Der neue SRF-Unterhaltungschef Reto Peritz im ersten Interview
«Niemand hat mir einen Ponyhof versprochen»

Der neue SRF-Unterhaltungschef Reto Peritz tritt sein Amt in einer schwierigen Zeit an. Im Interview spricht er über Sparzwänge, die Castingshow «Stadt Land Talent», über seinen historischen Auftritt mit Sven Epiney und verrät, wer zu Hause das TV-Programm bestimmt.
Publiziert: 01.05.2021 um 13:24 Uhr
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Reto Peritz im offiziellen SRF-Bild als neuer Unterhaltungschef 2021.
Foto: SRF/Ueli Christoffel
Interview: Peter Padrutt und Jean-Claude Galli

Seit einem Monat ist Reto Peritz (48) im Amt – nun gibt er Blick sein erstes Interview als neuer SRF-Unterhaltungschef.

Das Schweizer Fernsehen muss sparen, auch in der Unterhaltung. Ist es Fluch oder Segen, in einer solch schwierigen Zeit Chef dieser Abteilung zu werden?
Wir sind ja nicht nur am Sparen. Wir entwickeln weiter, arbeiten an neuen Formaten, und bei den digitalen Kanälen bauen wir aus – auch in der Unterhaltung. Niemand hat mir einen Ponyhof versprochen. Mir ist bewusst, wie herausfordernd die Zeit in der Medienlandschaft ist. Solche Zeiten bieten aber auch immer Chancen, neu zu denken und neue Ansätze zu verfolgen.

Aber der Spielraum im Vergleich zu Ihren Vorgängern ist schon geringer. Mussten Sie sich die Amtsübernahme lange überlegen, und was hat schliesslich den Ausschlag dafür gegeben?
Ich durfte vor Amtsantritt die Abteilung sechs Monate ad interim führen, zuvor war ich stark in unser Transformationsprojekt SRF 2024 involviert. Dieser Weg hat mich in meiner Entscheidung unterstützt. Ich bin ein Unterhaltungskind, habe dies von der Pike auf gelernt, und für dieses Genre setze ich mich unglaublich gerne ein.

Sie standen 1996 mit Sven Epiney als «Pure Pleasure» auf der Hallenstadion-Bühne. Was hätten Sie damals jemandem geantwortet, der Ihnen prophezeit hätte, Sie würden 25 Jahre später SRF-Unterhaltungschef sein?
Das Projekt mit Sven ist aus einer verlorenen Wette entstanden und war in einer Zeit, die ich nicht missen möchte – wir haben so viel erlebt. Damals hätte ich es für unmöglich gehalten, die Unterhaltung bei SRF verantworten zu dürfen.

Würden Sie eine solche Formation heute für eine SRF-Sendung buchen? Für welche?
Die 90er sind vorbei – und die Musik hat sich weiterentwickelt. Im obigen Fall zum Glück! (lacht) Im Ernst: SRF hat sich der Nachwuchsförderung verpflichtet. Musikerinnen und Musiker sind in unseren Sendungen sehr willkommen, und wir erachten es als unseren Auftrag, ihnen wo immer möglich eine Plattform zu bieten. Im Radio, im TV und digital. Neue Talente aus verschiedenen Genres wie Musik, Tanz und Variety können beispielsweise in unserer neuen Talentshow «Stadt Land Talent», die diesen Herbst startet, ihr Können zeigen.

Apropos Musik: Eines Ihrer Steckenpferde ist der ESC. Bleiben Sie auch als Unterhaltungschef Head of Delegation? Und haben wir mit Gion's Tears wirklich Siegeschancen?
Der Eurovision Song Contest ist der grösste Musikwettbewerb der Welt. Es ist wichtig, dass Schweizer Künstlerinnen und Künstler durch SRF den Zugang dazu erhalten und wir ihnen den nötigen Support bieten können. Ich werde mir nach dieser Ausgabe im Mai überlegen, wie wir die Schweizer Delegation neu organisieren werden. Gjon's Tears ist ein Ausnahmekünstler. Wir sind stolz, dass sein Song in ganz Europa so gut ankommt. Ob es nach Luca Hänni wieder für einen Top 5 Platz reicht, werden wir sehen. Die Zeichen stehen aber gut für eine tolle Platzierung.

Es fällt auf, dass der Samstagabend – früher die Königsdisziplin – heute mit Spin-offs anderer SRF-Sendungen wie «1 gegen 100» und «SRF bi de Lüt» oder Spielfilmen gefüllt wird. Werden Sie hier eine eigene Handschrift und wieder fixere Strukturen reinbringen?
Am Samstagabend gilt es noch immer, generationenübergreifend viele Menschen zu erreichen. Mit der Strategie einer abwechslungsreichen Programmierung schaffen wir dies hervorragend. Seien es klassische Showformate, die weiterhin einen Platz darin finden, wie auch Factual Entertainment, Comedy, Quiz, Spielabende oder Co-Produktionen.

Welche drei ausländischen Unterhaltungsformate gefallen Ihnen?
Mir gefällt ausserordentlich «Last Week Tonight» mit John Oliver, das US-Satireformat, welches mit einen Emmy für Outstanding Writing mehrfach gekrönt wurde. Das schwedische «Melodiefestivalen» zeigt ausgezeichnet, wie ein Musikformat ein ganzes Land begeistern kann. Und «Taratata» aus Frankreich zeigt eindrücklich, wie in ungewöhnlichen Konstellationen Künstlerinnen und Künstler auftreten und auch Coverversionen verschiedenster Titel spielen.

Und bei welchen schalten Sie sofort um?
Ach, hauptsächlich bei der 27. Staffel eines durchgenudelten Lizenzformats muss ich nicht mehr dabei sein.

Was schauen Sie sich zusammen mit Ihrer Tochter an? Etwa heimlich auch den «Bachelor»?
Meine Tochter bestimmt zwar häufig das TV-Programm, aber noch mehr ist sie auf den digitalen Kanälen unterwegs. TikTok ist bei ihr hoch im Kurs.

Das unrühmliche Ende von «DSDS» zeigte wieder einmal, dass die grosse Zeit der Castingshows wohl vorbei ist. Warum kommen Sie im Herbst jetzt trotzdem mit «Stadt Land Talent»?
«DSDS» hatte ganz andere massive Probleme, dazu äussere ich mich nicht. Castingshows gibt es schon beinahe so lange, wie es Fernsehen gibt, und sind eine Erfindung von öffentlich-rechtlichen Sendern. Aber sie müssen sich am Zeitgeist orientieren und sich stetig entwickeln – wie beispielsweise auch die fiktionalen Formate. Im Moment zeigt der Trend zum Beispiel klar zu Multi-Talentshow und weg von Single-Talentshows. Deshalb setzen wir bei «Stadt Land Talent» auf eine sehr breite Talentpalette.

Nach der No-Billag-Abstimmung hiess es, das SRF werde nie mehr auf Casting-Sendungen setzen. Wird Ihr Arbeitgeber nun also wortbrüchig gegenüber den Gebührenzahlern?
Wir wollen uns klar von kommerziellen Anbietern unterscheiden. Deshalb kommen internationale Massen-Lizenzformate wie «The Voice» oder «Got Talent» bei uns nicht mehr ins Programm. Das war damit gemeint. Neuen kreativen Formen von eigenentwickelten Talentformaten steht aber nichts im Weg.

Ist die Zeit der Showtreppen und dreistündigen Live-Sendungen mit Gästen und Publikum grundsätzlich passé?
Die Unterhaltung ist mehr als Shows am Samstagabend. Quiz, Comedy, Volkskultur, Factual Entertainment und immer mehr digitale Angebote. Aber natürlich, die Shows bleiben ein wichtiger Bestandteil und verändern sich dauernd, und das ist gut so. Wenn man heute «Teleboy» oder «Tell Star» aus dem Archiv holt, sieht man, wie sich die Unterhaltung weiterentwickelt hat. Stillstand würde mich eher beunruhigen und würden unsere Zuschauerinnen und Zuschauer auch nicht goutieren.

Reto Peritz: Mann mit Ringier-Vergangenheit

Reto Peritz war von 1991 bis 1998 Moderator und Redaktor bei Radio 24 und Tele 24, anschliessend Freelancer für Ringier TV, Endemol, SWISS und SRF. Seit 2008 ist er bei SRF in der Unterhaltung und für diverse abteilungsübergreifende Projekte wie «Jeder Rappen zählt» tätig. 2016 erlangte er einen Master in Management and Leadership an der ZHAW, seit 2019 ist er Mitglied im Projektteam «SRF 2024». Ende März wurde er vom SRG-Verwaltungsrat zum neuen Abteilungsleiter Unterhaltung und in die SRF-Geschäftsleitung gewählt. Peritz lebt mit seiner 14-jährigen Tochter in der Nähe von Zürich.

Reto Peritz war von 1991 bis 1998 Moderator und Redaktor bei Radio 24 und Tele 24, anschliessend Freelancer für Ringier TV, Endemol, SWISS und SRF. Seit 2008 ist er bei SRF in der Unterhaltung und für diverse abteilungsübergreifende Projekte wie «Jeder Rappen zählt» tätig. 2016 erlangte er einen Master in Management and Leadership an der ZHAW, seit 2019 ist er Mitglied im Projektteam «SRF 2024». Ende März wurde er vom SRG-Verwaltungsrat zum neuen Abteilungsleiter Unterhaltung und in die SRF-Geschäftsleitung gewählt. Peritz lebt mit seiner 14-jährigen Tochter in der Nähe von Zürich.

Nächste SRF-Unterhaltungsshow: «Happy Day», SRF 1, 1. Mai, 20.10 Uhr.

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