Die Stimme ist etwas vom Ersten, was die Angehörigen von Verstorbenen vergessen. Und genau da knüpft Franziska von Grünigen (46) an: Die Audiobiographin erstellt mit dem Verein Hörschatz unentgeltlich akustische Vermächtnisse für minderjährige Kinder von unheilbar erkrankten Eltern. Sie erklärt: «Ich schaue mit Menschen auf ihr Leben zurück und nehme das, was die Menschen über ihr Leben erzählen, auf und gestalte am Schluss daraus eine Art Hörbuch.»
Warum sie in der heutigen Zeit von schnelllebigen Kurzvideos auf ausführliche Audioaufnahmen setzt? Franziska von Grünigen erzählt: «Ich habe fast 25 Jahre beim Radio gearbeitet, bin mit 21 in die Radiowelt eingestiegen und habe ein Leben lang eigentlich nur mit Audio gearbeitet. Und für mich hat Audio, also die Stimme, eine wahnsinnige Kraft.» Ihrer Meinung nach sei diese Kraft noch stärker, als wenn man ein Bild dazu habe. Die ungeteilte Aufmerksamkeit liege auf der Stimme, was einen den Klang, die Melodie und die einzelnen Betonungen noch viel intensiver wahrnehmen lasse.
Erinnerungen für den Nachwuchs
Die Arbeit an den Audiobiographien ist intensiv: Franziska von Grünigen trifft die Eltern zu stundenlangen Gesprächen, die aufgezeichnet werden. «Kranke Mütter und Väter erzählen dann aus ihrem Leben. Das können Details, wie Kinderstreiche, oder ausführliche Themen wie die eigene Jugend sein», erklärt sie. Oft gehe es auch um Momente mit der Familie wie die Geburt der Kinder, die Hochzeit oder die Liebesgeschichte. Ausserdem gebe es oft Liebesnachrichten an die Kinder. «Also dass sie erzählen, was ihnen die Kinder bedeuten und was für Erkenntnisse sie ihnen mitgeben möchten fürs Leben.» Es gebe aber auch Eltern, die Gute-Nacht-Lieder einsingen oder Geschichten vorlesen. «Einfach alles, was überdauern und in Erinnerung bleiben soll.»
Wichtig ist der Winterthurerin und dem Team von Hörschatz aber auch, dass die Audiobiographie die Angehörigen nicht überfordere. «Wir achten genau darauf, dass es keinen belastenden Inhalt drin hat. Also Sachen, die vielleicht gut gemeint sind, aber nicht unbedingt einen guten Effekt haben.»
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Von Grünigen kann sich noch gut an eine Mutter erinnern, die sich in ihrem letzten Lebensabschnitt, auf der Palliativabteilung, mit ihrer sechsjährigen Tochter die Audioaufnahmen angehört hat. «Wenn die Tochter dort übernachtet hat, war das ihre Art von Gute-Nacht-Geschichte.» Von Grünigen, die selbst zwei Kinder hat, bekam von der Mutter und auch von der Tochter immer wieder Sprachnotizen. «Es war so schön, zu sehen, wie aus einem traurigen Anlass trotzdem freudige Momente entstehen können.»
Momente wie diese treiben sie bei der Arbeit an. In den vergangenen Jahren stand von Grünigen selbst hinter dem Radiomikrofon – wie ihre bekannten Eltern Heinrich von Grünigen (1941–2021) und Verena Speck (82), die die Schweizer Radiolandschaft prägten. Zuletzt reduzierte sie jedoch mehr und mehr, bevor sie sich Anfang 2024 komplett zurückzog. «Ich gehe völlig auf in dem, was ich jetzt mache. Ich vermisse das Radiomikrofon überhaupt nicht.» Das erstaune sie selbst, weil die Arbeit lange ihre grosse Leidenschaft gewesen sei.
Auf Spenden angewiesen
Die Audiobiographien des Vereins Hörschatz sind kostenlos – dank privaten Spenden, die die Arbeit des Vereins Hörschatz, den von Grünigen 2020 gemeinsam mit Gabriela Meissner (58) gegründet hat, überhaupt möglich machen. In der Vergangenheit gab es schon Sponsorenläufe, Schulklassen, die Geld sammelten, und Benefizveranstaltungen. «Es ist immer wieder berührend zu merken, wer sich da etwas ausdenkt, um uns zu unterstützen.»