Sie kommt aus der Oberschicht, rückt aber diejenigen ins Rampenlicht, die am Rande der Gesellschaft stehen: Chloé Zhao (39). Die aus China stammende Regisseurin schrieb in der Nacht auf Montag gleich zweimal Filmgeschichte. Nach Kathryn Bigelow (69) ist Zhao erst die zweite Frau, die einen Regie-Oscar gewinnt, und die erste Nichtweisse, die zu dieser Ehrung kommt. «Es ist ziemlich toll, im Jahr 2021 eine Frau zu sein», sagte die Filmemacherin nach der Übergabe.
Kein Zweifel, an den 93. Academy Awards in Los Angeles (USA) war Zhao die Frau des Abends. Ihr Film «Nomadland» holte auch die Auszeichnung für den besten Film und für die beste Hauptdarstellerin (Frances McDormand, 63). Das Roadmovie, das von einer Frau erzählt, die alles verliert und als Nomadin quer durch die USA zieht, war bereits im Vorfeld der Gala als Favorit gehandelt worden – es räumte schon bei den Filmfestspielen in Venedig und bei den Golden Globes ab.
Doch wer ist die Frau, die als Kind gerne Mangas zeichnete und zur Oscar-Gala mit Zöpfen und Turnschuhen erschien?
Zhao lernte von Star-Regisseur Spike Lee
Chloé Zhao wurde 1982 in Peking geboren. Ihre Mutter war Krankenschwester, ihr Vater Topmanager in einer Stahlfirma. Mit 14 besuchte sie ein Internat in Grossbritannien und studierte später Politwissenschaften an einem renommierten College im US-Bundesstaat Massachusetts. Nach dem Abschluss jobbte sie als Barkeeperin und stellte dabei fest, dass sie es liebt, «Menschen zu treffen und deren Geschichten zu hören».
Diese Faszination für das Leben anderer habe ihr den nötigen Anstoss gegeben, sich an einer Filmschule einzuschreiben. 2010 zog Zhao für ihr Filmstudium nach New York, wo Star-Regiesseur Spike Lee (64) sie unter seine Fittiche nahm. «Ich mag an Spike, dass er Dinge nicht in Zucker packt», schwärmte Zhao kürzlich in einem Interview. «Er sagt dir immer, wie es wirklich ist. Das hatte ich nötig.»
Für Erstlingswerk lebte sie in einem Lakota-Reservat
Nicht zuckrig, sondern authentisch bis zum Anschlag sind auch Zhaos bisherige Filme. Für ihr Erstlingswerk «Songs My Brothers Taught Me» (2015) lebte die Filmemacherin vier Jahre lang in einem Lakota-Reservat in South Dakota und drehte mit den dort lebenden Bewohnern. In «The Rider» (2017) begleitete sie den indigenen Pferdetrainer Brady Jandreau (22), der bei einem Unfall beinahe ums Leben gekommen wäre. Jandreau und seine Angehörigen spielen sich alle selbst.
Auch in «Nomadland» drehte Zhao mit Laienschauspielern und porträtiert mithilfe ihres Kameramannes und Lebenspartners Joshua James Richards (36) die Welt der arbeitenden Nomaden in den USA. Einzig bei der Hauptrolle setzte Zhao mit der vierfachen Oscar-Preisträgerin Frances McDormand (63) erstmals auf eine professionelle Schauspielerin.
Diesen professionellen Kurs scheint Zhao weiterzuverfolgen. Mit «The Eternals» hat sie gerade einen Superhelden-Film abgedreht, mit den Hollywoodstars Angelina Jolie (45) und Salma Hayek (54) in den Hauptrollen. Gegensätzlicher könnten Zhaos Oscar-Film und ihr neustes Werk nicht sein. Sie schwenkt vom halbdokumentarischen Sozialdrama hin zum Mega-Blockbuster.