Blick: Weshalb trennt sich ein Paar nach mehr als 20 Jahren?
Anna von Senger: Unabhängig davon, wie lange ein Paar zusammen war, geht es darum, dass sich die Bedürfnisse zu sehr unterscheiden. Der eine Partner sucht vielleicht Nähe, der andere will mehr Autonomie. Derjenige, der Nähe und Zärtlichkeit sucht, begeht einen Seitensprung oder hat eine längere Affäre. Das ist übrigens einer der häufigsten Trennungsgründe, die Ursache war jedoch die emotionale Entbehrung. Wenn sich Paare nach 20 Jahren trennen, kann es auch sein, dass sie gewartet haben, bis die Kinder aus dem Haus sind.
Gemäss einer aktuellen Studie gehen mehr Frauen fremd als Männer. Sind es auch eher die Frauen, die sich nach einer so langen Ehe scheiden lassen?
Bei der Trennung haben Frauen meistens bereits einen längeren Leidensweg hinter sich, auf dem sie die Ehe infrage stellten, weil im Alltag etwas nicht stimmte. Männer haben oft bescheidenere Ansprüche im Alltag: Solange alles funktioniert, wird nicht viel infrage gestellt. Das erweckt vielleicht den Anschein, dass die Trennung mehr von den Frauen ausgeht.
Bei Kirsty und Ernesto Bertarelli sind drei Kinder involviert, die nun junge Erwachsene sind. Wie oft passiert es, dass Eltern merken, sich als Paar verloren zu haben?
Der Auszug der Kinder ist eine kritische Phase. Es gibt das Leeres-Nest-Syndrom: Wenn Kinder flügge werden und die Eltern nicht mehr brauchen, hat derjenige Elternteil oft Mühe, der sich vor allem auf das Grossziehen der Kinder konzentriert hat. Übertrieben gesagt erlischt der Lebenssinn mit dem Auszug der Kinder, wenn er nicht auf mehrere Gebiete verteilt wurde – etwa auf den Beruf, eine sinnstiftende Tätigkeit oder eben auch auf Paarebene.
Was kann man tun, damit genau das nicht passiert?
Die Paarebene muss wie eine Pflanze gehegt und gepflegt werden, und zwar die ganze Zeit. Egal, wie klein die Kinder sind, wie mühsam der Arbeitsalltag – ein Paar sollte sich regelmässig Zeit nehmen, um in Verbindung zu bleiben. Das kann ein wöchentliches Date sein, bei dem es sich gegenseitig die Frage stellt, was den Partner gerade beschäftigt.
Auch die Corona-Pandemie hat viele Trennungen ausgelöst. Was waren die treibenden Kräfte?
Im Lockdown mussten Paare miteinander viel Zeit auf engem Raum ohne Struktur verbringen. Das war eine ungewohnte Situation, mit der nicht alle klarkamen. Denn es gab keine Möglichkeiten mehr, sich aus dem Weg zu gehen. Es gab auch plötzlich viel Zeit, um zu überlegen: Ergibt es Sinn, so weiterzumachen? Oder: Was will ich noch erleben? Die Corona-Pandemie diente oft als Booster der Probleme, die bereits vorhanden waren.
Was unterscheidet Trennungen, bei denen es um sehr viel Geld geht, von anderen?
Gerade weil es um sehr viel Geld geht, haben die Superreichen meistens einen Ehevertrag, damit vor Gericht keine schmutzige Wäsche gewaschen werden muss. Aus solchen Überlegungen bleiben viele verheiratet, gehen aber einfach getrennte Wege.
Für viele Reiche ist es nicht leicht, jemand Neues kennenzulernen. Blieben sie deshalb so lange zusammen?
Nicht unbedingt. Heute bedeutet geschieden sein nicht mehr dasselbe wie vor 50 Jahren, als man noch abgestempelt wurde. Es gibt auch in der Gesellschaft der Superreichen Geschiedene oder solche, die in ihrer Liga jemand Neues finden – siehe Jerry Hall, Ex-Frau von Mick Jagger, die heute mit Milliardär Rupert Murdoch verheiratet ist.
Was sind generell die häufigsten Trennungsgründe?
Längere Affären, Seitensprünge, Unehrlichkeit, fehlende gemeinsame Zeit, fehlende Zärtlichkeit, Kommunikationsprobleme, ständiges Streiten, unterschiedliche Interessen und Pläne.
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