Boris Blank schaut auf 40 Jahre Yello zurück
«Ich kann bis heute keine Noten lesen»

Gemeinsam mit Dieter Meier hat er Musikgeschichte geschrieben. Nun feiert Boris Blank mit dem Buch «Oh Yeah – Yello 40» grosses Jubiläum. Im Blick erklärt Blank, weshalb er sich immer noch nicht als richtigen Musiker sieht.
Publiziert: 11.01.2022 um 20:32 Uhr
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Komponist und Soundtüftler Boris Blank ist seit den späten 1970er-Jahren mit Yello unterwegs. Davor lernte er Hochbauzeichner und Grafiker. «Doch die Musik war es letztlich, die mich bis heute in ihrem Bann hält.» (Aufnahme in seinem Tonstudio in Zürich)
Foto: Philippe Rossier
Interview: Jean-Claude Galli

Soeben ist das Jubiläumsbuch «Oh Yeah – Yello 40» (Edition Patrick Frey) erschienen. Blick hat mit Komponist Boris Blank (69) am Telefon über die Geschichte des international erfolgreichen Zürcher Elektropop-Duos und seinen musikalischen Partner Dieter Meier (76) gesprochen.

Blick: Herr Blank, Sie sind ein sehr visueller Mensch. Was sehen Sie gerade, wenn Sie aus dem Fenster schauen?
B
oris Blank: Ich bin in meinem Homestudio in Zürich, sehe eine denkmalgeschützte Villa und grosse alte Bäume. Das grosse Yello-Studio vom Zürichberg habe ich hier im Kleinformat auch, damit ich immer arbeiten kann, wenn ich will. Am Zürichberg ist die Aussicht noch etwas besser, und ich habe noch mehr Ruhe, dort kommt nur mal ein Fuchs oder Reh vorbei.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie mit dem Buch einen Grossteil Ihres Lebens durchblättern? Sind Sie stolz oder wehmütig?
Vielleicht eher wehmütig, denn ich neige etwas zur Melancholie. Aber stolz nicht, vielmehr sehr erstaunt darüber, dass das so lange gehalten hat, diese Verbundenheit zwischen mir und Dieter. Ich habe mein Privatarchiv geöffnet und bin die Bilder mit Aaron Fabian, dem Buchgestalter, durchgegangen. Dabei habe ich diese Momente noch einmal durchlebt, wie wenn man Musik von früher hört. Ich konnte die Situationen förmlich riechen, die Erinnerungen und Gefühlswellen kamen wieder. Unser Auftritt 1983 im New Yorker Roxy zum Beispiel, ich und Dieter als bleiche Käseschweizer vor 3000 Leuten morgens um 02 Uhr, bebende Beine und auch etwas Angst. Wir durften damals die grosse Welt erleben, nicht nur das schöne, sichere Zürich.

In den Anfängen sind Sie beide sehr keck vorgegangen und haben Ihre Musik bei Labels ohne Voranmeldung präsentiert. Woher nahmen Sie Ihre Überzeugung?
Da war Dieter als Sänger, aber auch als treibende Kraft sehr wichtig. Er liebt Herausforderungen bis heute und musste immer etwas Überzeugungsarbeit leisten. Ohne ihn wären wir 1983 nicht live in New York aufgetreten. Kuba und das Yello-Video «Desire», das im legendären Club Tropicana gedreht wurde, hätten nicht stattgefunden. Diese Tatsache, dass wir an den wichtigen Orten landen konnten, habe ich Dieter zu verdanken.

Sie entsprachen beide nicht dem Klischeebild des biederen, langweiligen Schweizers. Hat das auch geholfen?
Ich glaube schon. Aber sicher primär unsere Eigenart, nicht nach links und rechts zu schauen. Musikalisch schon gar nicht. Ich interessierte mich nie dafür, Harmonien zu lernen. Ich habe immer nur gemacht, was ich wollte und kann bis heute keine Noten lesen. Wir hatten eine gewisse Freiheit, weil wir uns nicht an etwas anlehnten, was schon im Trend war. Unser Glück war, den Zeitgeist zu treffen. Das öffnete uns Tür und Tor, zuerst in Amerika, dann erst in Europa und der Schweiz. Wir waren mutig, aber auch unverfroren, vielleicht etwas dilettantisch und zogen unser Ding durch. Wir trafen den Moment mit der Verrücktheit unserer Musik, die damals noch nicht gängig war.

Widerstände waren aber da.
Klar, ich erinnere mich gerne an den Musikladen hier in Schlieren. Die hatten nebst den klassischen Instrumenten auch einen Raum mit ersten Synthesizern. Wenn ich jeweils kam, sagte der eine Verkäufer zum andern: Sag dem Spinner, er soll ganz schnell nach hinten und die Tür zumachen. Und als wir dann die erste Platte rausgebracht hatten und die ersten Jubelkritiken in Musikmagazinen erschienen, hiess es plötzlich: Boris, schön, dass du da bist.

Was hat Ihnen eigentlich als Teenager der Berufsberater empfohlen?
Dort war ich nie. Die Eltern liessen mich sehr frei wählen. Ich habe mich für Hochbauzeichner entschieden, weil das sehr viele meiner Freunde auch machten. Das erfüllte mich kreativ aber nicht. Immerhin konnte ich in der Lehre ein Haus von Grund auf mitbauen, das heute noch steht. Es ist dieses Ärztehaus an der Freiestrasse und ist nicht sehr attraktiv, wie ich finde. Anschliessend machte ich eine Lehre als Grafiker. Die Musik war es letztlich, die mich bis heute in ihrem Bann hält.

Sind Sie etwas eifersüchtig, damals technisch nicht die gleichen Möglichkeiten gehabt zu haben wie die Bands heute?
Solche Presets zu haben, die man direkt runterladen kann, und es klingt dann gleich von Beginn an einigermassen professionell, ist für junge Bands sicher ein Anfang. Aber ob sich daraus eine DNA, eine Eigenheit entwickelt, ist fraglich. Ich bin aber selber auch kein Purist, der nur auf analogen Synthesizern arbeitet. Gerade das Erlernen von neuen Arbeitsmöglichkeiten mit neuen digitalen Plug-ins hält mich jung. Schöpferisch gehe immer noch genauso vor wie früher: Ich sammle verschiedenen Fragmente von Sounds, die ich, wie ein Eichhörnchen seine Nüsse vergräbt, in Ordnern abspeichere. Dann setze ich diese Fragmente zu einem Patchwork zusammen. Zuerst skizziere ich verschiedene Farbklangmuster. Diese Grundstrukturen führen mich dann zum Ziel. Ich bin ein Stimmungsmacher, ein Klangbildmacher, ein wirklicher Musiker bin ich nicht.

Haben Künstler keinen Ruhestand? Möchten Sie nie in Nassau am Strand liegen?
(Lacht) Lustig, dass Sie gerade Nassau erwähnen, dort war ich nämlich schon. Und zwar auf Einladung von Chris Blackwell, dem Chef von Island Records, der dort ein Anwesen mit Studio besitzt. Am Tag, nachdem Mick Jagger und Jerry Hall die Villa verlassen hatten, reiste ich mit meiner heutigen Frau Patrizia an und durfte dort ein paar Wochen Ferien machen. Das war eine schöne Zeit. Aber Ruhestand ist nichts für mich. Heute arbeite ich sogar mehr als früher. Ich habe verschiedene Nebengleise und in London auch eine Firma gegründet, die sich mit Kunstinstallationen beschäftigt. Und Yello lebt ja weiter, ich bin schon wieder in Vorarbeiten zu einem nächsten Studioalbum. Dann gibt es Projekte wie jenes für die neue Wellnesstherme in Baden, wo ich die Musik für den Erlebnisbereich komponiert habe. Wenn ich nur noch herumhängen würde, würde ich sehr schnell altern. Ich spüre immer noch diesen Urtrieb in mir und lasse mich rasch für etwas begeistern. Und wenn ich dann trotzdem einmal Ferien mache, beginne ich schon nach drei Tagen wieder am Computer zu tüfteln.

Sie schwimmen auch mehrere Kilometer pro Woche. Hatten Sie diesen sportlichen Ehrgeiz immer?
Ich war ja früher nicht Schwimmer, sondern Kunstturner. Wenn man in der Jugend regelmässig Sport treibt, prägt einen das fürs Leben. Man hat immer wieder das Bedürfnis, dieses Körpergefühl zu erleben, den Kreislauf anzuregen und die Organe zu durchbluten. Und wir schauen jetzt auch zum Hund unserer Tochter Olivia, die nicht mehr zu Hause lebt. Das ist die klassische Situation vom Vater, der mit dem Hund spazieren geht. Mir tut das aber wahnsinnig gut, jeden Tag eine Stunde spazieren inklusive Steigungen, am Morgen ich, am Abend meine Frau. Naturverbundenheit ist mir sehr wichtig. Denn sie wirkt sich aufs Schöpferische, auf die Kreativität aus.

Die Pandemie hat Sie diesbezüglich nicht gross eingeschränkt?
Bisher glücklicherweise nicht. Im Haus am Zürichberg, wo sich unser Yello-Studio befindet, hat es viele Kinder, deshalb habe ich mich dort aus Rücksichtnahme etwas zurückgezogen. Ich kann gut von hier aus arbeiten. Und ich bin doppelt geimpft und geboostert.

Zum 40-Jahr-Jubiläum ein Buch, was kommt zum 50.?
Die 40 Jahre sind erst der Anfang (lacht). Ich kann es nicht sagen und möchte auch keine Prognose abgeben. Ich möchte einfach weiter Musik machen, ich kann ja nichts anderes. Musik und vor allem Rhythmus sind meine Passion, mein Leben. Dieter hat sehr viele andere Projekte abseits der Musik, ich nicht. Er bringt ja stets den Kalauer, dass ich noch das Einschlagen der Sargnägel aufnehmen und daraus mein letztes Stück Musik machen werde. Mal schauen.

Akribischer Soundtüftler

Boris Blank gründet in den späten 1970er-Jahren zusammen mit Carlos Perón die Elektroband Yello, zu der bald auch Dieter Meier als Sänger stösst. 1979 erscheint ihre Debüt-Maxi-Single und Yello feiern in den USA erste Club-Erfolge. 1983 steigt Perón aus. Der grosse Durchbruch kommt mit dem 1985er-Album «Stella». Darauf enthalten ist der Titel «Oh Yeah», der durch die Hollywoodfilme «Ferris macht blau» (1986) und «Das Geheimnis meines Erfolges» (1987) weltbekannt wird und auch dem Jubiläumsbuch den Namen gibt. 2020 erscheint das 14. Studioalbum «Point». Blank lebt mit seiner Frau Patrizia Fontana in Zürich, die beiden haben eine Tochter, Olivia.

Boris Blank gründet in den späten 1970er-Jahren zusammen mit Carlos Perón die Elektroband Yello, zu der bald auch Dieter Meier als Sänger stösst. 1979 erscheint ihre Debüt-Maxi-Single und Yello feiern in den USA erste Club-Erfolge. 1983 steigt Perón aus. Der grosse Durchbruch kommt mit dem 1985er-Album «Stella». Darauf enthalten ist der Titel «Oh Yeah», der durch die Hollywoodfilme «Ferris macht blau» (1986) und «Das Geheimnis meines Erfolges» (1987) weltbekannt wird und auch dem Jubiläumsbuch den Namen gibt. 2020 erscheint das 14. Studioalbum «Point». Blank lebt mit seiner Frau Patrizia Fontana in Zürich, die beiden haben eine Tochter, Olivia.

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