Drei Tage lang feiert das Königreich den Charles III., einmalig gibt es dafür einen Feiertag an diesem Montag. Doch hinter der Fassade und den TV-Dauersendungen wird klar: Die Bilder zeigen nur einen Ausschnitt der britischen Gefühlslage. Immer mehr sind gleichgültig. Ein Beispiel: Auf einem Dinner im Londoner Bankenviertel erheben sich die Gäste für einen Toast an den König. Kaum sitzen alle wieder, sagt eine Anwältin: «Die Krönung ist mir ganz egal. Aber danke für den Feiertag, Charlie.» Die Royals als Folklore.
Im grauen Alltag vieler Menschen im Land ist wenig Platz für Traditionen, die zwar die Augen der Welt auf dem Land ruhen lassen, die aber ihr Leben nicht verbessern. Millionen leiden unter steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel. Dass zu so einer Zeit eine Viertelmilliarde Pfund in eine anachronistisch anmutende Zeremonie gesteckt wird, leuchtet vielen nicht ein. Gut die Hälfte betonte in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov, die Regierung solle nicht für das pompöse Spektakel zahlen.
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Gesellschaft
Bei Yougov sprach sich knapp ein Drittel für ein Referendum aus. Klingt nicht nach viel, aber sind fast zehn Punkte mehr als zu Zeiten von Charles’ Mutter Queen Elizabeth II. (†96) Eine Warnung sollte dem König vor allem sein, dass junge Menschen die Monarchie zunehmend kritisch sehen: 78 Prozent der 18- bis 24-Jährigen haben laut Umfrage kein Interesse an den Royals. Wird der König dereinst als «Charles der Letzte» bekannt, wie die Aktivistengruppe Led by Donkeys in einem Clip nahelegte?
Viele kritisierten als Beleg für die Abgehobenheit des Königshauses, dass während des Gottesdiensts die Bevölkerung zu einem öffentlichen Treueschwur aufgerufen werden sollte. Kurzfristig wurde der «Aufruf» in eine «Einladung» abgeändert.
Dabei kommt Charles gut an, wie sich bei seinem Bad in der Menge am Vorabend der Krönung erkennen liess. Der König wirkt volksnah, lacht viel, nimmt sich Zeit. Vorstellen muss er sich ohnehin nicht, angesichts der 70 Jahre währenden Herrschaft seiner Mutter hatte er viel Zeit zur Vorbereitung. Einst als schrulliger Umweltfanatiker verlacht, hat sich Charles mit seinen Lieblingsthemen Natur, Nachhaltigkeit und Diversität längst behauptet. Die lange Affäre mit seiner heutigen Ehefrau Camilla während der Ehe mit der beliebten Prinzessin Diana haben ihm die meisten verziehen.
In Umfragen aber landet Charles regelmässig im Mittelfeld. Ganz vorne: Schwiegertochter Prinzessin Kate (41) sowie Sohn und Thronfolger Prinz William (40). Einige Experten glauben, dass der 74-Jährige – auch wegen seines Alters – nur ein Übergangskönig sein werde und dann Platz mache für William. Doch sind Abdankungen äusserst selten, und Charles hatte kurz nach Amtsantritt geschworen, dem Vorbild seiner Mutter zum lebenslangen Dienst folgen zu wollen.
Familie
Noch immer gibt es viele familiäre Baustellen für den König. Zwar reiste sein jüngerer Sohn Prinz Harry (38) zur Krönung aus den USA an. Aber die Umstände des Blitzbesuchs zeigen auch, wie schwer der Konflikt vor allem mit Bruder William zu lösen sein wird. Zudem hat Harry angekündigt, er habe nach seiner aufsehenerregenden Biografie «Reserve» noch genug Material für weitere Bücher. Unterstreicht er seine Vorwürfe gegen die Familie, dürfte dies auch das Ansehen von Charles und Camilla belasten. Für den König ist es ein schwieriger Spagat. Einerseits will er versöhnen und Harry und Ehefrau Herzogin Meghan (41) Brücken bauen. Andererseits kann er die Attacken auf Camilla nicht zulassen. Als Reaktion warf er Harry aus dem Frogmore Cottage auf Schloss Windsor, das der Prinz bei Besuchen in der Heimat nutzte.
Royal-Insider Alexander von Schönburg (53) sagt im Blick-Interview über den Zwist mit Harry und Meghan: «Die Queen schaute mit einer Gelassenheit darauf – auch aufgrund ihres Alters. Auch König Edward hat im Exil Memoiren verfasst, über die mittlerweile niemand mehr redet. Darum nahm die Queen dank ihrer Erfahrung alles deutlich gelassener als Charles.» Er glaubt aber, dass sich die Royals in den nächsten Jahren versöhnen.
Commonwealth
In der Krönungsprozession marschierten auch Vertreter der 56 Länder des Commonwealth. Charles betont stets, wie sehr ihm dieser Staatenbund ehemaliger Kolonien am Herzen liegt, zumal er nicht nur König von Grossbritannien und Nordirland, sondern auch Staatsoberhaupt von 14 weiteren Ländern ist. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch? Denn die Stimmung kippt vielerorts. In sechs Ländern sprach sich jüngst in einer Umfrage eine Mehrheit dafür aus, die Monarchie abzuschaffen. Mit Kanada und Australien waren auch zwei Schwergewichte dabei. Vor allem in der Karibik werden Forderungen immer lauter, die Royals sollten sich für die Verwicklung des Königshauses in den historischen Sklavenhandel entschuldigen. Charles fand zwar einfühlsame Worte, ein Pardon aber lehnt er ab. (SDA/bnr)
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