Bisher kannte man Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837–1898) vor allem in der zuckersüssen, makellosen Version der drei «Sissi»-Filme aus den 1950er-Jahren, die auch diese Weihnachten das TV-Programm dominieren. An Romy Schneider (1938–1982) klebte die Rolle zeitlebens wie Griessbrei. Und auch die historische Genauigkeit litt darunter.
Im neuen Serien-Sechsteiler des Streamingportals RTL+ (ab sofort verfügbar) gelingt der gebürtigen Luzernerin Dominique Devenport (25) nun eine Darstellung, die den wahren Begebenheiten bedeutend näher kommt. Das fängt beim Titel an, der sich an der korrekten Schreibweise orientiert und nicht an jener durch die Filmtrilogie verbreiteten Version. «Das Neue an ‹Sisi› ist, dass wir sie überhaupt erst einmal zum Menschen machen», sagt die in Deutschland lebende Devenport, «und sie als eine vielschichtige Person mit Stärken und Schwächen zeigen.»
Tabuthema kommt auf den Tisch
Der Abschied vom Märchenbild beginnt gleich mit der Anfangssequenz der ersten Folge – einer angedeuteten Selbstbefriedigungsszene. «Damit wird ein grosses Thema des Erwachsenwerdens angesprochen, das gerade in der damaligen Zeit tabu war: Die Sexualität der Frau wurde verschwiegen, obwohl jede Frau spätestens in ihrer Hochzeitsnacht damit konfrontiert wurde.» Zumal Sisi erst 15 war, als sie Kaiser Franz Joseph (1830–1916) kennenlernte. «Die Ansicht, dass sie eine Pionierin der sexuellen Emanzipation war, ist nicht falsch», so Devenport. Dies unterstreicht auch ihre Wahl der Kammerzofe Fanny – einer mit Franz Joseph bekannten Prostituierten, die Sisi gewisse Ratschläge geben soll.
Dennoch wirkt «Sisi» nicht plakativ oder gar plump. «Der Sex ist nicht einfach nur in der Serie, weil wir Lust hatten, ihn zu zeigen, sondern weil er für die Geschichte wichtig ist und sie vorantreibt», sagt Franz-Joseph-Darsteller Jannik Schürmann (29). Im Kern schildert das Werk vor allem den lebenslangen Kampf der Kaiserin nach ihrem Anrecht auf ein Privatleben jenseits des Hofes.
Weitere Sisi-Interpretationen in der Pipeline
Noch weiter in diese Richtung gehen will die Netflix-Serie «The Empress», die nächsten Frühling mit der deutschen Newcomerin Devrim Lingnau (23) erscheint. «Noch nie sei die Kaiserin so gezeigt worden wie hier», versprechen die Verantwortlichen, «ihrer Zeit voraus, ungewöhnlich, genderfluid und bisexuell.»
Ebenfalls 2022 bringen Regisseurin Frauke Finsterwalder (45) und ihr Mann, der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht (54), «Sisi und ich» ins Kino, erzählt aus der Optik einer Hofdame. Jenseits aller Interpretationsweisen beweist der Boom: Sisi fasziniert bis heute – und garantiert Quote und Kasse.
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