Die Bilanz ist ernüchternd. Zwei der drei potenziellen Schweizer Kinohits dieses Jahres sind nun bereits so lange in der Auswertung, das sich ein Bild über ihren Kassenerfolg machen lässt. «Monte Verità» von Stefan Jäger (51) startete Ende August und holte rund 22'500 Zuschauer, Michael Steiners (52) Taliban-Geiseldrama «Und morgen seid ihr tot» läuft seit Ende Oktober und verzeichnet bisher rund 25'000 Eintritte. Dies ist in Anbetracht der Budgets und der öffentlichen Präsenz weit unter den Erwartungen – beide Werke figurieren damit jenseits der ersten 150 Ränge der erfolgreichsten Schweizer Filme.
Der dritte Blockbuster-Kandidat, «Stürm: Bis wir tot sind oder frei» von Oliver Rihs (49), feierte am 25. November Premiere und hat nach einer Woche Laufzeit am letzten Donnerstag die 10'000er-Marke geknackt. Dies ist ein ansprechender Beginn, für eine echte Bilanz aber noch zu früh. Im Fall von «Stürm» setzt der in Deutschland lebende Schweizer Regisseur aber nicht nur auf ein möglichst grosses Interesse in seinem Heimatland. «Dieses Werk sollte von Anfang an international funktionieren», sagt Rihs. Der deutsche Titel kommt ohne den Namen des Ausbrecherkönigs aus, weil dieser nördlich des Rheins zu wenig bekannt sei, auf Englisch heisst das Drama mit Marie Leuenberger (41) und Joel Basman (31) «Caged Birds».
Sperrige Stoffe haben es schwer in Krisenzeiten
Ausser der Tatsache, dass alle drei Werke auf wahren Begebenheiten beruhen, haben sie gemein, dass ihnen das Komödiantische und Leichte abgeht – in unsicheren Zeiten wie diesen ein möglicher Publikumsnachteil. Nach dem Kino-Schreckensjahr 2020 mit einem Eintrittsrückgang von 65 Prozent hat das grosse Publikum den Weg zurück noch nicht wirklich gefunden, James Bond ausgenommen. Und am Horizont drohen bereits nächste Einschränkungen. Der Kontrast zur neulichen Aufbruchstimmung könnte grösser nicht sein: 2017 landete Petra Volpe (51) mit «Die göttliche Ordnung» einen Grosserfolg, 2018 kam Michael Steiner mit «Wolkenbruch», 2019 liefen «Zwingli» und «Bruno Manser», Anfang 2020 erschien «Platzspitzbaby» (heute als TV-Premiere auf SRF 1).
Kaum gingen die Besucherzahlen für das Mutter-Tochter-Drama im Drogenmilieu etwas zurück, folgte der Corona-Schock. Was dieser fürs Schweizer Kino und das künftige Zuschauerverhalten tatsächlich bedeutet, weiss niemand genau. «Die wirklichen Auswirkungen werden sich erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen», schrieb Pro Cinema im Jahresbericht 2020, daran hat sich bis heute nichts geändert.
Serien als sicherer Hafen
Auffallend ist, dass sich nicht nur ausländische Geldgeber, sondern auch das SRF vermehrt Serienformaten statt Langfilmen zuwenden. Diese garantieren eine Nutzbarkeit jenseits von Öffnungszeiten und Spielorten. Durch die redundante Erzählweise entstehen mehr Sendelänge und Zuschauerbindung, was wiederum für die Werbung interessanter ist. So lassen sich historische Stoffe wie zuletzt «Frieden» oder die geplante, 15 Millionen teure Spionagereihe «Davos» besser finanzieren.
Eine Alternative zum herkömmlichen Budget- und Verbreitungsmodell erprobt mit «Mad Heidi» auch Produzent Valentin Greutert (47). Der erste vollständig von Fans alimentierte Film soll im Herbst 2022 anlaufen.
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