125. Geburtstag des Volksschauspielers
Wie Schauspiel-Legende Schaggi Streuli das Land prägte

Am 4. Juli 1899 wurde Schaggi Streuli geboren. Aus einfachsten Verhältnissen stammend, kämpfte sich der Autodidakt mit Fleiss und Stehvermögen an die Spitze der Schweizer Unterhaltungsszene. Auch nach seinen grossen Erfolgen blieb der Schauspieler ungemein populär.
Publiziert: 04.07.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2024 um 11:22 Uhr
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Schaggi Streuli als Polizist Gottfried Wäckerli in «Polizischt Wäckerli» von Kurt Früh aus dem Jahre 1955, basierend auf der Hörspielreihe von Schaggi Streuli.
Foto: SRF
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Jean-Claude GalliRedaktor People

«Polizischt Wäckerli» war die Paraderolle des Schweizer Volksschauspielers Schaggi Streuli, der heute vor 125 Jahren, am 4. Juli 1899, in Bauma ZH geboren wurde. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms waren die Strassen ähnlich leer wie heute bei wichtigen Fussballspielen. Streuli schrieb die 16-teilige Hörspielreihe von 1949/50 auf Radio Beromünster und war gleichzeitig deren Hauptdarsteller. 1955 erschien der noch erfolgreichere Film, den SRF am kommenden Samstag in einer digital überarbeiteten und restaurierten Fassung zeigt (SRF 1, 14.15 Uhr). 

Hörspiele waren ein gesellschaftlicher Höhepunkt dieser Jahre. Und Wäckerli traf als strenger, aber gerechter Dorfpolizist einen Nerv. Die Fanpost für Streuli traf korbweise ein, Ansehen und Ehrfurcht stiegen rasant. Wollten die Kinder nicht gehorchen, drohten ihnen Familienväter in diesen Jahren damit, «den Wäckerli zu holen».

Für Streuli ging ein Traum in Erfüllung, wurde ein Leben in etwas Grosses verwandelt, das klein und elend begonnen hatte. Zur Welt kam er 1899 als Emil Kägi. «Ich hatte meinen Namen nicht gern. Emil schon gar nicht», sagte er später. Der Grund war sein alkoholkranker Stiefvater. 1905 zog seine Mutter mit sechs Kindern nach Höngg. Als sein künstlerischer Aufstieg begann, wählte er den Namen Jakob Streuli, aus dem Vornamen entstand die Mundart-Kurzform «Schaggi».

Der Autodidakt dreht voll auf

Streuli machte eine KV-Lehre und arbeitete als Buchhalter. Daneben schrieb er Theaterstücke. Sein Ziel: Dereinst von der Schauspielerei leben zu können. Gleichzeitig musste er Tiefschläge überwinden. 1928 eröffnete er im Tessin ein Grotto, das nach einem Jahr pleite ging. Wieder in Zürich hielt er sich mit einer Ausläufer-Stelle über Wasser. Nach dem frühen Tod des gemeinsamen Kindes trennte er sich 1933 von seiner ersten Frau. 1939 heiratete er zum zweiten Mal. 

Streuli war Autodidakt. Sein Talent konnte er sich selber nicht erklären. Seine Stärken waren Dialekt und Dialog. «Ich schrieb ‹laut› und sprach mir die Sätze vor, um zu hören, ob sie für mich richtig klangen.»

Er hatte einen Bekannten beim Turnverein, der bei der Polizei war, einen Schwinger und Kranzturner, «mein eigentliches Vorbild». «Der hatte das Herz am rechten Fleck und sagte mir zu seiner Arbeit, man müsse auch einmal wegschauen können.» Von ihm kannte Streuli die Details für seine Hörspiele.

Film löst Hörspiel ab

Erstmals auf einer richtigen Bühne stand Streuli 1936 im Zürcher Corso-Theater. Sein Kinodebüt folgte 1938 in «Füsilier Wipf». Als er mit den Wäckerli-Hörspielen Erfolg hatte, war er bereits ein bekanntes Gesicht, auch dank Auftritten mit den Cabaret-Gruppen Cornichon und Fédéral.

Die Filmfassung von «Polizischt Wäckerli» machte Streuli 1955 endgültig zum Star und lancierte die Regie-Karriere von Kurt Früh (1915–1979). Das Duo doppelte 1956 mit «Oberstadtgass» nach, erneut auf einem Streuli-Hörspiel basierend. 1957 folgte «Taxichauffeur Bänz». Der Film war mässig erfolgreich, Streuli wurde als unbeweglich kritisiert.

«Zum goldenen Ochsen» markierte 1958 das Ende von Streulis Aufstieg. Mundartstücke waren weniger gefragt. Streulis Erzählweise galt als veraltet. Die Verklärung des Landlebens und gleichzeitige Verteufelung der Stadt wirkten antiquiert.

Streulis Abschied

Streuli verlor den Anschluss, zog sich zurück und übernahm bei Wila ZH einen kleinen Bauernhof. Ein Film-Comeback als Wäckerli misslang 1966, seiner Beliebtheit im Volk schadete dies nicht. Er genoss den Ruhm in bescheidener Art. «Man ist doch auch ein wenig eitel. Es ist schön, wenn einem die Leute anlächeln und Komplimente machen», sagt er.

Politisch blieb er vage, obschon es Versuche von links wie rechts gab, ihn zu vereinnahmen. «Ich glaube nur an die Natur. Die ist schön, aber grausam», antwortete er ausweichend. «Es gibt nur schlechte Menschen, schlechte Tiere gibt es nicht», so der grosse Hundefreund.

In den 1960er- und 1970er-Jahren tourte er mit seinem Theaterensemble und volkstümlichen Stücken durchs Land. Seine letzte Filmrolle hatte er 1975 in «De Grotzepuur» von Mark M. Rissi (78). Streuli starb nach kurzer Krankheit am 3. November 1980 im Spital von Bauma. Der Kreis schloss sich.


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