«Nomadland» bescherte Frances McDormand (63) gleich zwei Oscars – als beste Hauptdarstellerin und als Produzentin für den besten Film. Doch auch ohne die Hollywood-Lorbeeren wäre die Rolle als moderne Nomadin, die in einem Kleinbus durch Amerika zieht, für sie etwas ganz Besonderes gewesen. «Ich hatte schon immer diese Fantasie in meinem Kopf, meinen Namen zu ändern und im Wohnmobil durch Nordamerika zu reisen», sagt McDormand. «Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen ich kurz davor war, alles hinzuwerfen.»
Haben Sie sich unter den echten Nomaden, die im Film gezeigt werden, wohlgefühlt?
Frances McDormand: Ja, sehr. Viele Leute, denen ich beim Filmen begegnete, hatten keine Ahnung, wer ich bin. Sie hielten mich für eine von ihnen. Einen ganz normalen Menschen, der den gleichen Freiheitsdrang hat wie sie.
Mussten Sie sich stark verstellen?
Gar nicht. Ich stamme aus einem Arbeiterhaushalt. Der grösste Teil meiner Familie ist in ländlichen Gebieten in Pennsylvania ansässig. Der Rest hat in einem Stahlwerk in einer Kleinstadt in der Nähe von Pittsburgh gearbeitet. Ich habe Menschen repräsentiert, mit denen ich gross geworden bin.
Haben Sie noch Kontakt zu Freunden von damals?
Zu einigen, mit denen ich zur Highschool gegangen bin. Die meisten von ihnen haben mit 18 oder 19 angefangen, im Stahlwerk zu arbeiten, um Geld für ein Auto und später für ein eigenes Häuschen zu verdienen. Die meisten haben früh geheiratet, sind jetzt pensioniert und leben noch immer im selben Haus.
Im Film verlieren Sie einen geliebten Menschen und geben dann Ihr altes Leben auf. Konnten Sie einen so radikalen Schnitt nachvollziehen?
Zum Glück habe ich noch niemanden verloren, dem ich sehr nahestand. Abgesehen von meinen Eltern, die aber ein langes, erfülltes Leben hatten. Ich muss jedoch nicht dieselben Erlebnisse gemacht haben wie meine Filmfiguren, um mich in sie hineinversetzen zu können. Deshalb bin ich ja Schauspielerin. Ich male mir einfach aus, wie ich reagieren würde, wenn mein Ehemann plötzlich nicht mehr da wäre.
Im Film ziehen Sie von Lager zu Lager. Mussten Sie während des Drehs auch in Ihrem Film-Van schlafen?
Ab und zu schon. Meistens haben wir uns aber ein Motel gesucht, weil wir das Filmequipment in unseren Bussen unterbringen mussten. Wir waren unsere eigene Nomadentruppe. 28 Leute mit zwölf Fahrzeugen. Wir haben gut in die Szenerie gepasst.
Ihre Hollywood-Karriere hat erst mit Ende 20 so richtig begonnen…
…was mir einen grossen Vorteil an Lebenserfahrung für meine Rollen gegeben hat.
Sie glauben nicht, wie viele verschiedene Jobs ich seit meinem 15. Lebensjahr hatte.
Verraten Sie uns ein paar?
Also, erst war ich Tellerwäscherin im Restaurant, dann Cafeteria-Frau und auch Mitarbeiterin in einem Waschsalon. Nach meiner Theaterausbildung habe ich anfänglich nur Arbeiten beim Set-Aufbau und im Kostümdesign-Department gefunden. Ich war teilweise so arm, dass ich private Dinge auf dem Flohmarkt verkaufen musste, um Geld für die Miete zusammenzukratzen.
Und dann kam das grosse Geld als Schauspielerin.
Von wegen! Ich musste mir lange Zeit noch ein Zubrot zur Schauspielerei verdienen.
Ich habe beispielsweise Fanpost für AC/DC beantwortet!
Ist etwas hängen geblieben von Ihrer Rolle als Nomadin?
Ja, ich habe realisiert, dass ich zu viele Dinge besitze, die ich nicht brauche. Ich habe deshalb nach dem Ende der Dreharbeiten angefangen, meine Schränke und Abstellräume auszumisten. Jetzt ist das alles viel übersichtlicher. Nicht dass alles in einen Kleinbus passen würde, aber immerhin.
Wie bleibt man über Jahrzehnte hinweg so erfolgreich, wie Sie es sind?
Indem man sich nicht ins Rampenlicht drängt. Ich habe nach meinem ersten Oscar im Jahr 1996 zehn Jahre lang kaum Interviews gegeben, um eine gewisse Mystik wiederherzustellen, wenn es um meine Person ging. Das hat ganz gut geklappt. Wer nach seinem ersten Erfolg abdreht, hält sich in der Regel nicht lange.
Was bedeutet Erfolg für Sie?
Das ist ein interessantes Thema, das ich auch wegen der Menschen, die ich während der Dreharbeiten traf, neu überdacht habe. Vom Kindesalter an wird uns eingetrichtert, dass Erfolg an materiellen Dingen wie einem Boot, einem flotten Sportwagen, einem grossen Haus oder zwei Kindern gemessen wird. In Wirklichkeit sind andere Faktoren doch genauso entscheidend.
Welche?
Dass man ein Recht auf Selbstbestimmung hat, egal, was die Gesellschaft einem vorschreibt. Dass einem die Freiheit gegeben ist, selbst zu wählen, wie man sein Leben am liebsten gestalten will. Das muss das Ziel aller Menschen sein. So zu leben, wie wir es für uns selber ganz individuell richtig befinden, ohne anderen wehzutun.
Frances McDormand ist ein Adoptivkind und wuchs mit weiteren Adoptivgeschwistern in einer frommen Familie auf. Zu Beginn ihrer Karriere musste sie sich mit Nebenjobs durchschlagen. Ihren Durchbruch feierte sie mit «Fargo» (1996), der ihr den ersten Oscar bescherte. Weitere bekannte Filme von ihr sind «Laurel Canyon» (2002), «Was das Herz begehrt» (2003) und «Promised Land» (2012). 2018 erhielt sie für ihre Rolle in «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» den zweiten Oscar. Für «Nomadland» bekam sie dieses Jahr zwei weitere Oscars. McDormand arbeitet regelmässig mit ihrem Mann, Kultregisseur Joel Coen (66), zusammen, das Paar hat ein Adoptivkind aus Paraguay.
Frances McDormand ist ein Adoptivkind und wuchs mit weiteren Adoptivgeschwistern in einer frommen Familie auf. Zu Beginn ihrer Karriere musste sie sich mit Nebenjobs durchschlagen. Ihren Durchbruch feierte sie mit «Fargo» (1996), der ihr den ersten Oscar bescherte. Weitere bekannte Filme von ihr sind «Laurel Canyon» (2002), «Was das Herz begehrt» (2003) und «Promised Land» (2012). 2018 erhielt sie für ihre Rolle in «Three Billboards Outside Ebbing, Missouri» den zweiten Oscar. Für «Nomadland» bekam sie dieses Jahr zwei weitere Oscars. McDormand arbeitet regelmässig mit ihrem Mann, Kultregisseur Joel Coen (66), zusammen, das Paar hat ein Adoptivkind aus Paraguay.
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