Am Anfang des Films über Ausbrecherkönig Walter Stürm (1942–1999) steht nicht eine gelungene Flucht, sondern eine Einsperrung: Unsanft wird Barbara Hug (1946–2005), nachmalige Anwältin Stürms, in einen Kastenwagen bugsiert, nachdem sie bei einer gewalttätigen Jugend-Demo von der Polizei aufgegriffen worden war.
Es wäre verlockend gewesen, Stürms abenteuerliche Geschichte als Schelmenstück in der Art von «Catch Me if You Can» (2002) zu zeigen und Stürm als Gentleman-Outlaw, der den Frauen Baccara-Rosen und Chanel No 5 schenkt, darzustellen. Doch Regisseur Oliver Rihs (49) unterläuft zum Glück solche Erwartungshaltungen. Die insgesamt acht Ausbrüche von Stürm zwischen 1974 und 1995 werden bloss am Rande und lückenhaft gezeigt – auch jener vor Ostern 1981 aus der zürcherischen Strafanstalt Regensdorf, den Stürm durch den hinterlegten Zettel «Bin beim Ostereiersuchen» endgültig zum Popstar machte.
Stürm und Hug beide ausweglos gefangen
Schon auf dem Filmplakat ist sichtbar: Dies ist keine One-Man-Show für Joel Basman (31) als Stürm, Marie Leuenberger (41) als Barbara Hug ist ebenbürtig. Rihs erzählt das Lebensschicksal zweier ungleicher Individuen und verlorener Seelen, die durch Zufall zusammenkommen und in eine gemeinsame Geschichte geraten. Beide ausweglos gefangen, er in seinen Zwängen als notorischer Verbrecher und Flüchtender, sie durch ihre fragile Gesundheit in ihrem schwächelnden Körper. Phasenweise droht Hug Stürm dadurch sogar die Schau zu stehlen, weil die Zuschauer bei ihren Dialyse-Aufenthalten im Spital stärker mitleiden als bei Stürms oft sinnlos anmutenden Diebestouren und deprimierenden Gefängnisaufenthalten.
Dieses Unbelehrbare und Getriebene hätte auf Dauer massiv gelangweilt. Der erzählerische Kniff, den Blick vom bekannten Stürm auf neue Facetten zu lenken und an einer möglichen Romanze zwischen ihm und Hug das grundsätzliche Dilemma seiner fehlenden Gesellschaftsfähigkeit zu zeigen, gibt dem Film eine viel grössere Kraft. Und erhebt die Geschehnisse aus dem eidgenössischen Mief jener Zeit auf eine universellere Ebene. Stürm als Helden darzustellen und ihm ein Denkmal zu errichten, wäre auch einer Geschichtsklitterung gleichgekommen. Als Robin Hood, Mini-Che-Guevara und politische Figur sahen ihn zu Lebzeiten höchstens einige Vertreter aus linken Kreisen, und seine viel beschworene Gewaltfreiheit war Teil der Legendenbildung.
Regisseur Rihs zeigt ungemein packend die brutale Fallhöhe zwischen dem kurzzeitigen, schillernden Ganoven-Glamour – Stürm rasant unterwegs in schwerer Limousine – und dem trostlosen Suizid-Ende 1999 in Isolationshaft in Frauenfeld. Auch dank Basman und Leuenberger in Hochform.
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