Vier Jahre ist es her, seit Anna Rossinelli (36) ihr letztes Album veröffentlichte. Seither hat sich im Leben der Frontfrau der nach ihr benannten Band viel getan: Die Musikerin hat nicht nur in der SRF-Serie «Tschugger» ihr Schauspiel-Debüt gegeben, sie ist auch Mutter einer Tochter geworden. «Ich habe etwa eine Stunde Zeit», sagt sie beim Interviewtermin mit Blick in Zürich. «Danach muss ich nach Basel fahren, um meine Kleine abzuholen.»
Blick: Anna Rossinelli, haben Sie sich das Mama-Sein genau so vorgestellt?
Anna Rossinelli: Ich wusste, dass sich mein Leben grundlegend verändern würde. Ich habe ja schon bei meinen Bandkollegen gesehen, wie es ist mit Kindern. Also kann ich nicht sagen, es sei leichter oder schwerer als gedacht. Meine Tochter macht wunderbar mit, schläft gut durch und ist pflegeleicht. Trotzdem ist es sehr anstrengend.
Inwiefern?
Muttersein heisst organisieren. Mittlerweile sind Konzerte für mich wie «Ausgang», weil da mein Partner zur Kleinen schaut und ich nicht zu einer bestimmten Zeit nach Hause gehen muss. Bei Bandproben ist das anders. Da sind wir effizienter geworden, wissen alle, wie viel Zeit uns zur Verfügung steht und nutzen diese aus. Ein spontanes Feierabendbier liegt heute nicht mehr so drin, wie früher.
Ihr neues Album heisst «Mother». Dies allerdings nicht wegen Ihrer neuen Lebenssituation.
Natürlich passt es gerade thematisch zu meiner Lage. Aber der Begriff hat viele Facetten: Neubeginn – wir kehren musikalisch wieder zu unseren Anfängen zurück – und die Würdigung meiner Mutter und der Frau selbst. Das sind mir wichtige Punkte.
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Auf dem Werk besprechen sie viele persönliche Themen. Ein Song ist Ihrer Mama gewidmet, Sie singen aber im Lied «Daddy isn't Home» auch über den Tod Ihres Vaters, als sie sechs Jahre alt waren. Wie schwer ist es für Sie, über solche privaten Themen zu singen?
Es ist einfacher, als darüber zu reden. Ich finde es wichtig, solche Dinge zu thematisieren und auch mal über den Tod zu sprechen. Natürlich ist es kein schönes Thema, aber es gehört zum Leben dazu. Ich habe früher auch an Beerdigungen gesungen. Das war eine spannende Erfahrung: Auch wenn ich die Person meistens nicht kannte, war es immer sehr emotional. Und es zeigt, welche Kraft Musik hat. Und zwar in allen Lebenslagen.
Im Titel «Daddy isn't Home» singen Sie «They told me a lie». Welche Lüge wurde Ihnen erzählt?
Mir wurde in dem Sinne keine Lüge erzählt, aber meine Mutter wollte mich damals schützen. Er war krank, meine Mutter später alleinerziehend und gestresst und ich hatte viele Fragen. Meine Familie wollte mir aber nicht zu viel seelischen Stress zumuten, sondern eine heile Welt erschaffen. Das ist für mich rückblickend gesehen total verständlich.
Über Ihr Privatleben halten Sie sich eher bedeckt. Wieso?
Finden Sie? Ich finde, ich bin recht offen.
Beispielsweise ist der Name Ihrer Tochter nicht bekannt.
Ich bin nicht jemand, der sein Privatleben ins Rampenlicht zerrt. Als ich noch mit meinem Bandkollegen Georg ein Paar war, wurden wir viel abgelichtet. Heute steht mein Partner nicht in der Öffentlichkeit und das ist für ihn auch okay. Ich will keine Bilder mit ihm oder von meiner Tochter ins Internet stellen – um sie auch ein Stück weit zu schützen.
Neuland betraten Sie mit «Tschugger». Sie gaben in der SRF-Krimiparodie im Jahr 2021 ihr Schauspieldebüt.
Das entstand während der Corona-Pandemie. Ich hatte mit der Band nichts zu tun und wurde angefragt. Am Ende ging ich ins Casting und bekam die Rolle. Ich war so froh: Mir fiel zu Hause die Decke auf den Kopf, weil wir keine Konzerte spielen konnten. Und da war meine neue Herausforderung.
Anna Rossinelli machte mit ihren Bandkollegen Manuel Meisel (40) und Georg Dillier (41) Strassenmusik, bevor sie durch ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest 2011 schweizweit bekannt wurde. Es folgten Engagements in «The Voice of Switzerland» und «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert», seit 2021 ist sie in «Tschugger» auch als Schauspielerin zu sehen. Zwölf Jahre war sie mit Bassist Dillier ein Paar, 2015 trennten sie sich. Seit über sechs Jahren ist sie mit dem Architekten Francesco Caciotta liiert, im März kam das gemeinsame Kind zur Welt.
Anna Rossinelli machte mit ihren Bandkollegen Manuel Meisel (40) und Georg Dillier (41) Strassenmusik, bevor sie durch ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest 2011 schweizweit bekannt wurde. Es folgten Engagements in «The Voice of Switzerland» und «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert», seit 2021 ist sie in «Tschugger» auch als Schauspielerin zu sehen. Zwölf Jahre war sie mit Bassist Dillier ein Paar, 2015 trennten sie sich. Seit über sechs Jahren ist sie mit dem Architekten Francesco Caciotta liiert, im März kam das gemeinsame Kind zur Welt.
Sie spielen in der Serie die Fedpol-Polizistin Annette Brotz. Wie hat sich Ihre Sicht auf die Polizei verändert?
Nicht gross. Polizistin ist bis heute der letzte Beruf, den ich wählen würde. Ich habe zwar nichts gegen die Polizei, aber es ist auch keine Liebe.
Als Sie als Strassenmusikerin unterwegs waren, kamen sie bestimmt mit ihnen in Kontakt.
Auch einmal, als ich mit dem Velo ohne Licht gefahren bin. Manchmal war es total locker, manchmal regte mich die Polizei schon auf. Die Willkür nervt mich: Wenn ich eine Ungleichbehandlung, beispielsweise aufgrund der Hautfarbe, bei Kontrollen im Zug oder auf der Strasse sehe. Das finde ich nicht okay und hoffe, dass sich da etwas tut. Genauso wie beim Frauenstreik.
Waren Sie dort vor Ort?
Ja. Dieses Thema liegt mir seit Jahren am Herzen. In diesem Jahr habe ich überhaupt nicht verstanden, wieso dort mit grossen Wasserwerfern aufgefahren worden ist. Man hat gefühlt stärkeres Geschütz ausgefahren als bei Fussballspielen. Wir wurden behandelt wie Schwerverbrecher, da hatte ich grosse Mühe. Nichtsdestotrotz: Ich war auch schon froh um die Präsenz der Polizei.
Bezüglich Festivals sind Frauen noch immer untervertreten. Wie sehen Sie dieses Thema?
Ich spreche da immer offen darüber. Es gibt sehr viel Luft nach oben. Aber natürlich will ich nicht nur als Quotenfrau gebucht werden. Der richtige Schritt ist, dass wir überhaupt über diese Sache sprechen. Vor einigen Jahren hätte dieses Thema niemanden interessiert.