Auf einen Blick
- Erich Vock verabschiedet sich von der Bühne nach jahrzehntelanger Karriere
- Vock verkauft seine Produktionsfirma und Märchenbühne, freut sich auf Ruhestand
- Er hat 40 Bühnenstücke übersetzt und ist in mehr als 130 Stücken aufgetreten
Gut 40 Bühnenstücke hat Erich Vock (62) schon auf Mundart übersetzt. In über 130 Stücken stand er bisher auf der Bühne. Während vier Jahrzehnten brachte er Jung und Alt zum Lachen.
Damit ist nun bald Schluss. Vock, der Volksschauspieler aus Leidenschaft, will sich ins Privatleben zurückziehen. Wir haben ihn im Zürcher Bernhard Theater zum Gespräch getroffen.
Am 9. November haben Sie sich in «Happy Day» vom Publikum verabschiedet. Ist jetzt wirklich «Fertig lustig»?
Erich Vock (Lacht): Ja, denn ich werde sicher keine Theaterstücke mehr produzieren, und ich kann mir auch nicht vorstellen, jemals wieder ins Rampenlicht zurückzukehren. Mein Mann Hubert Spiess und ich hören auf zu produzieren. Unsere Firma Spock
Productions wird eingestellt – und alles, was Spock Productions gehört, wird verkauft. Bühnenbilder, Kostüme – alles geht weg.
Auch keine Gastauftritte mehr? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Im Februar, wenn ich aufhöre, werde ich 63. Wenn mich nun irgendjemand anfragen würde – was ich mir allerdings nicht vorstellen kann –, ob ich in einem Film mitmachen wolle, dann müsste ich es mir vielleicht nochmals überlegen. Aber es müsste schon etwas sein, was mich wahnsinnig reizt ...
... aber Sie suchen es nicht.
Genau. Ich möchte endlich Zeit haben, wofür ich lange keine Zeit hatte. Schauen Sie, das Pensionsalter hat ja seinen Sinn, und ich freue mich wirklich auf diese Zeit, in der Hubert und ich das tun können, was wir wollen, und an keine Termine mehr gebunden sind. Diesen Frühling haben Sie auch die Zürcher Märchenbühne verkauft.
Sicher hat Ihr Herz dabei geblutet.
Die Märchenbühne war so etwas wie unser Baby. Hubert und ich haben sie dreissig Jahre zusammen geleitet. Aber bei Ramona Fattini ist sie in guten Händen.
Eine junge Frau, die wahrscheinlich alles etwas anders anschaut ...
So wie damals, als mir Ines Torelli die Märlibühne verkaufte. Da war sie eine ältere Dame und ich viel jünger, heute bin ich ein älterer Herr (lächelt). Das ist schon gut so, dass man es in junge Hände legt. Die Welt ist im Umbruch, es verändert sich gerade so vieles, dass ich sagen kann: Es ist gut aufzuhören. Für mich stimmt es so.
Kein Problem mit Loslassen?
Eigentlich nicht. Was ich sicher vermissen werde, ist das Lachen des Publikums. Das ist etwas, was mich auch nach vierzig Jahren noch immer total fasziniert. Es ist unglaublich, was für eine Energie freigesetzt wird, wenn ein ganzer Saal im selben Moment lacht. Aber ich habe mich so entschieden, und es ist mir lieber so, als dass jemand anderer irgendwann zu mir sagt, es wäre jetzt langsam an der Zeit aufzuhören (lacht).
Zurzeit stehen Sie wieder mit «Die kleine Niederdorfoper» auf der Bühne des Bernhard Theaters. Damit feierten Sie 1989 Ihren ersten grossen Erfolg – müssen Sie überhaupt noch proben?
Ehrlich gesagt, muss ich selber auch noch immer proben, aber sicher wesentlich weniger lang. Wir haben aber – mit allen Doppelbesetzungen – ein Ensemble von dreissig Personen. Da sind auch junge Leute dabei, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Damit alles sitzt und zusammenwächst, braucht es einfach sechs Wochen.
Sie sind mit vielen Schweizer Schauspielgrössen auf der Bühne gestanden: Ruedi Walter, Roland Rasser, Jörg Schneider, Ines Torelli, Paul Bühlmann ... Mit wem hätten Sie auch noch gern gespielt?
Mit Margrit Rainer. Ich erinnere mich gut: Es war eine Woche vor meinem 20. Geburtstag, ich sass am Tisch und lernte für die Matur. Da kam meine Mutter herein und sagte, Margrit Rainer sei gestorben. Mein erster Gedanke war: Nun werde ich nie mit dieser grossartigen Frau auf der Bühne stehen können. Aber ich durfte mit wirklich vielen Leuten, die ich verehrte, die Bühne teilen.
Es wird immer wieder gemunkelt, dass das klassische Volksschauspiel allmählich aussterbe. Wie steht es tatsächlich darum?
Das Publikum will lachen, sich unterhalten lassen. Daran glaube ich, absolut. Wir haben junge Schauspielerinnen und Schauspieler, die das wollen und das auch können. Man wird sich neu formieren, denn die Zeit wandelt sich. Bei allem, was man
nicht mehr sagen und zeigen darf, würde ich meinen, dass ein eher etwas humorloseres Zeitalter auf uns zukommt. Wie auch immer: Ich bin mir sicher, es werden immer Produktionen stattfinden, in denen sich das Publikum unterhalten und lachen kann.
Sie sind Regisseur, Schauspieler, Produzent, alles oft gleichzeitig. Wie schaffen Sie das alles rein energetisch?
Indem ich ein glücklicher Mensch bin und immer gut schlafen kann – auch im grössten Stress. Ich bin gerne in der Natur, lache viel, selbst im Alltag – und auch über mich selber, das ist sehr wichtig. Ich finde, man ist viel entspannter, wenn man sich nicht zu wichtig nimmt. Überhaupt sollte man alles mit etwas mehr Humor anschauen.
Aber Sie können auch pingelig sein, ein Perfektionist ...
Sehr sogar! Präzision ist mir sehr wichtig – vor allem um Komödien zu spielen, braucht es viel Präzision. Es muss alles sitzen. Die Leute kommen in der Regel nur einmal, und da sollen sie möglichst hundert Prozent bekommen und zufrieden lächelnd nach Hause gehen.
Sind Sie abergläubisch?
Und wie! Nie unter einer Leiter hin durchgehen, in der Garderobe keine Schuhe auf den Tisch stellen, auf der Bühne nie einen Regenschirm auf spannen, keine privaten Hüte tragen, nicht pfeifen! Das ganze Programm (lacht herzhaft).
Was kann Ihnen so richtig die Stimmung verhageln?
Da gibt es ganz viele Sachen (überlegt kurz). Leute etwa, die ihren Beruf nicht gut machen. Mich macht es zum Beispiel hässig, wenn ich in einem Geschäft oder Restaurant nicht freundlich bedient werde. Aber ich bin sonst wirklich ein zufriedener, genügsamer Mensch. Leute, die immer mehr wollen, sind meist nicht so glücklich. Aber klar, auch ich habe Höhen und Tiefen.
Womit kann man Ihnen eine Freude machen?
Mit Blumen – Rosen mag ich am liebsten (schmunzelt).
Hatten Sie früher nie Ambitionen, nach Deutschland zu gehen?
Ich habe es nie gesucht. Nach «Fertig lustig» (die Sitcom lief 2000 bis 2002 bei SRF; Anm. d. Red.) gab es schon Anfragen. Aber ich habe stets gespürt, dass das, was ich machen will, nur in meiner Sprache zu erreichen ist. Und zwar, indem man das Publikum in der Sprache abholt, in der es träumt, mit der es aufgewachsen ist. Mit der Muttersprache findet man am schnellsten Zugang zum Zentrum, wo das Lachen sitzt.
«Die kleine Niederdorfoper» wird Ihr Abschiedsstück. So schliesst sich der Kreis ...
Absolut! Ich fand das Stück schon als Kind grossartig – und es war meine erste Rolle in der Schweiz. Auf einen Chlapf habe ich alle wichtigen Leute kennengelernt. Wir spielen noch bis zum 9. Februar 2025. Ja, dann schliesst sich für mich tatsächlich der Kreis.
Und was kommt dann?
Reisen, kochen, Freunde sehen, unsere Häuser in Österreich und Spanien und die Alp in der Schweiz geniessen. Und Sprachen auffrischen! Zuoberst auf der Liste stehen Französisch und Italienisch. Beide konnte ich mal sehr gut, doch da ich mehr Spanisch und Englisch rede, haben sie etwas gelitten. Das will ich nun ändern.
Und Zeit zum Fernsehen?
Auf jeden Fall! Ich bin aber kein Zapper, ich schaue lieber erst in der TV-Programmzeitschrift nach, was mich interessieren könnte. Was ich immer gerne schaue, sind Krimis in Filmlänge und Quizshows. Und natürlich Crime-Serien – die gehören auch dazu. Heute muss man ja nicht mehr alles linear anschauen – Replay sei Dank!
Gehen Sie locker, beschwingt und fit wie ein Turnschuh in den Ruhestand?
Sagen wir es so: Der Schuhbändel ist vielleicht etwas offen (lacht).
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