SonntagsBlick: Jane Mumford, Sie treten nächstes Wochenende am Arosa Mundartfestival auf, tags zuvor in Thun bei «Lesen für Bier». Müssen Sie sich für die Bündner Berge Mut antrinken?
Jane Mumford: Nein, Arosa gibt genug Mut, weil man dort in guter Gesellschaft ist. Aber «Lesen für Bier» ist so etwas wie ein enthemmter Slam-Poetry-Abend, das wollte ich schon lange einmal machen.
Und dafür gibts nur Bier? Sonst fighten Slam-Poetinnen und
-Poeten um eine Flasche Whisky!
Aber als Hauptpreis! Hier gibt es für jede gute Performance ein Bier – das käme mit Whisky nicht gut.
Im Bergrestaurant auf dem Aroser Weisshorn kommt es am Samstag zum Gipfeltreffen von Ihnen mit Sarah Elena Müller und Fatima Dunn. Was darf man erwarten?
Von mir gibt es 20 Minuten beste Unterhaltung in viel zu dünner Bergluft – wahrscheinlich sind dadurch eh alle beduselt und finden die Performance fünf Prozent besser.
Und was ist Ihr Beitrag zum Dialekt?
Ich wähle Themen aus, die mit Schweizerdeutsch zu tun haben. Und ich werde meine zweite Heimat England einbauen.
Gibt es in England derart ausgeprägte Dialekte wie in der Schweiz?
Oh ja!
Spricht eine Person aus Liverpool anders als eine aus London?
Komplett! Und innerhalb Londons gibt es nochmals Unterschiede.
Aus welcher Gegend kommt Ihr Vater?
Aus London, aber er wollte nie Dialekt sprechen. Er brachte mir und meinen zwei jüngeren Geschwistern bewusst das neutralste Englisch bei.
Weshalb?
In England ist Dialekt ein Statussymbol: Man kann daran erkennen, wo eine Person zur Schule ging. Wegen der fehlenden Aristokratie können wir in der Schweiz nicht so sprechen, als hätten wir Geld.
Können Sie trotzdem englischen Dialekt sprechen?
Ein bisschen Cockney-Akzent. Aber ich finde es spannender, über die Prinzipien dahinter zu sprechen, als Dialekte zu imitieren.
Aber Sie haben bestimmt ein Lieblingswort aus der englischen Mundart.
«Nosh». Das bedeutet im Süden Englands Snack. Das klingt so schön lautmalerisch wie ein Schwein, das am Fressen ist: noschnoschnosch!
Im Schweizerdeutsch ist Ihr Lieblingsdialektwort «schampar». Werden Sie das in Ihren Auftritt einbauen?
«Schampar schüli schön dazsi»: Vielleicht wird das die Begrüssung sein.
Was gefällt Ihnen an «schampar»?
Es klingt so herzlich und erinnert ein wenig an Champagner.
Wissen Sie, dass «schampar» eigentlich schandbar meint, also schändlich, abscheulich?
Jetzt gefällt mir «schampar» noch besser, nun ist es das perfekte Wort. Jetzt bekommt es etwas dekadent Wienerisches: «Ich trinke schandbar viel Champagner.»
Mit dem Wort werden Sie sich im Bündnerland als Zürcherin outen. Keine Angst?
Sie werden dort schon Security haben – ich nehme an, ich werde eskortiert.
Gut, Aussenseiterin zu sein sind Sie doppelt gewohnt: Sowohl die Schweiz wie auch England sind nicht EU-Mitglied.
Ich war immer stolz auf den englischen Pass und dachte: Das ist mein Ticket nach Europa. Er ist vor zwei Jahren abgelaufen, und ich habe ihn noch nicht erneuern lassen.
Wieso?
Ich bin den Engländern immer noch gram wegen des Brexit. Ich finde im Moment nichts geil, was auf der Insel passiert, ich schäme mich für diesen Mini-Trump.
Haben Sie Verwandte in England?
Ja, und ganz alte Freunde der Familie mit Kindern in meinem Alter – nächstes Jahr gibt es zwei Hochzeiten: Meine ältesten Freundinnen aus England heiraten. Beide sind entrüstet über die Situation auf der Insel.
Wenn Sie die Argumente von Schweizern und Engländern, weshalb sie nicht zur EU gehören wollen, vergleichen: Gibt es Unterschiede?
Die Angstmachereien sind erstaunlich ähnlich: Es ist zu teuer, unsere Kultur wird ausgelöscht, alle Kühe werden hochdeutsch sprechen! Hilfe! Im Negativen sind wir uns sehr ähnlich, leider.
Am 4. November hat Ihr erstes abendfüllendes Programm in Zürich Premiere. Erschwert Ihnen der fehlende EU-Pass das Touren durch Europa?
Nein, denn das sind ja in der Regel nur kurze Gastspiele.
Sind Auslandsauftritte geplant?
Ich habe ein Stammtheater in Österreich, in Salzburg: Das kleine Theater. Da hatte ich auch schon einen Premieretermin, aber wegen Corona kam es zu Verschiebungen – wir versuchen es nächstes Frühjahr erneut.
Das tönt wie eine alte Liebe.
Ja, in Österreich bin ich mit meinem Humor wahrscheinlich genau am richtigen Ort. Denn die Mischung aus England und Schweiz ist irgendwie Österreich: schwarzer Humor gemischt mit etwas Untertreibung und sich immer schön selber fertigmachen.
Eine gute Beziehung zu Österreich ist für Sie als Bühnenkünstlerin eh gut, denn die Kabarett-Auszeichnung Salzburger Stier kommt von dort.
Das stimmt! Wenn ich nun noch 20 Jahre auf der Bühne bleibe, dann bekomme ich ihn irgendwann hoffentlich schon rein aus Platzgründen, weil ihn alle anderen schon haben. Aber jetzt muss zunächst mein erstes Programm auf die Bühne.
«Reptil» heisst es. Worum gehts?
Das Programm setzt sich trotz des Titels mit der Stellung des Menschen zur Natur, zu Gefühlen und zu Mitmenschen auseinander.
Das klingt wie ein Referat.
Aussehen tuts dafür wie ein Kleinzoo! Als ich mit Soloauftritten begann, wollte ich einfach ein Mikrofon in die Hand nehmen, auf die Bühne stehen und reden, sprich: Hazel Brugger sein. Aber das kauft mir niemand ab, dafür bewege ich mich zu viel. Ich habe als Kind wohl zu viele Jim-Carrey-Filme geschaut.
«Kabarett, Comedy und Schlangentanz» steht in der Ankündigung. Kommen richtige Schlangen zum Einsatz oder imitieren Sie eine Schlange?
Wenn Sie das Gefühl haben, dass ich das verrate! Alle, die nun neugierig sind, sollen an die Vorführung kommen.
Anders gefragt: Haben Sie Angst vor Schlangen?
Ich habe einen gesunden Respekt vor Tieren, die mich töten können.
Haben Sie selber Katze, Hund oder ein Reptil zu Hause?
Nein, ich habe kein Bedürfnis nach einem Haustier. Und wenn ich wählen müsste zwischen einer Katze und einem Reptil, dann würde die Katze gewinnen: Kuscheln ist wichtig! Aber vielleicht wäre das Leben als Reptil einfacher. Säugetiere haben viel mehr Streit und Krieg.
Welches Reptil wären Sie gerne?
Es gibt diese kleinen Eidechsen, die in Steinmauern leben und rumwuseln. Die wirken im Gegensatz zu anderen Reptilien sehr gesellig. Sie nehmen alles ein wenig gelassener, darum sind sie meine Vorbilder.
Es gibt Verschwörungstheoretiker, die behaupten, die Welt werde von Eidechsen gelenkt.
Darum geht es im Programm auch: Das ist der verzweifelte Versuch, einen Grund zu finden, weshalb etwas so ist, wie es ist, ohne verstehen zu müssen, wieso es so ist. Das sind Ausreden, um die Schwerstarbeit zu vermeiden, Zusammenhänge zu verstehen.
Welche zum Beispiel?
Etwa, dass in unserer Gesellschaft sehr viele dem Kapitalismus zudienen, ohne davon profitieren zu können, und dass man dies mithilfe demokratischer Mittel durchaus verändern könnte, anstatt die Reichsten als Echsenmenschen zu beschimpfen. Verschwörungstheoretiker haben keinen Plan, um Probleme zu beheben. Sie sind damit zufrieden, vermeintlich zu wissen, was die Probleme sind – das werfe ich denen vor.
Wissen Sie, was ein «Quatterpertsch» ist?
Ist das ein deutsches Wort?
Ja, aber in Mundart.
Quatter, das klingt ein bisschen wie Romanisch: Vielleicht ein Vierbeiner?
Ja, vier Beine sind richtig, aber es ist nicht Romanisch, sondern ein Dialektwort aus dem St. Galler Rheintal für Eidechse.
Ach, so schön!
Und wissen Sie, wo die Eidechse Lattuechi heisst?
Das tönt wie aus dem Zugerland.
Nein, aus Graubünden.
Vielen Dank, damit kann ich in Arosa für mein Programm «Reptil» werben.
Mumford & Sons, das war einmal, jetzt ist Mumford, die Tochter, angesagt! Jane Mumford kommt 1988 als ältestes von drei Kindern einer Schweizerin und eines Engländers nahe Zürich zur Welt. Nach der Schule bildet sie sich in Luzern zur Trickfilmmacherin aus, ist Schlagzeugerin der Folk-Band The Dead Brothers und die Hälfte des Satire-Duos 9 Volt Nelly. Am 8. und 9. Oktober tritt sie am Arosa Mundartfestival auf und hat am 4. November Premiere mit ihrem ersten abendfüllenden Soloprogramm «Reptil».
Mumford & Sons, das war einmal, jetzt ist Mumford, die Tochter, angesagt! Jane Mumford kommt 1988 als ältestes von drei Kindern einer Schweizerin und eines Engländers nahe Zürich zur Welt. Nach der Schule bildet sie sich in Luzern zur Trickfilmmacherin aus, ist Schlagzeugerin der Folk-Band The Dead Brothers und die Hälfte des Satire-Duos 9 Volt Nelly. Am 8. und 9. Oktober tritt sie am Arosa Mundartfestival auf und hat am 4. November Premiere mit ihrem ersten abendfüllenden Soloprogramm «Reptil».
Jane Mumford live:
Am Arosa Mundartfestival, 8. Oktober, im Kursaal, 20.30 Uhr; 9. Oktober im Panoramarestaurant Weisshorngipfel, 17.15 Uhr
Im Millers Studio Zürich, 4. November, Premiere ihres ersten abendfüllenden Programms «Reptil», 20 Uhr
Kabarettistin Hazel Brugger meint es ernst: Frauen, werdet Comedians!