In Hollywood wird Emma Stone für die nächsten Oscars als eine der Favoritinnen gehandelt, da sie in der Rolle als Bella Baxter die ganze Bandbreite ihrer schauspielerischen Kunst zeigt. In der schwarzen Fantasy-Komödie (ab 8. Dezember in Schweizer Kinos) spielt sie eine erwachsene Frau, der im Stile von Frankenstein das Gehirn eines Babys implantiert wird. Das führt dazu, dass Bella im Schnelldurchgang Kindheit, sexuelles Erwachen als Teenager und Emanzipierung zur unabhängigen Frau durchmacht. In den Worten von Stone: «Sie ist die grossartigste Filmfigur, die ich jemals gespielt habe – und wohl auch jemals spielen werde!»
Blick: Warum das?
Emma Stone: Mit der Rolle habe ich für mich akzeptiert, was es heisst, eine Frau zu sein. Das Streben nach Freiheit. Angst zu haben und mutig zu sein. Deshalb war es ein wahres Geschenk für mich, Bella spielen zu dürfen.
Was macht Bella Baxter so besonders?
Sie ist voll von kindlicher Freude und Neugier und kennt überhaupt kein Schamgefühl. Es gibt kaum einen Erwachsenen, dessen Einstellungen und Selbstwertgefühl nicht durch vorherige negative Erfahrungen oder gar Traumas beeinflusst wird. Bella geht ihr Leben dagegen völlig ohne vorgefertigte Meinungen an. Sie erlebt alles zum ersten Mal. Ich sehe den Film als eine Metapher.
Wofür?
Für einen echten Neuanfang im Leben. Dass man als Frau noch mal von vorne beginnen kann. Bella kann noch einmal völlig unvoreingenommen die Natur der Dinge auf unserer Welt kennenlernen. Von Sexualität über Macht bis zum Einfluss von Geld auf die Gesellschaft. Sie bekommt die Chance, ihre eigene Wahl zu treffen und nach ihren eigenen Regeln zu leben. Einfach märchenhaft.
Bellas lebt ihre Sexualität im Film richtig aus. War ihnen vor all den intimen Szenen vorher bange?
Nein! Es ist bereits mein drittes Projekt mit Yorgos (Anm. d. Red.: Regisseur Giorgos Lanthimos, 50). Ich liebe diesen Mann und kann ihm und auch seiner Crew voll und ganz vertrauen. Ich fühlte mich immer von ihm beschützt. Es ist ganz selten, dass du das als Schauspieler oder Schauspielerin erlebst. Normalerweise sind Filmemacher primär daran interessiert, das Beste für ihren Film herauszuholen.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich habe mir auf Anraten von Yorgos die Geschichte von Kaspar Hauser als Inspiration durchgelesen. Ansonsten musste ich mich in meinem Kopf Gefühle wie Scham oder Vorurteilen verdrängen. Ich musste mich von Emma lösen und mich dann ganz in die Rolle als Bella fallenlassen und mich von ihr leiten lassen.
Ist Ihnen das gelungen?
Das ist mein Geheimnis und für die Zuschauer zum Herausfinden (lacht).
Sie stehen jetzt schon fast 20 Jahr vor der Kamera. Haben Sie sich als Schauspielerin mit all Ihren Erfolgen im Laufe der Jahre verändert?
Ich denke schon. Ich weiss nicht, ob Evolution das richtige Wort ist, aber ich probiere inzwischen gerne mal neue Dinge aus, wenn man mich lässt.
Zum Beispiel sind Sie nicht nur die Hauptdarstellerin, Sie fungieren auch als Produzentin von «Poor Things». Wie kam es dazu?
Ganz einfach: Ich wurde von Yorgos gefragt und war begeistert. Nicht, dass sich dadurch etwas in unserer Zusammenarbeit verändert hätte. Wir haben uns auch schon bei unseren ersten Filmen ständig ausgetauscht. Ich bin jemand, der dazu neigt, ständig Sachen besprechen zu wollen (lacht).
War diese Doppelbelastung schwierig?
Ganz ehrlich, natürlich gab es Momente, wo ich völlig müde, ausgebrannt und erschöpft war. Doch als Schauspielerin würde ich niemals sagen, dass meine Arbeit schwierig ist. Das wäre mir total peinlich, es auch nur anzudeuten!
Warum das?
Weil das Filmedrehen nicht schwer ist und einfach nur Spass macht. Selbst wenn es manchmal sehr herausfordernd ist und manche Drehtage sehr lang sind, es gibt einfach keinen besseren Job als die Schauspielerei.