Stegreif auf eine Bühne?
Ja, denn ich funktioniere nicht sehr gut, wenn es um Planung geht. Ich merke kurz vor dem Auftritt, was passt und was nicht – ich liebe es spontan.
Sie geben sich gerne diplomatisch …
… so bin ich eben …
… und trotzdem müssen Sie nun zwischen zwei Begriffen entscheiden: Cevapcici oder Cervelats?
Cevapcici, weil sie schmackhafter sind und ich weiss, was drinsteckt.
Patent Ochsner oder Züri West?
Schwierig, ganz, ganz schwierig (denkt lang nach): Patent Ochsner.
Wegen «Bälpmoos»?
Nein, es sind die Melodien.
Thunersee oder Aare bei Bern?
Aare.
Lieber Flussschwimmerin?
Viel lieber. Seen finde ich ein bisschen langweilig.
YB oder SCB?
YB – ich bin fussballaffin.
Bänz Friedli oder Stefanie Grob?
Bänz Friedli.
Obwohl Stefanie Grob eine Berner Frau ist wie Sie?
Ja, ich finde sie sehr sympathisch, aber von ihm habe ich schon mehr gesehen und kenne ihn auch privat gut.
Mit diesen beiden gehören Sie seit kurzem zum Team der Satiresendung «Zytlupe» auf Radio SRF. Wie fühlt es sich an vor dem Mikrofon ohne sichtbares Publikum?
Es ist sehr speziell. Das erste Mal wusste ich nicht, wie ich reden soll. Aber dann bekam ich den Tipp: Mache es so, wie wenn du mit einer Kollegin sprechen würdest! Und da ging es plötzlich ganz einfach.
Würden Sie gerne TV-Satire machen?
Vielleicht später einmal, doch aktuell bin ich noch zu wenig lang im Business.
Aber eine Frau als Nachfolgerin von Dominic Deville hätten Sie befürwortet?
Auf jeden Fall. Ich fand es sehr unglücklich, wie das Schweizer Fernsehen agierte, denn es hätte einige geeignete Frauen gegeben.
Ihre erste Radio-Satire «Zytlupe» hatten Sie Ende Juli. Welche Reaktionen gab es danach?
Ganz unterschiedliche – von «du hast zu schnell gesprochen» bis «ich habe gerne zugehört». Grundsätzlich waren die Reaktionen sehr positiv.
Der Titel war «Happy Birthday, Schweiz!». Doch Sie gratulieren nicht zum 732. Jahrestag des legendären Rütlischwurs, wofür der 1. August steht, sondern zu 175 Jahren realen Bundesstaat. Ein bewusster Entscheid?
Absolut, denn es gibt verschiedene Arten von Patriotismus: Verfassungspatriotismus oder ethnischer Patriotismus. Traditionen gehören zu einem Land, aber den realen Boden von Recht und Ordnung finde ich wichtiger.
Bekamen Sie dazu auch Reaktionen?
Nein, lustigerweise keine, obwohl ich damit gerechnet hatte.
In Ihrem Beitrag wünschten Sie der Schweiz «Mut, eine Prise Aromat, einen Cervelat und einen Hauch Bergpanorama und den Willen, etwas zu ändern». Was würden Sie als Erstes ändern, wenn Sie könnten?
Ich kam auf die Welt mit einem Schweizer Pass, doch viele hier Lebende und Arbeitende haben nicht das Glück, eingebürgert zu sein. Und ich finde, die sollten auch ein Mitspracherecht haben, weil sie hier sind und ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten – auf welche Art auch immer.
Und Berndeutsch als fünfte Landessprache?
Das fände ich super, das unterschreibe ich sofort! (Lacht.)
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