«Es ist kalt in Brandenburg»
Dokfilm über Hitler-Attentäter nun unzensuriert zu sehen

Bei der Erstausstrahlung des Films «Es ist kalt in Brandenburg» über Hitler-Attentäter Maurice Bavaud griff das Schweizer Fernsehen 1982 ein – aus Angst, den deutschen Bundespräsidenten zu erzürnen. Zum 80. Todestag von Bavaud am 14. Mai zeigt SRF 1 die Originalfassung.
Publiziert: 14.05.2021 um 09:49 Uhr
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Der Neuenburger Priesterseminarist Maurice Bavaud wollte Adolf Hitler mit einer Pistole der Marke Schmeisser niederschiessen. Als auch sein Versuch vom 9. November 1938 in München fehlschlug, wollte er nach Paris flüchten. Er wurde unterwegs von der Gestapo gefasst.
Foto: ImagoFilm
Jean-Claude Galli

Der 14. Mai ist der Todestag von Maurice Bavaud (†25), 1941 in Deutschland hingerichtet. Bavaud, ein katholischer Priesterseminarist aus Neuenburg, plante 22-jährig 1938 ein Attentat auf Adolf Hitler (1889–1945). Dreimal versuchte er vergeblich, an den NS-Diktator heranzukommen und wurde schliesslich von der Gestapo aufgegriffen.

Ein Rettungsversuch der damaligen Schweizer Regierung blieb aus. Im Gegenteil: Der Botschafter in Berlin, Hans Frölicher (1887–1961), verurteilte seine «verabscheuungswürdigen Absichten». Bavaud wurde nach 30 Monaten Haft in Berlin-Plötzensee durch die Guillotine hingerichtet, über seinen Tod bewahrten beide Seiten Stillschweigen.

Aus Angst vor deutschen Reaktionen zur Schere gegriffen

Der deutsche Star-Dramatiker Rolf Hochhuth (1931–2020) schrieb in einem Artikel über Bavaud in den 1970er-Jahren von einem «Wilhelm Tell 38» und rückte ihn erstmals wieder in den Fokus. Er inspirierte die Filmautoren Villi Hermann (80), Niklaus Meienberg (1940–1993) und Hans Stürm (1942–2002) zur Realisierung ihres Dokfilms «Es ist kalt in Brandenburg».

1982 zeigte ihn das Schweizer Fernsehen in einer zensierten Fassung. Grund: Im Film wird der damalige deutsche Bundespräsident Karl Carstens (1914–1992) erwähnt, der Mitglied der NSDAP gewesen war. Ein früherer Mithäftling von Bavaud spekuliert im Interview, dass sich Carstens' Gesinnung nach dem Krieg kaum gewandelt haben dürfte. Solche Aussagen hätten dessen anstehenden Schweizer Staatsbesuch belasten können, so die Angst der Sendeleiter. Im Gedenken an Bavaud läuft nun heute zum 80. Todestag die vollständige Version (SRF 1, 23.50 Uhr).

Späte Rehabilitierung von Bavaud

Villi Hermann freut sich: «Jetzt kann man unser Werk endlich in voller Länge sehen. Es ist eine restaurierte Originalfassung mit neuen Untertiteln. Der Film zeigt, wie die Vergangenheit in der Gegenwart nachwirkt.»

Die Macher lösten in den 1980er-Jahren einen Aufruhr von rechter Seite aus, gerade der bekannte Co-Autor Meienberg spaltete die Meinungen. Lange hatte man den Mythos gepflegt, die Schweiz sei dank der Armee vom Krieg verschont geblieben. Jene Schweizer, die wirklich gegen Nazi-Deutschland Widerstand leisteten, galten als suspekt. Erst 2008 wurde Bavaud rehabilitiert: Bundespräsident Pascal Couchepin (79) schrieb in einer Reaktion auf eine Motion von Paul Rechsteiner (68), aus heutiger Sicht hätten sich die Schweizer Behörden zu wenig für Bavaud eingesetzt. Dieser habe wohl das Verhängnis, das Hitler über die Welt gebracht habe, vorausgeahnt. 2011 wurde auf Betreiben von Bavauds jüngstem Bruder Adrien (92) in Hauterive NE eine Gedenkstätte eingeweiht.

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