Beinahe hätte die richtige Limousine gefehlt, doch ohne «Phantom» keine Queen. Eilends lässt deshalb die Generalvertretung von Rolls-Royce in Lausanne 1980 eine dunkelrot-schwarze Edelkarosse von der Insel in die Schweiz kommen.
Denn die Vorstellung, die britische Königin müsse in einem deutschen Auto Platz nehmen, ist ein Schreckensszenario; die bundesrätlichen Mercedes-Chauffeure bekommen extra noch Fahrunterricht im Rolls-Royce.
Doch die Queen und ihr Gemahl Prinz Philip (1921–2021) rasen die über tausend Kilometer bei ihrem viertägigen Staatsbesuch vom 29. April bis 2. Mai 1980 hauptsächlich im Sonderzug durch die Schweiz.
Nachdem das Paar am Dienstag um 11.40 Uhr in Kloten ZH dem Flugzeug entsteigt, gehts in Begleitung von Bundespräsident Georges-André Chevallaz (1915–2002) gleich runter in den neuen Bahnhof unter dem Flughafen, den die Queen mit ihrer Fahrt offiziell eröffnet.
2000 Polizisten bewachen die britische Königin auf Schritt und Tritt
In Bern angekommen, fährt die Monarchin durch Strassen mit geschlossenen Fenstern. Keine Menschen winken aus den Häusern, kein geplanter Fahnenbaum mit den 3000 flatternden Gemeindewappen – der hätte den Scharfschützen auf den Dächern die Sicht genommen.
Ein Hofbeamter souffliert Königin Elizabeth II., sie solle trotzdem winken, auch wenn sie vornehmlich Polizisten zu Gesicht bekommt – 2000 an der Zahl sollen es sein, die sie auf Schritt und Tritt begleiten und bewachen.
Die Angst ist gross, die Untergrundorganisation Irish Republican Army (IRA), die die Wiedervereinigung Irlands mit dem britischen Nordirland fordert, könnte einen Terroranschlag auf das britische Oberhaupt verüben.
Das Motto der britischen Nationalhymne «God Save the Queen» (Gott beschütze die Königin) ist den Schweizern offenbar nicht genug. Und so knattert am Mittwoch bei der Fahrt durchs Berner Oberland nach Genf ein Militärhelikopter über dem Staatstross.
Die «Schweizer Illustrierte» schrieb: «Auf jedem Schachbrett ist die Königin mächtiger und freier als es die englische Queen in der Schweiz je war.» Sie ist darob «not amused» und fordert in Montreux VD, das Tempo der Karossen zu drosseln.
Denn Elizabeth II. will dem Volk endlich in die Augen schauen können. «Die meisten Zuschauer», so berichtete die «Weltwoche» allerdings, «wussten mit dem Gast selten viel anzufangen, der Applaus blieb meist eher dünn.»
Falsche Queen in der Stadt Luzern, richtige Queen auf der «Stadt Luzern»
Dick tragen dagegen Jugendliche in Basel und Zürich auf: Als die Queen am Donnerstag in der Gartenausstellung «Grün 80» ein Bäumchen pflanzt, skandieren Demonstranten: «Mitmarschiere, Queen flambiere!»
Doch die Polizei hält die Demonstranten auf Distanz, sodass die Königin nichts mitbekommt. Und in Zürich, wo ein paar Störenfriede den Staatsgast mit lauter Rockmusik von einem Hausdach beschallen wollen, stellt ihnen die Polizei kurzerhand den Strom ab.
Dafür poltert SP-Bundesrat Willi Ritschard (1918–1983) lautstark in einer Rede. Weil der gelernte Heizungsmonteur ausgerechnet am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, in Frack zum Staatsbankett in Bern erscheinen soll, platzt ihm der Kragen.
Er regt sich auf, «dass so viele Schweizer die Heftli kaufen, in denen bis zu den Unterhosen und bis zum Gloschli (Unterrock) alles beschrieben ist, was so eine Königin trägt. (…) Aber viele Leute interessiert das mehr als ihre eigene Verdauung.»
Während Ritschard der Queen fernbleiben möchte, hätte sie der umtriebige Luzerner Verkehrsdirektor Kurt H. Illi (1935–2010) gerne länger in seiner Stadt als die Viertelstunde, die sie am Freitag vom Bahnhof zum Schiffssteg braucht.
Und so wandelt Illi mit einem französischen Queen-Double durch die Altstadt, während die richtige Monarchin mit dem Dampfschiff «Stadt Luzern» bei Luzerner Chugelipastetli, Appenzeller Mostbröckli und Caramelköpfli zu ihrer letzten Station, dem Rütli, tuckert.