Ellen Pompeo exklusiv über Rolle nach «Grey's Anatomy»
«Ich verschwende keinen Gedanken mehr an Meredith»

Nach 20 Jahren «Grey’s Anatomy» wagt Ellen Pompeo einen Neuanfang. In «Good American Family» spielt sie eine umstrittene Adoptivmutter. Es bringe sie zum Nachdenken über Vorurteile und moralische Grauzonen, wie Pompeo im exklusiven Gespräch mit Blick erklärt.
Publiziert: 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 08:28 Uhr
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In einer neuen Rolle zu sehen: Ellen Pompeo.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Ellen Pompeo wechselt von «Grey’s Anatomy» zu «Good American Family»
  • Serie thematisiert kontroverse Adoption und gesellschaftliche Vorurteile
  • Pompeo spielte fast zwei Jahrzehnte lang Dr. Meredith Grey
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Patricia BroderRedaktorin People

Nach fast zwei Jahrzehnten in ihrer ikonischen Rolle als Dr. Meredith Grey in «Grey’s Anatomy» wagt sich Ellen Pompeo (55) auf ein komplett neues Terrain: In der Serie «Good American Family» schlüpft die US-Schauspielerin in die Rolle der Kristine Barnett. Einer Frau, die in den USA zu einer umstrittenen TV-Persönlichkeit wurde und sich im Spannungsfeld zwischen Wahrheit und Lüge bewegte. «Ich habe mich weniger auf den realen Menschen konzentriert als vielmehr auf unsere eigene Interpretation der Figur», sagt Ellen Pompeo zu Blick. «Denn niemand weiss wirklich, was passiert ist. Keiner war dabei. Und jeder Beteiligte hat seine eigene Version der Geschehnisse.»

«Good American Family» basiert lose auf der kontroversen Geschichte rund um Natalia Grace (Imogen Faith Reid), einer in der Ukraine geborenen Waisen mit Kleinwuchs, die 2010 von der US-amerikanischen Familie Barnett adoptiert wurde. Die Barnetts behaupteten später, Natalia sei eine erwachsene Frau, die sich als Kind ausgebe, was zu einem komplexen und viel beachteten Rechtsstreit führte. Im Zentrum der Geschichte steht die Adoptivmutter Kristine Barnett, gespielt von Ellen Pompeo. Eine Rolle, die sie besonders herausgefordert habe, sagt die Schauspielerin. «Ihre Art, sich zu bewegen, ihr Dialekt, ihr Blick und ihre Körperlichkeit. Dazu all der Ärger, die Wut, die Verweigerung. Es war eine Menge los bei dieser Figur, was für eine Schauspielerin eine tolle Herausforderung ist, aber natürlich macht das auch grossen Druck, und es kann viel schiefgehen.» Aufgrund der monatelangen Streiks in Hollywood hatte die 55-Jährige genügend Zeit, die Figur zu entwickeln. «Ich habe mich intensiv mit Dialekt-Coach, Schauspiel-Coach, Maske und Kostüm auf die Rolle vorbereitet – eine Arbeit, die sich ausgezahlt hat.»

Ein Fall zwischen Wahrheit und Lüge

Der Fall Natalia Grace dreht sich um ein in der Ukraine geborene Waise. Sie wurde mit Kleinwuchs geboren und im Jahr 2010 als Siebenjährige vom US-Ehepaar Michael und Kristine Barnett adoptiert. Schon bald zweifelten die Barnetts Natalias Alter an. Sie befürchteten, dass die vermeintlich erwachsene Frau eine Soziopathin ist, liessen ihr Alter gerichtlich ändern und setzten das Mädchen aus. Es folgte ein Rechtsstreit um Kindeswohlgefährdung. DNA-Tests bestätigten Jahre später das ursprüngliche Alter von Natalia Grace. Der Fall erregte durch Dokumentationen grosse mediale Aufmerksamkeit.

Natalia Grace ist eine in der Ukraine geborene Waise. Sie wurde mit Kleinwuchs geboren und im Jahr 2010 als Siebenjährige vom US-Ehepaar Michael und Kristine Barnett adoptiert.
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Der Fall Natalia Grace dreht sich um ein in der Ukraine geborene Waise. Sie wurde mit Kleinwuchs geboren und im Jahr 2010 als Siebenjährige vom US-Ehepaar Michael und Kristine Barnett adoptiert. Schon bald zweifelten die Barnetts Natalias Alter an. Sie befürchteten, dass die vermeintlich erwachsene Frau eine Soziopathin ist, liessen ihr Alter gerichtlich ändern und setzten das Mädchen aus. Es folgte ein Rechtsstreit um Kindeswohlgefährdung. DNA-Tests bestätigten Jahre später das ursprüngliche Alter von Natalia Grace. Der Fall erregte durch Dokumentationen grosse mediale Aufmerksamkeit.

Befreiung von Meredith Grey

Nach 20 Jahren «Grey’s Anatomy» ist Pompeos neue Rolle nicht nur eine Rückkehr auf den Bildschirm, sondern auch ein künstlerischer Befreiungsschlag. «Meredith kommt in meinen Gedanken überhaupt nicht mehr vor», sagt Pompeo über ihre bisher berühmteste Rolle Meredith Grey. «Meine Kleidung, meine Frisur, meine Worte – all das ist das Gegenteil von Meredith. Wenn manche dennoch Meredith sehen wollen, kann ich das nicht kontrollieren. Ich kann aber mein Bestes geben, hart arbeiten und die Leute unterhalten. Ich weiss, wie man das macht.»

Pompeo, die auch als Produzentin an «Good American Family» beteiligt ist, will mit ihrer neuen Serie auch den gesellschaftlichen Diskurs über Vorurteile, Macht und die Grauzonen von Moral anstossen: «Ich hoffe, dass wir uns durch solche Geschichten ein Stück zurücknehmen und nachdenken, bevor wir vorschnell urteilen. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir andere Menschen sehen – besonders solche, die anders sind als wir. Es gibt so viele Vorurteile über Menschen und so viele Menschen, die unter dem Deckmantel der Religion erklären, was ihrer Meinung nach nicht in Ordnung ist.»

«Macht keinen Sinn, andere zu verurteilen»

Gerade in einem von Polarisierung geprägten Amerika erinnere uns die Serie daran, wie gefährlich es sei, wenn persönliche Überzeugungen als absolute Wahrheiten verkauft würden. «Das ist das, was wir aktuell in der US-Politik sehen: Schlechte Menschen tun schlechte Dinge – und rechtfertigen diese mit dem Gefühl, selbst Opfer zu sein», so Pompeo. «Diese feine Linie zwischen Opfer und Täter ist unglaublich spannend – aber leider auch sehr präsent in unserer Welt.» In Zeiten, in denen «alternative Fakten» und religiöse Rhetorik als Rechtfertigung dienen, moralisch fragwürdige Entscheide zu treffen, müsse man umso kritischer hinterfragen. «Unter dem Deckmantel von Religion sagen Menschen, dass dies oder das ‹nicht okay› sei. Aber wer sind diese Menschen, um das zu beurteilen?», fragt Pompeo. «Wenn wir wirklich glauben, dass alle Kinder Gottes sind, dann macht es keinen Sinn, andere zu verurteilen, nur weil sie anders lieben, denken oder aussehen.»

Kein Zweifel. In ihrer neuen Rolle als Kristine Barnett beweist Ellen Pompeo, dass sie weit mehr ist als Meredith Grey. Und «Good American Family» ist weit mehr als nur ein weiteres True-Crime-Drama – es ist ein moralischer Spiegel einer Gesellschaft, die sich irgendwo in den Grauzonen zwischen Wahrheit und Lüge bewegt.

«Good American Family» ist ab 9. April 2025 auf Disney+ abrufbar. 

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