Zu seinen Idolen zählt er Musikgrössen wie Lorde (27), Haim und Troye Sivan (29). Nun will der aufstrebende Thuner Sänger Sivilian (31) mit seiner Musik die ganz grossen Bühnen der Schweiz erobern. Und während viele Künstler für Inspiration für neue Musik das Weite und Unbekannte suchen, wählte er das Gegenteil: Für die Karriere zog er für ein dreiviertel Jahr zurück zu seinen Eltern ins 1000-Seelen-Dorf Goldiwil.
«Ich stand vor der Wahl: Entweder ich nehme einen guten Agenturjob in Berlin an und hänge die Musik an den Nagel. Oder ich sage ab und ziehe für die Musik zu meinen Eltern zurück. Ich entschied mich für Letzteres», sagt Sivilian, der bürgerlich Adrian Graf heisst, im Interview mit Blick. «Und das, obwohl ich definitiv nicht mehr im Alter war, in dem man bei seinen Eltern leben möchte.»
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WG mit den Eltern
Zurück in die Heimat zu ziehen, war ein grosser Schritt für Sivilian. Sieben Jahre lebte er zuvor im grossen Zürich – im zu Thun gehörenden Goldiwil begann ein ganz anderer Alltag. «Man hat dort teilweise nicht mal Handyempfang. Als Jugendlicher war das schlimm, jetzt ist es Digital Detox.» Dafür habe man einen wunderschönen Blick auf die Alpen des Berner Oberlands und den Thunersee, erzählt er weiter. «Und weil praktisch nichts läuft, war ich gezwungen, an Musik zu arbeiten. In Zürich wäre ich immer wieder im Ausgang gelandet», meint er mit einem Lachen.
Das Zusammenleben mit den Eltern hat Sivilian anders gestaltet, als er es zuvor kannte. «Ich wollte meine Selbstständigkeit nicht verlieren. Also habe ich beispielsweise weiter meine Sachen selber gewaschen, obwohl meine Mutter das für mich übernehmen wollte.» Die Wohnsituation habe sich gestaltet, als «würde ich mit meinen Eltern in einer WG leben. Und nicht wieder im Hotel Mama».
Er wuchs als queere Person im kleinen Dorf auf
Mit Musik ist Sivilian schon länger unterwegs. Im Alter von 16 Jahren schrieb er sein erstes Lied, 2014 veröffentlichte er als Teil des Indie-Duos Frost & Fog die erste EP. Seit 2020 ist er, animiert durch seine Schwester Silvia, auch als Solokünstler unterwegs. Sein Künstlername leitet sich von ihrem und seinem Vornamen und dem englischen Wort «civilian», also «Zivilist», ab.
In Goldiwil hat sich Sivilian mit seiner Vergangenheit befasst. «Ich habe alte Tagebücher gefunden, gelesen und aussortiert. Mich prägte der Umstand, als queere Person in so einem kleinen Dorf aufzuwachsen. Davon handeln die Songs meiner nächsten EP», sagt er.
Inspiriert von der Badi
Am Freitag erscheint mit dem Popsong «Chlorine» der zweite Vorbote daraus. «Ich war während der Zeit in Goldiwil oft in der Badi. Im Titel geht es um die Anziehung zu anderen Menschen. Wie man jemanden beobachtet, den man attraktiv findet.» Den Titel hat Sivilian bereits bei seinem Auftritt am Gurtenfestival präsentiert.
Mittlerweile wohnt Sivilian wieder in Zürich. Eines Tages zurück nach Goldiwil zu ziehen, schliesst er aus. «Die Zeit war schön. Aber ich sehe meine Zukunft nicht dort», sagt er. «Dieses Kapitel liegt nun hinter mir.»