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Schlägt die Cancel Culture wieder zu?
Mega-Hit von Udo Lindenberg wird zensiert

Im heissen Sommer 1983 war es ein Riesenhit: In «Sonderzug nach Pankow» protestierte der westdeutsche Rockbarde Udo Lindenberg (heute 78) auf witzige Weise dagegen, dass er im anderen deutschen Staat, der DDR, nicht auftreten durfte.
Publiziert: 30.10.2024 um 15:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2024 um 15:44 Uhr
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Der deutsche Rocker Udo Lindenberg ist Kult.
Foto: imago/osnapix

Auf einen Blick

  • Berliner Chöre streichen Wort aus Lindenberg-Song wegen Diskriminierung
  • Das Wort «Oberindianer» erinnert an Kolonisierung und wird als rassistisch empfunden
  • Acht Chöre treten im November im Humboldt Forum auf
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Das wird für Diskussionsstoff sorgen: Chöre in Berlin wollen nun, wenn sie Udo Lindenbergs «Sonderzug nach Pankow» anstimmen, ein Wort weglassen: «Oberindianer». Es könne aus heutiger Sicht als diskriminierend wahrgenommen werden, teilte die Stiftung Humboldt Forum in Berlin zur Begründung mit. Anlass sind zwei geplante Auftritte im November von acht Chören im Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung im Herzen Berlins.

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Nach einer offenen Diskussion mit den Chören und der künstlerischen Leitung habe sich die Stiftung entschieden, das Wort zu streichen. Zuvor hatten die «Bild»-Zeitung und die «B.Z.» berichtet. 1983 hatte Lindenberg mit seinem «Sonderzug nach Pankow» frech an «Oberindianer», DDR-Staatschef Erich Honecker (1912–1994), appelliert, ihn in der DDR auftreten zu lassen. Der Hamburger Rocker singt in seinem Song unter anderem: «Ich muss da 'was klären, mit eurem Oberindianer. Ich bin ein Jodeltalent und will da spielen mit 'ner Band.»

Stiftung: Im Wort klingt «Gewaltgeschichte der Kolonisierung» mit

«Auch wenn das Wort in dem Lied ‹Sonderzug nach Pankow› in seiner Entstehungszeit 1983 eine metaphorische Konnotation hatte und es sich damals satirisch-kritisch auf Erich Honecker bezog, sind wir uns auch bewusst, dass in dem Wort die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt», teilt die Stiftung weiter mit. Das Wort werde von vielen indigenen Menschen und von vielen Besuchern als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen.

Lindenberg war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Für das Format «Vielstimmig 2024» waren die Chöre aufgefordert worden, sich mit dem Humboldt Forum auseinanderzusetzen. Im Fokus stand dieses Mal dabei die Sonderausstellung «Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart». Die Auftritte sind am 16. und 17. November geplant. «Berliner Sprachpolizei schlägt zu», kommentierte Deutschlands grösste Boulevardzeitung «Bild» die Entscheidung.

Lindenberg wollte schon 1976 in den Osten

An der Stelle des Humboldt Forums stand zu DDR-Zeiten seit Mitte der 1970er Jahre der Palast der Republik, Sitz der DDR-Volkskammer. Dort hatte Lindenberg im Herbst 1983, etliche Monate nach Erscheinen des «Sonderzugs», seinen einzigen Auftritt in der DDR. Den Wunsch nach einer Tournee durch Ostdeutschland hatte er bereits 1976 in dem Lied «Rock'n'Roll Arena in Jena» geäussert.

Der Palast der Republik war an der Stelle des von den ostdeutschen Kommunisten gesprengten alten Berliner Stadtschlosses errichtet worden, bedeckte allerdings nur einen Teil des Areals. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde er bis 2008 vollständig abgerissen, das Humboldt Forum hat seinen Sitz in einer umstrittenen Rekonstruktion des Stadtschlosses.

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