Sie sind für viele prägende Kindheitserinnerungen verantwortlich: Seit 1994 amten Hubert Spiess (59) und Erich Vock (61) als Leiter der Zürcher Märchenbühne am Theater Hechtplatz und brachten mit Stücken wie «Frau Holle», «Der Räuber Hotzenplotz», «Urmel aus dem Eis» und «Dornröschen» die Augen der Kleinsten zum Leuchten. «Schneewittchen und die 7 Zwerge» ist die letzte Produktion unter der Leitung des Duos, das privat als Ehepaar durchs Leben geht. Nach der diesjährigen Spielzeit an der Märchenbühne geben die beiden die Leitung ab. In etwas mehr als einem Jahr, nach drei weiteren Produktionen, wollen sie sich dann endgültig vom Theater verabschieden. Der Ruhestand ruft. Blick traf Vock und Spiess vor der heutigen Premiere zum Interview.
Blick: Bald sagen Sie Ihren Kinderproduktionen Adieu. Wie fühlen Sie sich?
Erich Vock: Wir freuen uns auf den Ruhestand, sind aber auch wehmütig. Als wir den Entschluss für unseren Abschied fassten, war das ein abstrakter Gedanke. Nun wird er aber konkret. Es wird uns immer bewusster: Es ist das letzte Mal. Uns war es wichtig zu gehen, solange das Publikum uns noch treu ist.
Wann fällten Sie den Entscheid für Ihren Bühnenabschied?
Hubert Spiess: Vor zehn Jahren auf einer Südamerika-Reise. Wir sind an einem Tisch gesessen und haben uns einen Lebensplan gemacht. Wir sind uns bewusst, dass das Leben nicht endlos ist, dass wir vielleicht irgendwann nicht mehr fit genug sind zum Reisen.
Vock: Oder um andere Sachen zu tun: Ohne schlechtes Gewissen einen Glühwein trinken zu können. Aber auch Sprachen zu lernen oder die Freizeit zu geniessen. Wir wollen eines Tages nicht denken, wir haben etwas verpasst.
Wieso wählten Sie Schneewittchen für Ihre letzte Saison aus?
Spiess: Das war für uns schon lange klar. Das ist so ein grosses Stück, wir haben es bereits am 50-Jahre-Jubiläum der «Märchenbühne» aufgeführt.
Vock: Und ich habe mir das Recht herausgenommen, zu unserem Abschied mein Lieblingsmärchen auszuwählen (lacht).
Spiess: Mein Favorit ist Dornröschen, aber ich kann gut mit Schneewittchen leben.
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Was fasziniert Sie an Märchen?
Spiess: Es sind Geschichten, die einfach gestrickt sind, aber auch viel mitgeben. Es hat Elemente zum Träumen, zum Fürchten, erzeugen also eine ganze Bandbreite von Gefühlen. Und – leider anders als im echten Leben – gewinnt immer das Gute.
Vock: Märchen begleiten uns ein Leben lang. Für uns ist es ein Bedürfnis, den jungen Menschen etwas mitzugeben. Dass sie sich mit dieser Geschichte auseinandersetzen und im Leben optimistisch bleiben. Dass sie wissen: Es wird nicht immer gut, aber es kann gut werden.
Welche Kindheitserinnerungen haben Sie an Märchen?
Vock: Ich erinnere mich an die Märchenbühne, Margrit Rainer als Frau Holle, Ines Torelli als Pechmarie. Ich habe alles bildlich vor mir. Ich könnte jetzt zwei Stunden lang erzählen.
Spiess: Und natürlich auch Märchenplatten. Sprüche und Dialoge, die auf ihnen vorkommen, und die ich fast auswendig kann. Das beweist, wie prägend Märchen für uns sind.
Was macht Sie stolz?
Vock: Dass der Erfolg dreissig Jahre angehalten hat und immer ein neues Publikum nachgewachsen ist. Viele waren pessimistisch und meinten, dass Kinder nach der Erfindung von Spielkonsolen nichts mehr übrig hätten fürs Theater. Aber es kam anders. Das Live-Erlebnis ist nicht zu ersetzen. Das ist für mich das schönste Kompliment.
Spiess: Früher kamen mehrheitlich Grosseltern mit ihren Enkeln zu uns. Nun kommen auch Mami und Papi mit, der Anlass wurde zu einem Familienerlebnis. Das ist schön zu sehen.
Viele Künstler können sich nicht vom Rampenlicht verabschieden. Wieso soll das bei Ihnen anders sein?
Vock: Das gilt tatsächlich für viele Schauspieler. Wir sind aber auch Produzenten und leben nicht von Rollenangeboten. Dadurch war unser Beruf viel umfassender und dementsprechend anstrengend. Aber ich kann nicht ausschliessen, dass ich nicht irgendwann am Tisch sitze und traurig sein werde, dass ich keine Vorstellung habe. Aber so ist das Leben.
Spiess: 30 Jahre als produzierende Schauspieler sind intensiv. Und wir sind ja nicht mehr dreissig Jahre alt, sondern 60.
Erich Vock und Hubert Spiess sind beide ausgebildete Schauspieler und wurden vor dreissig Jahren privat ein Paar. Seit Mitte 1990er-Jahre leiten sie gemeinsam die Zürcher Märchenbühne, ab 1996 fingen sie an, selbst Theaterstücke zu produzieren. Den grössten Erfolg feierten sie mit der «Kleinen Niederdorfoper», in der Vock mit dem Bauern Heiri seine legendärste Rolle spielte. Mit diesem Theaterstück will das Paar sich demnächst auch von der Bühne verabschieden. Ihr Lebensmittelpunkt soll im Ruhestand sowohl in Zürich, im Tirol und in Spanien sein.
Erich Vock und Hubert Spiess sind beide ausgebildete Schauspieler und wurden vor dreissig Jahren privat ein Paar. Seit Mitte 1990er-Jahre leiten sie gemeinsam die Zürcher Märchenbühne, ab 1996 fingen sie an, selbst Theaterstücke zu produzieren. Den grössten Erfolg feierten sie mit der «Kleinen Niederdorfoper», in der Vock mit dem Bauern Heiri seine legendärste Rolle spielte. Mit diesem Theaterstück will das Paar sich demnächst auch von der Bühne verabschieden. Ihr Lebensmittelpunkt soll im Ruhestand sowohl in Zürich, im Tirol und in Spanien sein.
Für viele ist es eine Albtraum-Vorstellung, mit dem Partner auch beruflich zusammenzuarbeiten. Bei Ihnen funktioniert das gut. Wieso?
Spiess: Da gibt es kein Rezept. Ich kenne es schon aus meiner Familie: Meine Eltern führten ein Hotel und haben immer zusammen gearbeitet. Bei uns funktioniert es einfach. Wir gehen uns nicht auf die Nerven, sind sehr ehrlich miteinander und streiten auch mal.
Vock: Das ist unser grosses Glück, dass das so gut funktioniert. Viele sagten uns aufgrund der beruflichen Verstrickung keine lange Beziehung voraus. Aber für uns war das nie ein Thema.
Märchenhaft war auch Ihre Hochzeit in diesem Jahr. Wie war das im Vergleich zur Eintragung Ihrer Partnerschaft vor bald zwanzig Jahren?
Spiess: Es war ganz anders, weil wir endlich zueinander Ja sagen konnten. Das war ja kein Teil der Zeremonie vor 20 Jahren.
Vock: Beide Tage waren sehr emotional. Dass wir endlich die Möglichkeit hatten, wie alle anderen Ja zueinander zu sagen, hat mich tief bewegt. Ich erinnere mich, dass es für mich als Zwanzigjähriger unmöglich erschien, dass ich einmal meinen Partner heiraten kann und das von der Gesellschaft akzeptiert ist. Dass dies nun in der Schweiz Realität ist, finde ich wunderschön.
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Spiess: Dass wir gesund bleiben und wir die Zukunft zu zweit und mit unseren Liebsten noch lange geniessen können.
«Schneewittchen und die 7 Zwerge» läuft von 11. November 2023 bis 24. März 2024 auf der Märchenbühne im Theater am Hechtplatz in Zürich.