Franz Fischlin nach seinem TV-Aus
«Ich hörte auf, als es am besten war»

Über anderthalb Jahre ist es her, dass Franz Fischlin das letzte Mal für die «Tagesschau» vor der Kamera stand. Heute hat er mehr Zeit für seine Familie und will sich der jungen Medienwelt widmen.
Publiziert: 27.03.2024 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 27.03.2024 um 10:26 Uhr
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Die Nachhaltigkeit ist dem ehemaligen «Tagesschau»-Moderator wichtig. Franz Fischlin möchte den jungen Menschen die Medien-Welt näher bringen – und das auf eine ganz neue Art.
Foto: Keystone
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Samuel WalderRingier Journalistenschüler

Ein letztes Mal das Sakko anziehen, ein letztes Mal Schminke auf die Stirn und unter die Augen, ein «Guetä Abig» in die Kamera und ein letztes «Das isches gsi mit de ‹Taggeschau›». So fühlte sich der letzte Tag im SRF-Studio für Franz Fischlin (61) an. 18 Jahre moderierte der gebürtige Berner die Hauptausgabe der «Tagesschau» im Schweizer Fernsehen. Sein Abgang im Sommer 2022 war nicht nur für Zuschauer und Arbeitskollegen emotional. Auch Fischlin kämpfte mit den Tränen.

Hier verabschiedet sich Franz Fischlin zum letzten Mal
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18 Jahre «Tagesschau»:Hier verabschiedet sich Franz Fischlin zum letzten Mal

Heute erinnert sich Fischlin gerne an diesen Moment zurück. Bei einer Cola am Helvetiaplatz in Zürich trifft sich der ehemalige Moderator mit Blick. «Es ist das zweite Mal, dass ich hier in diesem Lokal bin. Das erste Mal war vor zwei Wochen mit Freunden», sagt Fischlin lächelnd. Schon eine ganze Weile her ist seine letzte «Tagesschau»-Sendung – trotzdem merkt man Fischlin an, dass sie ihm noch präsent ist: «Schon viele Monate vorher wusste ich, dass der letzte Tag im ‹Tagesschau›-Studio kommen würde. Aber so richtig darauf vorbereiten kann man sich trotzdem nicht.» Zusätzlich sei die Überraschung von seinen Kolleginnen Andrea Vetsch (48) und Cornelia Boesch (48) sehr gelungen. «Wir haben danach noch im Team und mit anderen Moderatorinnen und Kollegen angestossen – und dann war es vorbei.»

Fischlin ist jetzt für Neues offen

Fischlin ist sich sicher: «Es war die richtige Entscheidung. Ich habe es wie ein Sportler gemacht. Ich habe dann aufgehört, als es am besten war.» Viele Freunde, Bekannte und Zuschauer hätten sich danach bei ihm gemeldet, um ihm einen guten Start in den neuen Lebensabschnitt zu wünschen. «Ich bin der Meinung, dass wenn man sich zu fest an etwas klammert, ergibt sich nichts Neues. Erst wenn man wirklich loslässt, und die Hand öffnet, ist man wieder empfangsbereit für neue Erfahrungen und Erlebnisse», sagt Fischlin und gestikuliert.

So entspannt, wie der ehemalige Moderator an diesem Nachmittag am Tisch sitzt, sei es nach seinem Abtritt nicht immer gewesen. «Ich gebe zu, ich habe die Selbstständigkeit etwas unterschätzt, arbeite sogar eher mehr als vorher. Hinzu kommt, dass ich praktisch nahtlos nach der letzten Sendung gleich mit meinem Herzensprojekt gestartet bin. Und seither bin ich fast täglich damit beschäftigt. Selbst in den Ferien», erklärt er.

«Nachrichten kommen und gehen»

Sein neues Projekt heisst «YouMedia»: «Mit diversen digitalen Angeboten, der seit sieben Jahren bestehenden Jugendmedienwoche ‹YouNews› und mit weiteren neuen Formaten soll die Medienkompetenz von Jugendlichen gefördert werden.» Das solle mit Social-Media-Aktivitäten und einem Jugendmedienpreis geschehen. Für Fischlin sei schon vor seinem Abgang beim SRF festgestanden, dass er weiterhin etwas in der Medienbranche machen wolle: «Das Newsgeschäft ist spannend, aber Nachrichten kommen und gehen. Ich wollte noch etwas Nachhaltigeres tun und der Umgang der jungen Generation mit allen Medien, den neuen und den traditionellen, interessiert mich schon länger.» Schnell habe er gemerkt, dass er dabei auch vieles von der jüngeren Generation lernen kann.

«Die Sicht der Jugendlichen steht im Mittelpunkt, nicht meine als älteres Journalisten-Semester», ergänzt Fischlin schmunzelnd. «Das Prinzip ist Peer-to-Peer und auf Augenhöhe sein.» Detailliert heisst das: Junge Hosts sollen auf Social Media auf ihre Weise den Umgang mit Medien vermitteln, Hintergründe und Zusammenhänge wie Algorithmen oder Filterblasen aufzeigen und verschiedene Themen diskutieren. So könnten zum Beispiel auch Fake News – Fischlin erwähnt die Geschichte der Bettwanzen in Paris – thematisiert werden. «Die jüngere Generation interessiert sich sehr für Informationen. Sie will auch wissen, wem sie trauen kann.» In einer Zeit von künstlicher Intelligenz, in der es schwierig sein kann, Echtes vom Falschen zu unterscheiden, sei es noch wichtiger, Menschen zu sensibilisieren und kritisches Denken zu fördern, betont er.

«Das erfüllt mich»

Seine Ideen hat er auch immer wieder mit seinen Kindern gespiegelt: «Da kam oft ein ‹Papi, das stimmt so nicht, da hast du eine kreuzfalsche Vorstellung›. Meine Kinder sind bester Anschauungsunterricht und Tippgeber in einem.» Allgemein hat Fischlin mehr Zeit mit seiner Familie verbracht, nachdem er das Fernsehen verlassen hat. Der Berner ist mit SRF-Kulturchefin Susanne Wille (49) verheiratet, die als Favoritin auf die Nachfolge von Gilles Marchand (62) als SRG-Direktorin gilt. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. «Da ich selbständig bin, kann ich mir Freizeit und Arbeitszeit besser einteilen. Jetzt verpasse ich das Klavierkonzert oder den Volleyballmatch meiner beiden Söhne und meiner Tochter nicht mehr.» Die Arbeit daneben, sich mit den neuesten Entwicklungen unserer Zeit auseinanderzusetzen, das hält ihn zusätzlich auf Trab. «Mit ‹YouMedia› bin ich nun sowas wie ein Ermöglicher, kann Jungen eine Stimme geben. Das erfüllt mich», sagt Fischlin und trinkt den letzten Schluck seiner Cola.

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