Auf einen Blick
- Meghan und ihre Netflix-Serie lösen Hate-Watching aus
- Kritik an Luxus-Lifestyle der Herzogin und Vorwürfe des Narzissmus
- Hate-Watching stärkt das Gefühl der Gruppenidentität
Ganz ehrlich. Herzogin Meghan (43) könnte einen Hundewelpen aus den Fluten retten und sie würde dafür kritisiert werden, dass sie dabei eine 24'000 Franken teure Cartier-Uhr trägt. Was die Schwiegertochter des britischen Königs Charles III. (76), sagt, tut, macht oder unterlässt, wird in sämtliche Details zerpflückt, zertreten und gehasst.
Seit dem 4. März ist auf Netflix ihre achtteilige Lifestyle-Serie «With Love, Meghan» abrufbar – am Freitag hat der Streaminganbieter bekannt gegeben, dass die Serie für eine 2. Staffel verlängert worden ist. In einem gemieteten Luxus-Anwesen brät die Ex-US-Schauspielerin Speck, bläst Ballone auf und macht Eiswürfel mit essbaren Blümchen. Für viele zu viel des Guten. Der britische «Telegraph» schreibt: «Eine Zurschaustellung von Narzissmus», «The Times», wirft ihr vor, sie würde ihren «extremen Reichtum und exklusiven Lebensstil» präsentieren, «als ob dieser für jedermann zugänglich wäre». Die «Daily Mail» berechnet ihre Luxus-Outfits und kommt dabei auf eine Gesamtsumme von 156'208 Euro.
Meghan triggert in heller Kleidung beim Kochen
Dass die Herzogin in heller Kleidung unter anderem Spaghetti mit Tomaten kocht, ohne sich dabei zu bekleckern, scheint viele zu triggern. Man muss die Gattin von Prinz Harry (40) nicht mögen. Man kann sich in Erinnerung halten, dass sie der britischen Königsfamilie öffentlich Rassismus vorwarf und mit Harry vor fünf Jahren der Krone den Rücken kehrte, weil sie unter dem Druck, der auf ihr als neues Mitglied der Royals, fast zusammenbrach.
Wir können «With Love, Meghan», eine Mischung aus «Das perfekte Dinner» und «Sesamstrasse», mögen oder nicht. Uns während ihrer harmlosen Koch- und Bastelserie entspannen oder aufregen. Die Herzogin löst mit ihrer Sendung einen Boom aus, der sich Hate-Watching nennt, zu Deutsch: hasserfülltes Schauen. Man schaut etwas, weil man es ablehnt.
Pamina Syed Ali (28), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich, erklärt: «Hate-Watching bietet für viele Menschen eine Möglichkeit zur sozialen Identifikation. Wer sich über Meghan Markle lustig macht, signalisiert nach aussen eine klare Haltung – sei es als vermeintlich intelligenter, moralisch überlegener oder geschmackssicherer Zuschauer.»
Dazu kämen Mechanismen der Gruppenbildung. «Gemeinsames Lästern oder Hassen stärkt das Wir-Gefühl in einer Community. Schadenfreude spielt ebenfalls eine Rolle – in der Medienpsychologie spricht man davon, dass Menschen es geniessen, wenn vermeintlich überlegene Personen in eine peinliche oder angreifbare Situation geraten», so Syed Ali.
Hate-Watching gegenüber Herzogin Meghan sei auch ein Spiegel gesellschaftlicher Vorurteile, so Syed Ali. «Als schwarze Frau in einer privilegierten Position erfüllt sie nicht die traditionellen Erwartungen an Weiblichkeit und Anpassung, was bei vielen zu Unbehagen führt. Dieser Mechanismus zeigt sich besonders in Online-Debatten, wo die Kritik an Meghan oft in rassistische und frauenfeindliche Narrative eingebettet ist.»
Wut ist zu einer neuen Währung geworden
Ferris Bühler (48), PR- und Medien-Experte, fasst den Boom, den Meghan befeuert, zusammen. «Wie Junkfood für unsere Seele – wir wissen, dass es nicht gesund ist, aber können einfach nicht aufhören, uns über sie aufzuregen. Wut ist zu einer neuen Währung geworden. Meghan zu hassen, wird zum Lifestyle», sagt er und ergänzt: «Soziale Medien und Streamingplattformen leben von Aufmerksamkeit, und nichts hält Menschen mehr bei der Stange als Inhalte, die sie aufregen», so Bühler. Dabei verstärken Algorithmen diesen Effekt: Je mehr negative Reaktionen, desto mehr Sichtbarkeit. «Wer Meghan nicht mag, klickt trotzdem auf Beiträge über sie und sorgt damit genau für den Erfolg, den ihre Kritiker ihr nicht gönnen.»
Der Buchautor und Historiker Leonhard Horowski (53) meint: «Seit einigen Jahren sind die politischen und gesellschaftlichen Umstände insgesamt so dramatisch und beunruhigend, dass Meghans Selbstinszenierung als Wellness-Elfe wie aus der Zeit gefallen wirkt. Wenn um uns herum die Welt brennt, erklärt eine Multimillionärin dem TV-Publikum, dass wir alle doch unsere Leben dadurch viel besser machen können, indem wir aus extrem teuren Ingredienzien Dekorationen für die nächste Dinnerparty in unserer Superreichen-Villa basteln.» Für ihn ist daher schon in das Grundkonzept der Serie eingebaut, «dass viele sie verspotten werden».
Mittlerweile gebe es einen regelrechten Markt für die Abneigung gegen Meghan, so Ferris Bühler. «Memes, Hass-Kommentare und bitterböse Reviews sorgen für Werbeeinnahmen – auf ihre Kosten. Fair ist dies gegenüber Meghan nicht. Am Schluss sagt dieses Phänomen mehr über uns aus als über die Person, die wir schauen.»