Bis heute zählt der Kieler Skandalkrimi «Tatort: Reifezeugnis» (1977) von Regisseur Wolfgang Petersen (1941–2022) zu den am meisten wiederholten Sonntagskrimis. Doch daran möchte Episodenhauptdarstellerin Nastassja Kinski (63) nun etwas ändern. Wie das Magazin «Spiegel» berichtet, will die Berliner Schauspielerin, dass der Film künftig nur noch ohne ihre Nacktszenen ausgestrahlt wird. Ihr Anwalt hat sich demnach mit dem verantwortlichen NDR in Verbindung gesetzt.
Die bei den Dreharbeiten erst 15-jährige Tochter der streitbaren Schauspiel-Legende Klaus Kinski (1926–1991) verkörperte in «Reifezeugnis» die 17-jährige Schülerin Sina Wolf, die sich in ihren verheirateten Lehrer Helmut Fichte (Christian Quadflieg, 1945–2023) verliebt. Eine Liebesszene zwischen den beiden, in der auch viel nackte Haut gezeigt wird, sorgte schon bei der ersten Ausstrahlung am 27. März 1977 für mächtig viel Aufregung.
NDR über filmgeschichtliche Bedeutung von «Reifezeugnis»
Für die ARD scheinen die Nacktszenen mit der minderjährigen Kinski kein Grund zu sein, den Krimi in den Giftschrank zu verbannen. Zuletzt lief eine Wiederholung Anfang Januar im RBB. Eine weitere Ausstrahlung soll derzeit nicht eingeplant sein.
Der Kontroverse ist sich der Sender NDR dabei durchaus bewusst. Auf der Webseite zum Film heisst es: «Die Darstellung einer sexuellen Beziehung zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin und die Nacktszenen der damals erst 16-jährigen Nastassja Kinski machten den Fall zum allgemeinen Tagesgespräch – und bescherten ihr und dem damals noch unbekannten Regisseur Wolfgang Petersen (‹Das Boot›) den internationalen Durchbruch», ist dort einordnend zu lesen.
Christian Granderath (65), NDR-Fernsehfilm-Chef, lässt sich ebenfalls dazu zitieren: «Reifezeugnis mit Nastassja Kinski war in den Siebzigern eine sexuelle Initiation für sehr viele männliche Jugendliche. Auch deswegen ist dieser ‹Tatort› zur Legende geworden.»
1970er-Jahre vs. heute
Kinskis Anwalt kritisiert laut Magazin, das Fehlen einer «rechtswirksamen Einwilligung als Minderjähriger», denn Nastassja Kinski sei damals «faktisch ohne Begleitung am Set» gewesen, als die Szenen gedreht worden seien. Unabhängig davon habe er im Namen der Schauspielerin «für die Zukunft eine Einwilligung widerrufen».
«Das eine ist, wie man die Dinge in den Siebzigerjahren gesehen hat. Offensichtlich anders als heute, wo ein Dreh von Nacktszenen mit Minderjährigen sicherlich sogar unzulässig wäre», erklärt der Anwalt dazu. Das andere sei aber, wie der NDR «im Hier und Jetzt insbesondere nach zahlreichen #MeToo-Skandalen in Film und Fernsehen wörtlich die Nacktszenen mit einer Minderjährigen als den sexuellen Erweckungsmoment sehr vieler Männer» beschreibe, gibt er zu bedenken. (Spot On)
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