«Zur Kirche und vielen Geistlichen habe ich eher ein gespaltenes Verhältnis. Sie predigen zu oft Wasser und saufen dann Wein oder bringen Elend über viele Menschen. Anders bei Pfarrer Ernst Sieber. Er war der Oberhirte vom Chef. Vom ersten Augenblick an gab er mir das Gefühl eines Seelsorgers mit grossem Herzen, immenser Strahlkraft und vertiefter Bibelkenntnis. Das Schöne daran: Da kamen nicht nur Worte, sondern viele Taten.
Ich erlebte ihn mit seinen Pfuusbus-Aktionen an diversen Weihnachten, wo er den Ärmsten, den Drogensüchtigen, den Randständigen, den Verlassenen und den gefallenen Engeln Halt gab. Er pflegte die Kultur des Mutmachens, der Empathie und der Liebe – und zwar live, von Angesicht zu Angesicht, nicht von der Kanzel herab. Er nahm die Menschen so, wie sie waren. Die Kraft des Dienens war sein Credo. In seinen Armen war es immer herrlich warm. Dazu gab es stets viel zu lachen. Dieser Pfarrer wusste um die Medizin des Humors. Er wusste auch, dass man den Hungrigen nicht nur Fische geben sollte, sondern eine Angelrute, damit sie wieder auf die Beine kommen.
Zu einem Mal-Atelierbesuch bei ihm kam es leider nicht mehr. Dafür schenkte mir der Pfarrer eine persönlich eingebundene Bibel mit einer herzlichen Widmung. Ich solle immer wieder darin lesen, meinte er mit einem Leuchten in den Augen. Seither liegt sie auf meinem Nachttisch, und wenn ich darin lese, dann denke ich immer auch an Ernst. Er hat das Wort Gottes so gelebt, wie es gemeint ist. Tausend Dank, Pfarrer, für alles. Wir werden dich nie vergessen. Jetzt hat Gott seinen Lieblingshirten im Himmel.»