Corinna Glaus und Nora Leibundgut
Die Star-Macherinnen

Die beiden Castingdirektorinnen erklären uns, warum ihre Arbeit für die grössten Schweizer Filmproduktionen essenziell ist, was einen Schauspieler zum Filmstar macht und weshalb sie sich einen Oscar für Caster wünschen.
Publiziert: 28.01.2024 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2024 um 13:17 Uhr
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Machen Schweizer Filmstars: die beiden Zürcher Castingdirektorinnen Corinna Glaus (l.) und Nora Leibundgut.
Foto: Thomas Meier
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Patricia BroderRedaktorin People

Damit ein Kinohit das Publikum fesselt, braucht es die richtigen Schauspielerinnen und Schauspieler. Dafür sorgt in der Schweiz die Castingdirektorin Corinna Glaus (67). Die Zürcherin hat in den letzten drei Jahrzehnten unzählige Schweizer Kinohits wie «Herbstzeitlosen», «Heidi», «Platzspitzbaby» und «Die göttliche Ordnung» besetzt und einige der grössten Schweizer Kinostars entdeckt.

«Das Schöne an meinem Job ist, dass ich Coach, Anwältin, Freundin und Vertrauensperson in einem bin», sagt Glaus zu Blick. Die studierte Ethnologin und Theaterregisseurin arbeitet in ihrem eigenen Büro im Zürcher Kreis 7, das sie seit 2022 mit ihrer Geschäftspartnerin Nora Leibundgut (41) führt. «Beim Casting erwecken wir die Figuren zum Leben, die zunächst nur in der Fantasie von Drehbuchautoren und Filmemachern existieren», erklärt Leibundgut. «Wir sind quasi die Vermittlerinnen zwischen Regie und Schauspieler.»

Glaus gibt ihr Lebenswerk an Geschäftspartnerin ab

2024 ist ein wichtiges Jahr für die beiden Castingdirektorinnen. Corinna Glaus tritt nach 30 Jahren langsam in den Hintergrund und übergibt ihr Lebenswerk Schritt für Schritt ihrer Geschäftspartnerin, mit der sie seit zehn Jahren eng zusammenarbeitet. «Ich werde noch ein, zwei Projekte betreuen, die meisten übernimmt aber Nora», sagt Glaus. «Sie ist eine starke Persönlichkeit und eine sehr gute Casterin. Es erfüllt mich mit Stolz, meine Arbeit einer so passenden Nachfolgerin übergeben zu dürfen.» Sie hätte sich «keine bessere Mentorin» wünschen können, entgegnet Leibundgut. «Es braucht aber Zeit, diese grossen Fussstapfen auszufüllen.»

Dass sich Corinna Glaus als Casterin in der Schweizer Filmszene einen Namen gemacht hat, sei ihrem unermüdlichen Arbeitseifer und ihrer Leidenschaft für das Metier zu verdanken, ist ihre Nachfolgerin überzeugt. «Corinna versucht, immer die richtige Besetzung für einen Film zu finden – auch unter den schwierigsten Bedingungen. Sie gibt nicht auf.» Bis zu 50 Bewerbungen landen täglich auf dem Pult der beiden Frauen. Dennoch können sie jährlich nur an die 20 Haupt- und 100 Nebenrollen besetzen. «Die Arbeit mit Regie und Produktion basiert auf einem Vertrauensverhältnis. Sie sind darauf angewiesen, dass wir die passenden Darstellerinnen und Darsteller finden», so Glaus. Den Filmemachern sei es schlicht nicht möglich, die Fülle an Schauspielerinnen und Jungtalenten in der Filmszene zu überblicken. «Das ist unsere Aufgabe. Wir kennen alle Darstellerinnen und machen uns auch aktiv auf die Suche nach neuen Talenten», erklärt Glaus, die mit Leibundgut letztes Jahr das eigene Nachwuchsförderprogramm «Jung & Gut» ins Leben gerufen hat.

Glaus entdeckte Carol Schuler und Joel Basman

Junge Schauspielerinnen und Schauspieler zu unterstützen, war Glaus schon immer ein grosses Anliegen. Im Verlauf ihrer Karriere entdeckte sie unzählige Schweizer Film- und Fernsehstars. «Ich weiss noch, wie ich die heutige ‹Tatort›-Kommissarin Carol Schuler als Elfjährige für den Fernsehfilm ‹Lieber Brad› gecastet habe. Carol kam rein, erzählte, dass sie auch Sängerin sei. Dann hat sie mit ihrer unglaublichen Stimme angefangen zu singen – es hat fast den Raum gesprengt», erzählt Glaus und lacht. Luna Wedler (24), Max Hubacher (30) und Marie Leuenberger (44) gehören ebenfalls zu den Talenten, die sie entdeckt hat. Auch Joel Basman (34) brachte sie zum Film. «Joel hat mir als 13-Jähriger im Casting erklärt: ‹Ich will nach Hollywood!› Da wusste ich: Wow, der hat Durchsetzungskraft und Power.» Um bekannt zu werden, brauche es aber noch mehr, so die Expertin. «Du musst neben Strahlkraft und Präsenz auch die Fähigkeit haben, deine Persönlichkeit zugunsten der Rolle zurückzunehmen und sie ganz in den Dienst des Regisseurs oder der Regisseurin zu stellen.»

Ihren Durchbruch als Castingdirektorin hatte Corinna Glaus 2003, als sie für die Schweizer Erfolgskomödie «Achtung, fertig, Charlie!» ein derart gutes Händchen in der Auswahl der Besetzung hatte, dass sie dafür mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet wurde. «Das ehrte mich sehr. Denn im Castingbereich gibt es national wie international kaum Auszeichnungen – nicht einmal bei den Oscars», sagt die 67-Jährige, die seit 2017 eine der wenigen Schweizer Filmschaffenden ist, die Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences sind. Das heisst, sie bestimmt jedes Jahr mit, wer eine der begehrten Oscars mit nach Hause nehmen darf. «Es ist schon paradox, dass ich jedes Jahr bei dieser wichtigen Auszeichnung mitbestimmen darf, wir Casterinnen aber immer noch tagtäglich um angemessene Entlöhnung und Anerkennung unseres Berufs kämpfen müssen. Dafür kämpfen müssen, dass wir im Filmabspann genannt werden. Dabei ist Casting einer der ältesten Berufe Hollywoods. Den gab es bereits zu Stummfilmzeiten.»

Auf das Kinojahr 2024 freuen sich Corinna Glaus und Nora Leibundgut. «Der Schweizer Film hat einen vielversprechenden Nachwuchs, und die Grenzen öffnen sich zusehends», so Leibundgut. «Auch Hollywood streckt die Fühler immer mehr nach Europa und Asien aus und will künftig internationaler produzieren», ergänzt Glaus. Für die Schweiz bedeute dies, dass sie sich auch immer mehr bei internationalen Produktionen anhängen werde. «Wenn das Kino diverser wird, können wir darauf hoffen, dass auch die nach wie vor stark männerdominierte Filmbranche offener und inklusiver wird», sagt Glaus abschliessend. «Vielleicht gibt es dann auch mehr Auszeichnungen im Bereich Casting – das würde ich mir für all meine Nachfolgerinnen wünschen.»

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