Er war gestern Abend das grosse TV-Ereignis: In herausragender Manier verkörpert Julian Koechlin (29) die Hauptfigur Michael Wyss in der neuen achtteiligen SRF-Serie «Neumatt», die bis kommenden Donnerstag läuft.
Durch den Freitod des Vaters wird der älteste Sohn einer Zürcher Bauernfamilie gezwungen, die Finanzwelt zu verlassen und sich um den elterlichen Hof zu kümmern. Dazu kommen Drogenprobleme und ein kompliziertes Liebesleben.
Von der Rolle war er von Beginn weg begeistert
Bisher kannte das TV- und Kinopublikum den gebürtigen Basler Schauspieler eher als prägnanten Nebencharakter in «Wilder» oder dem Fussballerdrama «Mario». «Natürlich ist eine Rolle in diesem Umfang ein absolutes Geschenk», sagt Koechlin gegenüber Blick. «Mir war klar, dass dies auch eine grosse Verantwortung mit sich bringt. Vertrauen spielt bei solch einem Engagement eine ebenso grosse Rolle. Und das hatte ich von Anfang an.»
Von seiner Figur war Koechlin von Beginn weg begeistert. «Als mir meine Agentin die Projektmappe gegeben hat, war ich von der Konzeptidee und der Charakterbeschreibung sehr angetan. Michi ist eigentlich von Grund auf ein guter Mensch. Die momentanen Umstände zwingen ihn aber, Entscheidungen zu treffen, die sein Leben achterbahnmässig in neue Richtungen katapultieren, so dass Menschen, die ihm nahestehen, sich von ihm abwenden. Michi ist hin- und hergerissen, immer auf der Suche, nie im Stillstand.»
Glaubwürdigkeit als oberstes Ziel
Am meisten Respekt hatte Koechlin davor, Wyss' exzessives und selbstzerstörerisches Verhalten darzustellen. Welche Parallelen zieht er zu seiner eigenen Persönlichkeit? «Ich glaube, dass Michi Wyss und ich eine ähnliche Ungeduld in uns tragen. Er kompensiert es mit Drogen, ich mache Musik – als eine Art Beruhigungstherapie in meinen privaten vier Wänden. Um eine Drogenabhängigkeit darzustellen, muss man meiner Meinung nach weder selbst konsumieren noch in irgendeiner Form abhängig sein. Es ist mein Beruf als Schauspieler, diesen Zustand glaubwürdig zu verkörpern.» Koechlin hat sich diverse Filme und Dokumentationen angeschaut und mit einem Schauspiel-Coach zusammengearbeitet. «Wenn ich im realen Leben immer alles ausprobieren würde, was meine Charaktere durchmachen, wäre ich nicht sehr lange unter uns.»
Für «Neumatt» musste sich Koechlin auch anderen Themenkreisen annähern. «Für die Landwirtschaft stand uns ein Berater mit eigenem Bauernhof zur Seite. Und auch für den Consulting-Bereich verfügten wir über einen Spezialisten mit jahrelanger Erfahrung.» Zur Homosexualität von Wyss in der Serie sagt Koechlin: «Für mich spielt es keine Rolle, welche Sexualität meine eigene Rolle und mein Gegenüber leben. Liebe ist Liebe. Da mache ich keine Unterschiede und erarbeite mit meinem Gegenüber Schritt für Schritt die Facetten einer Liebesbeziehung.»
Zweite Staffel wird im Frühling gedreht
Koechlins nahe Zukunft ist bereits vorgezeichnet: Seit bald vier Jahren ist er Ensemble-Mitglied des Stadttheaters von Aachen (D), wo er auch lebt. «Ich würde mir wünschen, dass sich mein Arbeitsjahr in Zukunft aus einer gesunden Abwechslung von Theater und Film gestaltet.» Schweizer Zuschauer dürfen sich diesbezüglich freuen: Die zweite Staffel «Neumatt» wird nächsten Frühling gedreht, natürlich mit Julian Koechlin als Michael Wyss.