Ihr Leben lang hat die Schweiz-Tibeterin Dechen Shak-Dagsay (64) darauf gewartet, einmal in Lhasa, der Hauptstadt von Tibet auftreten zu können. Am Ort ihrer Wurzeln. Dort, wo am 10. März 1959 der Aufstand gegen die Annexion durch China ausbrach. Und dem Ort, wo der 14. Dalai Lama (88) am 31. März desselben Jahres, nach Indien ins Exil floh.
Nun ist ihr gelungen, was noch keinem Exil-tibetischen Künstler ermöglicht wurde. «Mein Traum ist endlich wahr geworden», sagt sie zu Tränen gerührt zu Blick. «Ich hoffe, dass er künftig auch für viele andere in Erfüllung geht.»
Ihre tibetischen Mantra-Gesänge, hat sie schon 2009 mit ihrer buddhistischen Freundin, Sängerin Tina Turner (1939–2023), und der christlichen Regula Curti (67) im Album «Beyond» verewigt: Drei Stimmen, drei Religionen, eine Botschaft: Liebe, Toleranz und Mitgefühl.
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Solidarität mit Tibet und China
Bis die Musikerin nach Lhasa reisen konnte, vergingen Jahre. «Ich habe mich immer darum bemüht, die Brücke zwischen China und Tibet zu schlagen, mich beiden Kulturen gegenüber solidarisch zu zeigen», so Shak-Dagsay. Vor 15 Jahren schloss sie sich mit dem Schweiz-chinesischen Olympiasieger Donghua Li (55) zusammen. Sie veranstalteten einen Benefiz-Anlass zugunsten der rund 100'000 Menschen, die 2008 in der chinesischen Provinz Sichuan durch ein Erdbeben ums Leben kamen.
Ihre Bemühungen wurden auch in China wahrgenommen. «Zudem habe ich da wie auch in Tibet viele gute Freunde, die die Kraft haben, vieles zu bewegen.» Es sei auch nicht unbemerkt geblieben, wie viel Erfolg sie international mit ihren Gesängen hat, die sie schon in der renommierten Carnegie Hall in New York vortrug.
Das pulsierende und traditionelle Lhasa
Als dieses Jahr die Einladung im Rahmen der fünften Tourismus- und Kultur-Expo in Lhasa kam, sei ihr Herz aufgegangen. «Ich erlebte das, was wir uns seit der Kulturrevolution so sehnlichst erhofften. Ein Tibet, das seine Religion leben kann, die eigene Sprache und Schrift pflegen darf, was anfangs untersagt war. Es sei auch alles in beiden Sprachen angeschrieben. «Lhasa habe ich als eine pulsierende Stadt erlebt, die Tradition und Moderne wunderbar vereint.»
Das Lied «My Lhasa Song», das Dechen Shak-Dagsay an zwei Anlässen vor einem altersdurchmischten Publikum gesungen hat, ist das traditionelle Liebeslied, das der 6. Dalai Lama Tsangyang Gyatso im 17. Jahrhundert geschrieben hatte. Das Lied kennen und lieben Tibeter auf der ganzen Welt. Nun ist es auch auf Spotify erhältlich sowie auf Youtube zu sehen und zu hören.
«Für mich hat dieser Song eine besondere Kraft der Versöhnung, die eine friedliche Koexistenz möglich macht. Gerade in einer Zeit, wo in anderen Teilen der Welt so Schreckliches passiert, dürfen wir Menschen die Hoffnung auf Frieden niemals aufgeben», sagt Shak-Dagsay.